Aubameyang: Das Perisic-Problem

Jochen Tittmar
30. Januar 201423:03
Pierre-Emerick Aubameyang wechselte für 13,5 Millionen Euro vom AS St. Etienne zum BVBgetty
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Pierre-Emerick Aubameyang von Borussia Dortmund hat nach dem Kreuzbandriss von Jakub Blaszczykowski die Aussicht auf mehr Spielanteile. Der Gabuner spielt bislang eine Saison, die von Höhen und Tiefen geprägt ist. Es gilt, ein altbekanntes Problem noch schneller zu beseitigen.

Sein extravagantes Äußeres sowie eine starke Quote von 0,56 Toren pro Bundesligapartie dürften für das "ZDF" im vergangenen Dezember wohl die entscheidenden Gründe gewesen sein, Pierre-Emerick Aubameyang von Borussia Dortmund ins "aktuelle Sportstudio" einzuladen.

Zurückhaltend, beinahe schüchtern präsentierte sich der Gabuner dort, obwohl seine Kleidung und Frisur auf den ersten Blick etwas anderes vermuten lassen. Es war ganz so, als wolle er mit diesem Auftritt ausdrücken, dass man sein Bling-Bling-Image einfach zu akzeptieren habe. Nach dem Motto: Es ist halt so, ich kann und will es nicht ändern, ist doch nicht so schlimm.

Schwache Vorstellung gegen Augsburg

Mit dieser Einstellung liegt Aubameyang zweifelsohne richtig. Es steht ihm vollkommen frei, seine Extravaganz nach außen zu tragen oder nicht. Der 24-Jährige hat Spaß daran, seinen Fans in den sozialen Netzwerken einen Einblick in sein Leben zu bieten. Das ist in keinem Fall zu verurteilen.

Unglücklich wirken manche Einträge oder Bilder nur in sportlich schwierigen Zeiten. Es stößt daher derzeit nicht jedem, der zum BVB hält, positiv auf, wenn Aubameyang zwei Tage nach dem mannschaftlich dürftigen Auftritt zum Rückrundenstart gegen den FC Augsburg auf einem Bild zu sehen ist, das suggeriert, der Nationalspieler habe seinen Tag beim fröhlichen Shoppen verbracht.

Borussia Dortmunds Start in die Rückrunde: Es hakt

Momentan ist Aubameyang nämlich auch ein Gesicht der sportlichen Flaute beim BVB. Gegen die Fuggerstädter gehörte er nach seiner frühen Einwechslung zu den schwächsten Dortmundern. Auch unmittelbar vor dem Kehraus des letzten Jahres reihte er ein paar ungenügende Leistungen aneinander.

Aubameyang trifft alle 130 Minuten

Dass er es auch deutlich besser kann, zeigte der Neuzugang in seinen bislang 25 Pflichtspielen (15 von Beginn an) aber auch einige Male. Aubameyang setzte in seinem ersten Jahr in Deutschland schon richtige Glanzpunkte und deutete damit sein Potential mehr als an.

Der Dreierpack bei seinem Debüt in Augsburg, die Heimspiele gegen Hamburg und Stuttgart sowie der Auftritt in Mainz, bei dem ihm ein sehenswertes Freistoßtor gelang, waren Beweis für die Klasse des Mannes, den die Borussia für viel Geld vom AS St. Etienne losgeeist hat.

Aubameyang gehört mit seiner Schnelligkeit vor allem auf den ersten Metern zur Weltspitze, zeigte sich innerhalb des Strafraum kaltschnäuzig im Abschluss und trifft in der Bundesliga im Schnitt alle 130 Minuten ins Tor. Das ist für einen Neuen in Schwarzgelb ein durchaus vorzeigbares Zwischenergebnis.

Klopp: "Er muss flexibler werden"

Allerdings sind auch Defizite zu erkennen, die es ihm bislang verweigert haben, konstante Leistungen abzurufen. Aubameyangs Saison ähnelt einem Auf und Ab. In den Partien, in denen ihm große Räume zur Verfügung standen, war er aufgrund seines Antritts kaum zu bremsen. Positiv trat er daher meist nur als Konterspieler in Erscheinung, fünf seiner neun Saisontreffer erzielte er in zwei Partien.

Im taktischen Bereich hapert es bei ihm allerdings noch an einigen Stellen. Dies wird dann sichtbar, wenn sich die Gegner vor allem bei Dortmunder Heimspielen tief in der eigenen Hälfte positionieren und neben einem klugen Positions- auch ein vollkommenes Passspiel sowie Geduld und Ruhe gefordert sind. Zu häufig wählt Aubameyang dann die falschen Laufwege, hält den Ball zu lange am Fuß oder es schleichen sich leichtfertige Fehler in seine Abspiele ein.

Trainer Jürgen Klopp ließ bereits wissen, dass es dem 33-maligen Nationalspieler (zwölf Tore) im Training häufiger gelingt, seine eigenen Gefahrenquellen zu minimieren. In den Spielen deutet er dies jedoch zu selten an. "Er muss lernen, auch dann torgefährlich zu sein, wenn er mehr leisten muss als nur einen Gegenspieler im Sprint abzuhängen. Sonst wird das irgendwann zu durchsichtig. Da muss er flexibler werden", sagte Klopp bereits kurz nach dem Saisonstart.

Parallelen zu Ivan Perisic

Doch bei der Variabilität sind auch seine Mitspieler gefordert. Sie sind zwar versucht, gut dosierte Bälle in den Rücken der Außenverteidiger zu spielen. Diese Maßnahme wird jedoch zu häufig übertrieben und als alleiniges Mittel angesehen, um Aubameyang ins Spiel zu bringen.

Der Spieler Aubameyang ist von seinen Stärken und Schwächen her aber auch individuell zu betrachten. Auch er reiht sich in die Liste an Neuzugängen ein, die in ihrem ersten Jahr in Dortmund Schwierigkeiten mit der Adaption an die vom Trainer vorgegebenen mannschafts- sowie individualtaktischen Forderungen bewältigen mussten. Paradebeispiel ist hier weiterhin Ilkay Gündogan, der erst in seinem zweiten Jahr zu einer echten Verstärkung reifte.

Aubameyangs Situation ähnelt - freilich bis auf die Anzahl der erzielten Tore - gewissermaßen der von Ivan Perisic. Der Kroate deutete in seinen eineinhalb Jahren beim BVB vieles an, blieb aber gerade auch in taktischer Hinsicht vieles schuldig. Auch der jetzige Wolfsburger fand sich nicht hundertprozentig zurecht im Dortmunder Kombinationsspiel und offenbarte dabei ähnliche Probleme, wie sie nun Aubameyang zu bekämpfen hat. Und auch Perisic agierte präziser, je näher er dem Strafraum kam.

Aussicht auf höhere Spielanteile

Natürlich gesteht der BVB Aubameyang Zeit zu. Eine neue Kultur, eine fremde Sprache, spezielle fußballerische Anforderungen, die er aus Frankreich nicht in diesem Maße kannte - das dies nun einmal etwas dauert, haut in Dortmund niemanden vom Hocker.

Aubameyangs Situation ist jedoch deshalb akuter als das Perisic-Problem, da er nach dem Kreuzbandriss von Jakub Blaszczykowski nun die Aussicht auf deutlich mehr Spielanteile hat. Es ist damit zu rechnen, dass er künftig häufiger über den rechten Flügel angreifen darf.

In Jonas Hofmann hat er einen Konkurrenten im Nacken sitzen, der in dieser Saison zwar nur bei einem einzigen Spiel in der Startelf auftauchte, jetzt aber auch darauf brennt, den Kuba-Ausfall für sich zu nutzen. "Es ist schade, dass sich Kuba verletzt hat, aber für mich öffnet sich dadurch eine Tür. Wenn ich das auf dem Platz zeige, was ich kann, gibt es keinen Grund, einen Neuen zu holen", meint Hofmann.

Rohr: "Er muss sich taktisch verbessern"

Um der Vakanz im rechten Mittelfeld zu begegnen könnte Klopp neben Aubameyang und Hofmann auch Marco Reus und Kevin Großkreutz aufbieten. Dies würde allerdings eine Änderung auf einer anderen Position nach sich ziehen, was traditionell nicht unbedingt Klopps erste Wahl sein dürfte. In erster Linie ist nun aber vor allem Aubameyang gefordert, seine von Klopp gelobten Trainingsleistungen auch im Wettkampf zum Vorschein zu bringen.

"Er muss präsenter und konzentrierter bei der Defensivarbeit sein. Das war vorher nicht unbedingt seine Stärke. In St. Etienne durfte er als einzige Spitze vorne stehen bleiben, um zu lauern. Das geht in Deutschland nicht mehr", sagt Gernot Rohr, der Aubameyang zwei Jahre lang als Nationalcoach Gabuns unter seinen Fittichen hatte, im Gespräch mit SPOX. "Er muss seine Spielweise anpassen und sich vor allem taktisch verbessern, damit seine Aktionen, wenn die Borussia zu Hause tief in des Gegners Hälfte angreift, klarer werden."

Aubameyang betonte längst, dass er sich über die Problematik, die ihm der BVB-Fußball noch bereitet, im Klaren ist. Rohr beschreibt ihn als sensiblen und lernwilligen Menschen, der noch "ein paar Monate" brauchen wird, um bei 100 Prozent anzukommen: "Er ist aber auf einem guten Weg."

Ball- und Passsicherheit im Spiel auf engem Raum kombiniert mit dem Verinnerlichen der defensivtaktischen Abläufe und einem sinnvollen Timing für Sprints - dorthin muss Aubameyang künftig kommen. Stimmen dann noch die Ergebnisse, gewinnen auch die Einblicke in sein Privatleben meist ganz schnell wieder eine andere Bedeutung.

Pierre-Emerick Aubameyang im Steckbrief