Mit dem VfL Bochum hat Peter Peschel hat vom ersten Bundesliga-Abstieg bis zur ersten Europapokal-Saison alle Höhen und Tiefen erlebt. Im Interview spricht der 45-Jährige über wilde Kabinenerlebnisse, modische Verirrungen, verrückte UEFA-Cup-Abende und Fehlentscheidungen am Karriereende.
SPOX: Herr Peschel, Sie betreiben seit einigen Jahren eine Fußballschule in Bochum, Lünen und Recklinghausen. Welche Ziele verfolgt die Schule?
Peschel: Wir bieten ein ergänzendes Fördertraining für Mädchen und Jungen zwischen sechs und vierzehn Jahren an. Das steht in keiner Konkurrenz zum Verein und ist nur eine zusätzliche Einheit. Wir erfinden den Fußball nicht neu, aber wir versuchen, die Stärken der Kinder zu fördern und die Schwächen möglichst abzustellen.
SPOX: Auf Ihrer Homepage schreiben Sie, dass es für Sie als Kind nach der Schule nur darum ging, den Tornister in die Ecke zu schmeißen und auf den Bolzplatz zu gehen. Vermissen Sie diese Einstellung bei der Jugend heutzutage?
Peschel: Das ist auf jeden Fall weniger geworden. Man sieht kaum noch Kindergruppen mit dem Ball unter dem Arm, die auf dem Weg zum Bolzplatz sind. Und wenn man an Bolzplätzen vorbei fährt, sind sie leer. Die Straßenfußballer sterben aus. Früher hat sich das Leben draußen abgespielt, ein Tag ohne Fußball war unvorstellbar. Heute spielt sich alles drin ab, vor dem Fernseher oder der Playstation.
SPOX: Können Sie den Sinn dafür, wieder mehr auf die Straße zu gehen, in Ihrer Schule fördern?
Peschel: Jede Einheit ist gut für die Kinder und bringt sie weiter. Sie lernen ja beim Fußballspielen auch für das Leben, lernen Toleranz, Respekt und Teamwork - egal ob ein Trainer dabei ist oder sie auf dem Bolzplatz pöhlen. Es gibt auch Eltern, die überkritisch sind und Angst vor Überforderung ihrer Kinder haben. Aber wenn das Kind Bock hat, Fußball zu spielen, sollte man das fördern. Bei so einem zusätzlichen Training braucht niemand Angst zu haben, dass es den Kindern schadet.
Peschel: Dort lief es auch ziemlich gut. Ich sollte schon mitten in der Saison in die A1 hochgezogen werden, aber das wollte ich nicht unbedingt. Ich hatte einige gute Freunde in der A2, habe mich wohlgefühlt und der Trainer hat auf mich gesetzt. Deswegen wollte ich dort bleiben. Dann kam es zum Spiel gegen den VfL Bochum.
SPOX: Und Sie sind besonders aufgefallen?
Peschel: Offenbar. Schon in der Halbzeit auf dem Weg in die Kabine haben mich Verantwortliche des VfL angesprochen. Sie wollten mich unbedingt haben und sind eine Weile hinter mir hergelaufen. Nach langem Hin und Her habe ich mich für einen Wechsel entschieden. Aber ich hatte immer Zweifel, ob ich es schaffen kann.
SPOX: Woher kam das?
Peschel: Ich konnte mich schlecht einschätzen. Auch wenn andere mich gelobt haben, wusste ich nie, wo ich stehe.
SPOX: Also waren Sie kein arroganter Teenager?
Peschel: Überhaupt nicht. Wir wurden damals auch noch nicht so vom Geld versaut. Wenn Du heutzutage in der U17 oder U19 gut bist, schmeißen sie Dir die Kohle ja schon hinterher. Das gab es damals noch nicht. Beim VfL habe ich erstmal 150 Mark Fahrtgeld bekommen.
SPOX: Können Sie sich an Ihr erstes Bundesligaspiel am 11. August 1990 gegen Borussia Mönchengladbach noch erinnern?
Peschel: Sehr gut sogar. Ich war 18 und bin gerade aus der Jugend gekommen. Ich war zwar für die Profis eingeplant, aber nicht unbedingt als Stammspieler. Zum Saisonstart hatte ich das Glück, dass einige Spieler verletzt waren. Am Morgen vor dem ersten Spieltag hat mir Reinhard Saftig gesagt, dass ich spielen werde. Das Spiel lief für mich persönlich super.
SPOX: Sie haben das 2:1-Siegtor erzielt.
Peschel: Das war wie ein falscher Film. Ich habe gut gespielt, aber besser hätte der Einstand nicht sein können. Wenn Du als 18-Jähriger direkt so ein wichtiges Tor machst, bist Du erstmal dabei.
SPOX: Wie wichtig war Saftig für Ihren Werdegang?
Peschel: Ihm habe ich einiges zu verdanken. Er hat trotz meines jungen Alters auf mich gesetzt. Als er nicht mehr Trainer war, hat er mir erzählt, dass er dem BVB gesagt hat, sie müssten mich unbedingt holen. Daran sieht man, wie viel er von mir gehalten hat.
SPOX: Haben Sie erfahren, was aus BVB-Sicht dagegen sprach?
Peschel: Keine Ahnung, das ist auch nicht wichtig. Ich war jung und Dortmund hatte schon damals andere Möglichkeiten.
SPOX: Läuft man bei so einem steilen Aufstieg Gefahr abzuheben?
Peschel: Da haben meine Mannschaftskollegen schon aufgepasst. Damals war das anders als heutzutage. Heute haben die Burschen keinen Respekt mehr vor älteren Spielern. Aber wenn Du früher so ein paar Haudegen in der Mannschaft hattest, haben die Dich auf dem Boden gehalten.
SPOX: Wie muss man sich dieses Aufpassen vorstellen?
Peschel: Das ging im Training los. Wenn Du frech warst, hast Du richtig auf die Hölzer gekriegt. Und den einen oder anderen Spruch sowieso.
SPOX: In der Saison 1992/1993 ist der VfL erstmals in der Vereinsgeschichte aus der Bundesliga abgestiegen. Wie hart war der Schlag?
Peschel: Man macht sich natürlich Vorwürfe. Vorher ist das nie passiert und dann gehst Du so unrühmlich in die Geschichte ein.
SPOX: Gab es Vorwürfe im Umfeld?
Peschel: Nicht unbedingt. Wenn Du Dich in der Stadt bewegt hast, wurde es schon angesprochen. Aber es gab schnell wieder eine Aufbruchstimmung.
SPOX: Der direkte Wiederaufstieg ist Ihnen dann schließlich auch gelungen. Doch in den Jahren danach haben Sie sich zur Fahrstuhlmannschaft entwickelt. Gab es in dieser Phase Überlegungen, den Verein zu verlassen?
Peschel: Ich hatte damals keinen Spielerberater, sondern habe immer alles selbst mit dem Präsidenten besprochen. Es war auch noch ein bisschen anders. Wenn jemand interessiert war, ist er direkt zum Verein gekommen. Und weil die Verantwortlichen mich nicht abgeben wollten, ist das meiste gar nicht bis zu mir durchgedrungen.
SPOX: Also hätten Sie selbst, wenn Sie gewollt hätten, nicht die Möglichkeit gehabt zu wechseln?
Peschel: Es wäre schwierig geworden. (lacht) Aber für mich war das auch kein Thema. Woanders hätte ich sicher mehr verdient, aber für mich war das Wichtigste, dass ich mich wohlfühle.
SPOX: Im November 1994 verpflichtete der VfL Klaus Toppmöller als Trainer. Mit ihm startete eine Erfolgsgeschichte. Welche Bedeutung hat er Ihre Karriere?
Peschel: Er war einer meiner wichtigsten Trainer. Er hatte die perfekte Mischung aus Autorität und Spaß. Seine Spielidee vom mutigen Kombinationsfußball hat dem Verein sehr gut getan. Außerdem wusste er genau, wie er die Mannschaft zu führen hatte. Wir hatten eine lange Leine, aber wenn einer den Hampelmann gemacht hat, hat er eine auf den Deckel bekommen.
SPOX: Die Entwicklung unter Toppmöller fand ihren Höhepunkt in der Saison 1996/1997, als Sie Fünfter wurden. Was war da los?
Peschel: Es hat einfach alles gepasst. Wir sind schon in der Saison zuvor durch die 2. Liga marschiert und dann auch super in die Bundesliga gestartet.
SPOX: Am 2. Spieltag haben Sie bei Bayern München 1:1 gespielt.
Peschel: Das war ein Schlüsselerlebnis für die ganze Saison. Wir haben gut mitgespielt und zu Recht nicht verloren. Das gibt Selbstvertrauen.
SPOX: Wie wichtig ist in so einer erfolgreichen Saison der Zusammenhalt in der Truppe?
Peschel: Enorm wichtig. Privat waren nicht alle beste Freunde, aber auf dem Platz haben wir uns füreinander den Arsch aufgerissen. Und natürlich wird im Erfolg die Stimmung immer besser. Was teilweise in der Kabine abgegangen ist, war wild.
SPOX: Wild war auch die Aktion, als einige Teamkollegen und Sie sich eine Glatze rasierten. Was war das für eine Wette?
Peschel: Eine Wette war das gar nicht. Das hatte nichts mit der sportlichen Situation zu tun.
SPOX: Sondern?
Peschel: Peter Közle hatte Rastalocken. Wir haben ihn immer aufgezogen: "Közle, da ist ja alles drin, Tiere, Kaugummi. Komm, lass uns die Scheiße mal abschneiden." Er hat gezögert, aber irgendwann hat er es uns erlaubt. Also habe ich ihn in der Kabine hingesetzt, eine Haarschneidemaschine rausgeholt und drüberrasiert. Dann sagte Thomas Ernst: "Peschi, wenn Du das machst, mach ich das auch." Ich war in Bezug auf meine Haare sehr eitel. Aber ich habe mich bequatschen lassen und wir haben es durchgezogen.
SPOX: Der VfL hatte in dieser Zeit nicht gerade ein Graue-Maus-Image. Da haben die kultigen Regenbogen-Trikots ins Bild gepasst.
Peschel: Dass wir damit so erfolgreich waren, war ja Zufall. Ich will ehrlich sein: Als wir die zu Gesicht bekommen haben, dachten wir: "Ach du Scheiße, was ist das denn?" Im Nachhinein denkt man anders darüber. Die Trikots waren zwar hässlich, aber irgendwie geil. (lacht) Bochum, bunte Trikots, UEFA-Pokal - das passt.
SPOX: Die Spiele im Europapokal 1997/1998 bezeichnen Sie als das Highlight Ihrer Karriere. Welche Erinnerungen haben Sie?
Peschel: Vor der Saison haben alle gedacht, in der ersten Runde dürfen wir zwei Spiele machen und dann ist es vorbei. Ehrlich gesagt haben wir das auch gedacht. Im ersten Spiel haben wir auswärts gegen Trabzonspor zwar 1:2 verloren, aber gemerkt, dass etwas geht.
SPOX: Das Rückspiel war dann völlig verrückt...
Peschel: Der absolute Wahnsinn! Als ich 20 Minuten vor Schluss das 5:1 gemacht habe, haben alle gedacht, das Ding ist durch. Die hätten ja noch drei Tore schießen müssen. Aber auf einmal fällt das 5:2, das 5:3, unsere Kräfte haben nachgelassen. Mit einem Tor wären die weiter gewesen und etwa fünf Minuten vor Schluss machen die noch einen. Da gab der Schiri Gott sei Dank abseits. Da rutscht einem das Herz in die Hose. Für Trabzon sollte es einfach nicht sein. Das war das beste Spiel, das ich je für den VfL gemacht habe. Aber die letzten Minuten waren die Hölle...
SPOX: Wegen der Furcht, noch ein viertes Gegentor zu bekommen?
Peschel: Einerseits das, andererseits ging körperlich nichts mehr. Ich hatte Krämpfe und wir hatten schon dreimal gewechselt. Ich bin nur noch gekrabbelt, weil ich nicht mehr laufen konnte. Wir haben uns voll reingehauen und waren froh, als der Schiri endlich abgepfiffen hat.
SPOX: Da stand in Bochum bestimmt eine lange Partynacht an.
Peschel: Für uns als Mannschaft nicht, weil ein paar Tage danach das nächste Bundesligaspiel war. Aber die Fans haben bis in die Morgenstunden gefeiert, da habe ich abenteuerliche Geschichten gehört. (lacht)
SPOX: In der zweiten Runde gegen Brügge haben Sie das Hinspiel mit 0:1 verloren und es mit einem 4:1 zu Hause gedreht. Bekam man langsam das Gefühl, im Ruhrstadion unbesiegbar zu sein? spox
Peschel: Es lief sensationell. Vor allem war verrückt, wie viele Tore wir zu Hause immer geschossen haben. Die Erfahrung gegen Trabzonspor hat uns wahnsinnig viel gebracht. Du gehst mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein ins Spiel. Und wir haben auch einen richtig guten Fußball gespielt.
SPOX: Im Achtelfinale ging es gegen Ajax mit Edwin van der Sar, Frank de Boer oder Michael Laudrup und Sie führten nach 25 Minuten in Amsterdam mit 2:0.
Peschel: Wer weiß, was passiert wäre, wenn wir die auch noch ausgeschaltet hätten. Es hat aber leider nicht gereicht. Sie waren uns dann diesen kleinen Tick überlegen.
SPOX: Haben solche Erlebnisse nur positive Seiten oder können sie auch negative Auswirkungen haben?
Peschel: Wenn Du im Europapokal so erfolgreich bist, läufst Du schon Gefahr, dass die Bundesliga hinten runterfällt. Das ist eigentlich Quatsch, weil die Bundesliga immer noch wichtiger ist. Aber trotzdem sind wir unten reingeraten und hatten eine schwierige Saison. Vielleicht fehlen nach solchen emotionalen Abenden im Tagesgeschäft ein paar Prozentpunkte.
SPOX: Nach Ihrem vierten Abstieg im Jahr 2001 haben Sie den VfL verlassen. Wie ist der Wechsel zustande gekommen?
Peschel: Mein Vertrag hatte keine Gültigkeit für die 2. Liga. Der Verein hat mir ein Angebot mit schlechteren Konditionen gemacht und ich habe abgelehnt. Also war ich ablösefrei. Eigentlich war ein Wechsel zum 1. FC Nürnberg in die Bundesliga schon fix. Damals war Klaus Augenthaler dort Trainer und wollte mich unbedingt haben. Doch der Transfer ist noch geplatzt. Dann bin ich nach Duisburg gewechselt.
SPOX: Als Außenstehender wirkt es komisch, dass Sie nach dem Abstieg zu einem anderen Zweitligisten gewechselt sind.
Peschel: Ich gebe zu, dass es unglücklich gelaufen ist. Aber ich hatte irgendwann beim VfL abgesagt und wollte dazu stehen. Die letzten Jahre meiner Karriere waren eher ein Auslaufen. Heute würde ich die Entscheidungen anders treffen und für immer in Bochum bleiben.
SPOX: Nach Stationen in Regensburg, nochmals in Duisburg und bei Tennis Borussia Berlin haben Sie Ihre Karriere beendet. Was waren Ihre nächsten Schritte?
Peschel: Ich habe in meinem Heimatort Bönen ein Wettbüro eröffnet. Es gab aber immer Diskussionen. Einige Kommunen haben das geduldet, einige haben sie geschlossen. Es war eine Grauzone. Darauf hatte ich irgendwann keine Lust mehr.
SPOX: Wie ging es weiter?
Peschel: Ich wollte im Fußball bleiben, habe meinen Trainerschein gemacht und in der Spielervermittlung gearbeitet. Irgendwann ging es mit der Fußballschule los.
SPOX: Gemeinsam mit Ihrem Neffen haben Sie auch eine Werbeagentur gegründet.
Peschel: Genau. Wir wollten schon immer etwas zusammen machen. Er ist der Sohn meiner Schwester, der jetzige Bachelor. (lacht) Zwischen uns ist es kein Neffe-Onkel-Verhältnis, sondern eher ein Kumpel-Verhältnis. Er ist in diese Branche ein bisschen reingerutscht und ich habe viele Kontakte. Da ergänzen wir uns gut.
SPOX: Sie sprechen an, dass Ihr Neffe der aktuelle Bachelor ist. Hat er Sie im Vorhinein um Rat gefragt, ob er das machen soll?
Peschel: Klar hat er mich gefragt und ich habe gesagt, er soll das machen, wenn er die Chance bekommt. Er ist nicht auf den Kopf gefallen, intelligent, sieht gut aus. Er weiß, in welche Richtung er danach gehen will. Er will nicht durch irgendwelche Klubs tingeln, sondern etwas Besseres daraus machen. Insofern spricht da für mich nichts dagegen.
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