"Gemeinsam durch die Scheiße gehen"

Florian Bogner
21. November 200809:56
Peter Neururer (links) sah sich das 1:3 im Test gegen Schalke am Montag von der Tribüne aus anImago
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Mit Peter Neururer hat der deutsche Profi-Fußballer eines seiner am meisten polarisierenden Kinder wieder. Von vielen belächelt, von anderen vergöttert, steht der neue Trainer des MSV Duisburg vor allem für eines: Authentizität. Im Interview mit SPOX spricht der 53-Jährige über seine arbeitslose Zeit, die Ziele mit dem MSV Duisburg und über sein Lieblingsthema Jürgen Klinsmann.

Wenn man Peter Neururer anruft, ist man gleich in seiner Welt. Statt einem schnöden Tuten gibt sein Telefon nämlich "Born to be wild" von sich, die Hymne aller Harleyfahrer. Zwei Jahre lang war der Ex-Coach von Essen, Aachen, Schalke, Hertha, Saarbrücken, Hannover, Köln, Düsseldorf, Offenbach, Ahlen und Bochum aus dem Geschäft und hatte dabei genügend Zeit fürs Harleyfahren und fürs Golfspielen.

Allerdings war es keine glückliche Zeit, wie er betont. Neururer, das ist eben Fußball, das ist an der Seitenlinie stehen und Mitfiebern. Und nicht mit dem 9er-Eisen auf Bahn 13 eine kleine weiße Kugel in die Prärie dreschen.

Mit dem MSV Duisburg will der 53-Jährige wieder zurück in die Bundesliga. Da, wo er und der Verein hingehören, wie er betont. Im ersten Teil des Interviews mit SPOX spricht Neururer über eine witzige TV-Panne, missverstandene Zitate und erklärt, warum Zebras auf dem Fußballplatz nichts verloren haben.

HIER geht es zum zweiten Teil des Interviews

SPOX: Herr Neururer, haben Sie am Montagabend das 'heute journal' verfolgt?

Neururer: Ne, da hatte ich viele Termine, keine Zeit. Aber ich habe eine Menge davon gehört.

SPOX: Also wurde Ihnen davon erzählt, dass Sie vom ZDF fälschlicherweise zum Trainer von Schalke 04 gemacht wurden...

Neururer: Mein Sohn hat's mir erzählt, ja. Er hat gesagt: Papa, ich dachte eigentlich Du hättest beim MSV unterschrieben und nicht bei uns zuhause auf Schalke! Schon eine witzige Geschichte. Und es gibt bestimmt auch einige Schalke-Fans, die das gerne gesehen hätten. Aber im Fußball findet der Konjunktiv ja Gott sei Dank nicht statt.

SPOX: Schalke würde aber eigentlich viel besser zu den Ambitionen eines Peter Neururers passen, die er früher mal formuliert hat.

Neururer: Aber die Situation hat sich verändert. Ich bin abhängig von Vereinen, die meine Ambitionen unterstützen. Sprich: MSV-Präsident Walter Hellmich hat mich gefragt: Sind Sie bereit, den MSV wieder in die Bundesliga zu führen? Das sind meine Ambitionen, und deswegen habe ich sofort ja gesagt.

SPOX: Ein Zitat aus Ihrer Zeit ohne Job lautet wie folgt: 'Als der erste, zweite, dritte in arger Not befindliche Erstligist anrief, war das nicht mein Ding. Da war Peter Neururer zu Höherem berufen'...

Neururer: Moment. Das ist totaler Schwachsinn.

SPOX: Wieso, haben Sie das nicht so gesagt?

Neururer: Nein, wieso sollte ich? Ich habe mir vielleicht in den letzten zwei Jahren im Zusammenhang mit Klubs im Ausland gesagt: Das mache ich nicht. Aber in Bezug auf deutsche Erstligisten stimmt das absolut nicht.

SPOX: Das Zitat endet mit: 'Als dann nur noch Zweitligisten anriefen, war ich erst recht zu Höherem berufen. Irgendwann rief leider keiner mehr an. Da bin ich in ein verdammtes Loch gefallen.'

Neururer: Auch totaler Quatsch. Da hat irgendein journalistischer Hammerwerfer irgendwelche Dinge durcheinander geschmissen. Ich habe in den letzten zwei Jahren fortwährend Angebote erhalten, aber das waren alles Sachen, zu denen ich nicht gestanden habe. Entweder passte das Umfeld, die Zielsetzung oder das Finanzielle nicht. Und in meinem Alter muss ich mir das nicht antun, irgendwelche Sachen anzunehmen von denen ich nicht überzeugt bin. Punkt.

SPOX: Beim MSV passt es nun offensichtlich. Wie ist Ihr erster Eindruck von der Mannschaft?

Neururer: Wie immer, wenn man so eine Mannschaft übernimmt.

SPOX: Das heißt? Ein unfertiger Eindruck?

Neururer: Da muss man sich nur den Tabellenplatz ansehen. Das ist aber keine Kritik an meinen Vorgänger Rudi Bommer: Er hat mir eine Mannschaft überlassen, die in seinem sehr guten Trainingszustand ist. Aber die Mannschaft steht eben nur auf Platz elf und damit weit entfernt vom Saisonziel Aufstieg. Dass jetzt zu korrigieren, ist meine Aufgabe.

SPOX: Woran hapert es?

Neururer: An Erfolgserlebnissen. Wenn ich 3:1 in Fürth führe und die Fürther bis dahin kugelrund spiele, dann muss ich mich nicht über Schiedsrichterentscheidungen - wie beim 4:3 von Fürth - mokieren, sondern darüber, dass ich selbst desolat bin.

SPOX: Später haben Sie gemeint, Sie hätten Laufwege gesehen, die es sonst nur im Zoo gibt.

Neururer: Stimmt. Beim Freundschaftsspiel gegen Schalke 04 habe ich festgestellt, dass da einiges nicht passt. Da bin ich nachher zu den Spielern hin und habe gesagt: Moment mal, was ihr da zusammenlauft, hat nichts mit Fußball, sondern mit Zebras zu tun. Und Zebras sind Fluchttiere.

SPOX: Sie haben auch die Stimmungslage im Stadion kritisiert.

Neururer: Es kann ja wohl auch nicht sein, dass zigtausende von Zuschauern dem Trainer und dem Vorstand die Rote Karte zeigen. Da laufen schließlich Protagonisten auf dem Rasen rum, die damit überhaupt nicht umgehen können. Da hatte man zuletzt eine Atmosphäre im Stadion, die schlimmer war als bei Auswärtsspielen. Wenn, dann müssen wir alle gemeinsam durch die ganze Scheiße gehen. So geht's nicht.

SPOX: Mit Ihnen sollte jetzt zumindest der Trainer wieder beliebter sein.

Neururer: Ich hoffe es! Ich bin ja nicht überall beliebt, ich provoziere nur gerne. Aber ich komme aus der Ecke, wurde mit derselben Mentalität geboren. Und da hoffe ich natürlich, dass ich Einfluss nehmen kann.

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SPOX: Meinen Sie, Sie haben bei den Fans einen Sympathiebonus?

Neururer: Das warten wir mal ab. Wenn ich gegen Frankfurt verliere, kann das sofort wieder gegen Null tendieren.

SPOX: Das Saisonziel bleibt aber Platz zwei.

Neururer: Von Saisonzielen reden wir überhaupt nicht. Ich habe vor dem Fürth-Spiel gesagt, ich übernehme die Sache in der Hoffnung, dass wir sofort wieder aufsteigen. Dazu stehe ich auch. Aber wenn ich an elfter Stelle stehe, kann ich nicht von Aufstieg faseln. Das wäre ja Schwachsinn hoch zehn.

SPOX: Bei Ihrem Amtsantritt haben Sie gesagt, Sie und der Verein gehören in die Bundesliga. Ist das als Motivation für die Spieler gedacht?

Neururer: Das ist als Motivation für alle gedacht. Bis auf meine Person. Ich brauche keine Motivation, ich habe sie.

Im zweiten Teil des Interviews spricht Neururer über Ratschläge seiner Frau, sagt unverholen, was er von einigen Trainerkollegen hält und äußert sich vor allem zu seinem Lieblingsthema: Jürgen Klinsmann. Auch die KOMMENTARE gibt's es unter dem zweiten Teil.