Seit der BVB im 3-4-3 spielt, ist Raphael Guerreiro stets einer der Besten in Schwarz-Gelb. Dabei war seine Zukunft bei Borussia Dortmund noch im Sommer alles andere als gewiss. Von dem, der ihn eigentlich ersetzen sollte, redet nun jedoch kaum noch jemand. Wie eine Systemumstellung Identität geschaffen hat.
Dass Raphael Guerreiro heute überhaupt noch bei Borussia Dortmund spielt, war vergangenen Sommer bekanntlich alles andere als sicher. Schließlich hatte der BVB für viel Geld Nico Schulz, den etablierten Linksverteidiger der deutschen Nationalmannschaft, aus Hoffenheim geholt.
Und es gab ja auch attraktive Interessenten für Guerreiro, allen voran PSG soll um den Portugiesen gebuhlt haben. Trainer Lucien Favre war von der Idee, Guerreiro abzugeben, aber nie begeistert. Immer wieder betonte der Schweizer, wie viel er von dem Linksfuß hält: "Rapha ist ein sehr, sehr guter Spieler, sehr clever. Wir hoffen, dass er bleibt", sagte er im August.
Guerreiro ist ja von seinen Anlagen her auch ein Spieler wie gemalt für Favre: Technisch hervorragend, gutes Umschaltspiel nach vorne, dynamisch und extrem spielintelligent. Und doch hatte er beim BVB bis vor wenigen Monaten seine Rolle nie so recht gefunden. Was sicher auch daran lag, dass der 26-Jährige in der Defensivarbeit nicht der effektivste ist.
gettyBVB-Spielsystem? Guerreiro: "Das kommt meinen Stärken entgegen"
Spätestens seit Favre das Dortmunder System im Herbst des vergangenen Jahres auf ein 3-4-3 umstellte, kann Guerreiro diese Mängel im Spiel nach hinten aber gut verstecken. Und vor allem nach vorne so befreit aufspielen, wie er es seit Wochen eben tut. Das System ist wie auf ihn zugeschnitten, gibt ihm endlich die so lang ersehnte Identität im Kollektiv.
"Ich finde das super, ich spiele sehr gerne so und mag es, nach vorne zu gehen und zu attackieren", sagte Guerreiro im Wintertrainingslager zum Systemwechsel. "Das kommt auch meinen Stärken entgegen und ich habe den Rückhalt durch einen weiteren Abwehrspieler hinter mir. Diese Grundordnung gibt uns auch die Möglichkeit, noch stärker auf den Gegner einzugehen."
Schon einmal hatte eine veränderte Position dem in Frankreich geborenen portugiesischen Nationalspieler einen Schub verliehen. Beim FC Lorient, wo ihm der Durchbruch gelang, spielte Guerreiro zunächst als Linksverteidiger in einer Viererkette. Bis Lorient-Trainer Sylvain Ripoll den damals 20-jährigen Techniker im November 2014 ins linke Mittelfeld vorzog - und Guerreiro im ersten Spiel in neuer Rolle gleich ein Tor gegen PSG gelang.
"Das war wie ein Erweckungserlebnis, denn ich habe davor nie Tore erzielt", sagte Guerreiro seinerzeit nach dem Spiel und führte aus: "Als Linksverteidiger muss man mehr verteidigen. Im Mittelfeld zu spielen, liegt mir besser." Coach Ripoll lobte: "Wir brauchten mehr Vorwärtsdrang, mehr Geschwindigkeit auf den Flügeln. Mir war schnell klar, dass Guerreiro uns das geben kann."
Doch weil Guerreiro eben auch den klassischen Linksverteidiger geben kann, wurde er schon in Lorient in der nächsten Saison wieder zwischen Abwehr und Mittelfeld hin- und hergeschoben. Ein Umstand, der sich seit seinem Wechsel zum BVB im Sommer 2016 fortsetzte.
Raphael Guerreiro wird beim BVB immer wichtiger
In der ersten Saison unter Thomas Tuchel spielte er zwar meist in offensiverer Rolle, wurde aber mal auf links, mal im Zentrum als Achter eingesetzt. Das zweite Jahr verpasste er wegen Verletzungen beinahe komplett und 2018/19 - in der ersten Favre-Spielzeit - war er wieder mal Verteidiger, mal Mittelfeldspieler.
Seit der Umstellung auf die 3-4-3-Formation hat Guerreiro nun erstmals in Dortmund über längeren Zeitraum eine feste Rolle. Und dazu eben noch eine, die wie maßgeschneidert für ihn ist: Er kann über die Seite mit seinem Tempo, dem starken Dribbling und den guten Hereingaben Druck machen. Er kann aber auch das Offensivspiel über den gesamten Platz antreiben, kann Ideen aus dem Zentrum liefern oder das Geschehen bei Gegenstößen klug verlagern, wie zuletzt bei der Entstehung des Treffers zum zwischenzeitlichen 3:0 gegen Frankfurt.
In acht der neun vergangenen Pflichtspielen des BVB stand Guerreiro über die vollen 90 Minuten auf dem Platz, drei Tore und drei Vorlagen gelangen ihm dabei. Wie wichtig er für das Dortmunder Spiel aktuell ist, wurde vor allem dann sichtbar, wenn er mal nicht dabei war: Bei der 2:3-Niederlage in Bremen im DFB-Pokal etwa, die er angeschlagen verpasste.
Dortmund wirkte uninspiriert, eine entscheidende Triebfeder schien zu fehlen. Dass man Guerreiro im Sommer doch noch in Dortmund gehalten hat, im Oktober dann sogar seinen Vertrag bis 2023 verlängerte, war also mehr als nachvollziehbar. Und von Nico Schulz redet aktuell eigentlich niemand mehr.
Raphael Guerreiro: Spielerstatsitiken beim BVB
Spielzeit | Spiele | Tore | Torvorlagen |
2019/20 | 27 | 5 | 5 |
2018/19 | 32 | 6 | 6 |
2017/18 | 14 | 2 | 1 |
2016/17 | 35 | 7 | 9 |