Jochen Sauer, Leiter des Nachwuchsleistungszentrums beim FC Bayern München, hat sich erstmals zur Rassismus-Affäre am Campus des deutschen Rekordmeisters geäußert. Ein Rassismusproblem beim FCB sieht er nicht, dennoch müssten Lehren aus dem Vorfall gezogen werden.
"Es war für alle ein Schock", sagte Sauer im Interview mit der tz und dem Münchner Merkur am Samstag: "Wir hatten keine Ahnung, dass es in einem Teilbereich unseres Campus' zu rassistischen Äußerungen gekommen war." Im August diesen Jahres waren Chatverläufe durch die Berichterstattung des WDR in seinem Magazin Sport Inside öffentlich geworden, die nahelegten, dass ein langjähriger Mitarbeiter des NLZ offen rassistisch gegenüber Kollegen und Jugendspielern aufgetreten war.
Unter anderem war berichtet worden, dass der Mann das Foto eines Lastwagens mit der Aufschrift "Bimbo" postete und kommentierte: "Transport. Hier werden die Neger von A nach B transportiert." In einem weiteren Chat hieß es in Richtung eines langjährigen FCB-Jugendbetreuers mit Migrationshintergrund: "Halts Maul Kameltreiber".
Die Echtheit der Chatverläufe bestätigte sich nach Abschluss der Untersuchungsgruppe des deutschen Rekordmeisters, wie Sauer offen zugab. "Die rassistischen Äußerungen in der Chatgruppe gab es, keine Frage. Und sie haben uns weh getan, denn es wurde auch gegen die Werte und die Haltung des FC Bayern verstoßen", erklärte Sauer.
"Als falsch erwiesen" sich hingegen laut Sauer die Vorwürfe gegen den besagten Jugendtrainer, er habe Spieler gemobbt und sadistische Trainingsmethoden angewandt. Dies war in Form eines anonymen Briefes an die Campusleitung herangetragen worden. "Man muss ganz klar festhalten, dass sich diese Vorwürfe nach den Untersuchungen nicht bestätigt haben", sagte Sauer: "Wenn Eltern in der Vergangenheit auf uns zugekommen sind und gesagt haben, mein Sohn wird ungerecht behandelt, sind wir dem natürlich nachgegangen."
FC Bayern: Sauer hadert mit passiven Chatteilnehmern
In aller Regel hätten sich diese Vorwürfe nicht bewahrheitet - "so auch in diesem Fall nicht". Der FCB habe von den Vorfällen erst so spät erfahren, "weil die Chatgruppe wie ein verschlossener Raum funktioniert hat. Alles ist zwischen den Mitgliedern hinter digital verschlossenen Türen ausgetauscht worden", erklärte der 48-Jährige weiter.
"Bis August 2020" sei nie etwas nach außen gedrungen. Die Aufklärung der Vorfälle habe deshalb so lange gedauert, weil Chatverläufe über einen Zeitraum von mehr als 30 Monaten hätten untersucht werden müssen.
"Der Inhalt der Chat-Gruppe umfasste Tausende von Beiträge, davon vielleicht ein Dutzend mit rassistischem Inhalt", sagte Sauer. Außerdem habe man im Laufe der Untersuchungen "sehr viele Gespräche" führen müssen. Unter anderem beispielsweise mit anderen Teilnehmern der Chatgruppe, die eine frühzeitige Erkennung durch ihr Schweigen verhindert hatten.
"Das habe ich mich oft gefragt: Warum ist keiner aus der Gruppe zu einem direkten Vorgesetzten oder zur Campus-Leitung gegangen?", bedauerte Sauer. Man habe mit allen, die passiv geblieben sind, "sehr ernste Gespräche" geführt, um zu verhindern, dass "eine Unterlassung in so einem Kontext" nicht wieder vorkomme.
Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty ImagesFCB: Diese Konsequenzen zieht Sauer aus der Rassismus-Affäre
Als erste Konsequenz der Rassismus-Affäre, in deren Zuge "bei drei Mitarbeitern der U9- bis U15-Mannschaften arbeitsrechtliche Pflichtverletzungen ermittelt" wurden, wolle man beim Bayern-Campus künftig "Kompetenzen und Zuständigkeiten" so verteilen, "dass die Entscheidungskraft auf mehreren Schultern liegt", sagte Sauer weiter.
Dabei gehe es explizit auch um eine gezieltere Wertevermittlung für "Trainer, Staff, Mitarbeiter", denn das "engmaschige Präventions- und Schulungsnetz" bezüglich Rassismus, Diskriminierung oder Spielsucht auf dem Campus habe sich bisher weitgehend auf die Spieler fokussiert. Dies soll sich nun ändern.
Bereits im August hatte sich der Verein von dem beschuldigten Jugendtrainer getrennt, auch die Staatsschutz-Abteilung der Polizei schaltete sich in die Ermittlungen ein. Der Trainer hat daraufhin Klage gegen den Rauswurf eingereicht.