Mourinhos neues Puzzle

Thomas Gaber
27. August 201018:25
Jose Mourinho kam von Inter Mailand zu Real MadridGetty
Werbung
Werbung

Real Madrid will in dieser Saison die Vormachtstellung des FC Barcelona brechen. Doch was plant der neue Trainer Jose Mourinho und welche Rolle spielen dabei die Deutschen Mesut Özil und Sami Khedira? Ein Überblick über die Situation im Kader von Real Madrid.

Sechs Mal in Folge ist Real Madrid in der Champions League im Achtelfinale ausgeschieden. Sechs Mal in Folge sind die Königlichen kläglich am Versuch gescheitert, la Decima, den ersehnten zehnten Titel im Landesmeistercup, zu holen.

Nebenbei hat der FC Barcelona die Vormachtstellung in Europa an sich gerissen. Das verhasste Barca lässt el Madrid links liegen - Blasphemie in den Augen der Real-Aficionados.

Zur Wiederherstellung der alten Kräfteverhältnisse hat sich Real-Boss Florentino Perez die derzeitige Nummer eins unter den Trainer geangelt: Jose Mourinho. Der Portugiese steht seit Jahren wie kein anderer Trainer für Erfolg und vor allem für große Titel.

Blockbuster-Transfers bleiben aus

Die Mega-Tranfers sind in diesem Sommer (bislang) ausgeblieben. Mit Angel di Maria, Pedro Leon, Sergio Canales, Sami Khedira, Ricardo Carvalho und zuletzt Mesut Özil hat Real zwar quantitativ flächendeckend auf dem Transfermarkt zugeschlagen, ein echter Blockbuster-Deal wie in den letzten Jahren war aber nicht dabei.

RCD Mallorca - Real Madrid am Sonntag, 21 Uhr, live bei laola1.tv

Viele Vorgänger von Mourinho erhielten Vorgaben über Spielertransfers, der neue Coach erteilt Vorgaben. Die Transferaktivitäten sind laut Sportdirektor Jorge Valdano abgeschlossen. In den Medien wird weiter über das Interesse an einer neuen Nummer 9, also einem Mittelstürmer, spekuliert.

Wahre Stärke erst 2012

"Mein Real Madrid wird immer schön spielen", prophezeite er bei seiner Inthronisierung, schränkte aber ein: "Wir werden erst 2012 die wahre Stärke der Mannschaft sehen. Meine Mannschaften haben stets erst im zweiten Jahr ihr ganzes Potential ausgeschöpft."

Mourinho hat Inter Mailand in der letzten Saison ein in den entscheidenden Spielen perfekt funktionierendes 4-2-3-1 verpasst. Dieses System schwebt ihm auch bei Real vor. Der Kader lässt auch eine flexible Umstellung auf 4-4-2 und 4-3-3 zu.

Auf eine Stammelf hat sich der Portugiese noch nicht festgelegt: "Ich muss bis zum ersten Spiel gegen Mallorca meine Stammelf gefunden haben. Bis dahin haben alle Spieler die gleiche Chance, sich zu empfehlen."

Cristiano Ronaldo wird in der Offensive die zentrale Rolle spielen. Wer sind die weiteren Keyplayer? Wie geht Mourinho mit der Verletzung von Kaka um und welche Rolle spielen Özil und Khedira? Ein Überblick über die Situation im Kader von Real Madrid.

Tor

Iker Casillas, Jerzey Dudek, Antonio Adan

Mit über 500 Pflichtspielen für Real und über 100 Länderspielen für Spanien ist Iker Casillas bereits mit 29 Jahren eine Legende. Der Welt- und Europameister aus dem Madrider Arbeitervorort Mostoles ist Reals unumstrittene Nummer eins und nach den Abgängen von Raul und Guti erster Kapitän.

Spanische Medien forderten nach einigen Patzern in der letzten Saison Casillas' Degradierung zur Nummer zwei während der WM hinter Victor Valdes aus Barcelona. Nationaltrainer Vicente Del Bosque hielt aber an seinem Kapitän fest.

Casillas kassierte in Südafrika nur zwei Gegentore, hielt einen Elfmeter im Viertelfinale gegen Paraguay und bewahrte Spanien im Finale im Eins-gegen-eins gegen Arjen Robben vor einem Rückstand.

Der erfahrene Jerzey Dudek, Champions-League-Sieger mit dem FC Liverpool 2005, könnte wie in den letzten Jahren in der Copa del Rey zum Einsatz kommen. Der 23-jährige Adan wurde 2006 U-19-Europameister und gilt als potentieller Nachfolger von Casillas. 2008/09 fiel er mit einer schweren Knieverletzung fast die gesamte Saison aus.

AUßENVERTEIDIGER: Ramos und dann lange nichts

INNENVERTEIDIGER: Jetzt also doch Carvalho

DEFENSIVES MITTELFELD: Zu viele Diarras

OFFENSIVES MITTELFELD: Überangebot an Kreativität

STURM: Higuain die Nummer eins

Rechter Verteidiger

Sergio Ramos, Alvaro Arbeloa, Lassana Diarra

"Ich plane mit Ramos als Innenverteidiger", sagte Mourinho nach seinem Dienstantritt. Der Platz rechts in der Viererkette war nämlich von Anfang an für seinen Wunschspieler reserviert. Nach zähen Verhandlungen hat Inter Mailand den Brasilianer Maicon allerdings endgültig für unverkäuflich erklärt.

Somit ist Ramos wieder erste Wahl. Bei der WM konnte der 24-Jährige auf dieser Position überzeugen. Erster Backup ist der vielseitige Arbeloa, der Ramos in der letzten Saison einige Male auf rechts vertreten hat.

Die Notlösung heißt Lass. Der Franzose half in der letzten Saison rechts aus, war dort aber eher eine Fehlbesetzung

Linker Verteidiger

Marcelo, Alvaro Arbeloa, Royston Drenthe

Auch für hinten links bekam Mourinho nicht seinen Wunschspieler. "Ich hätte Ashley Cole gerne gehabt, aber ich akzeptiere die Entscheidung von Carlo Ancelotti, ihn nicht zu verkaufen."

Marcelo und Arbeloa duellieren sich um die Position. Restlos überzeugt ist Mourinho von Marcelo nicht. "Er ist ein talentierter Spieler, aber mit 21 Jahren noch sehr jung und unerfahren." Außerdem ist der Brasilianer ein offensiv ausgerichteter Typ, Arbeloa die solidere Variante.

Auf der US-Tour probierte Mourinho die Alternative Drenthe aus. Der Niederländer wird aber nur im Notfall in der Viererkette zum Einsatz kommen.

TOR: Casillas ohne Konkurrenz

INNENVERTEIDIGER: Jetzt also doch Carvalho

DEFENSIVES MITTELFELD: Zu viele Diarras

OFFENSIVES MITTELFELD: Überangebot an Kreativität

STURM: Higuain die Nummer eins

Innenverteidiger

Pepe, Ricardo Carvalho, Raul Albiol, Ezequiel Garay, Sergio Ramos

"Ich brauche einen erfahrenen Abwehrspieler von Weltklasseformat, der sich auch in die Offensive einschalten kann", sagte Mourinho der englischen Zeitung "Sunday Telegraph" - da war die Situation in der Innenverteidigung aber noch nicht akut.

Erst Pepes Verletzung brachte Real in Zugzwang. Also holte Mourinho doch noch seinen treuen Weggefährten Ricardo Carvalho.

Über den hatte er nur wenige Tage vor dem Transfer noch gesagt: "Ich mag Ricardo und sein Spiel sehr, aber er ist nicht der Spieler, der die Mannschaft in den nächsten drei, vier Jahren führen kann. Außerdem muss man auch wirtschaftlich denken. Ein Verein kauft lieber einen Spieler mit Mitte 20, den er in ein paar Jahren vielleicht gewinnbringend wieder verkaufen kann."

Durch Carvalhos Wechsel kann Mourinho wieder mit Ramos auf rechts rechnen und muss den Nationalspieler nicht in der Innenverteidigung bringen. Albiol hat im Kampf gegen den jungen Garay bessere Karten.

TOR: Casillas ohne Konkurrenz

AUßENVERTEIDIGER: Ramos und dann lange nichts

DEFENSIVES MITTELFELD: Zu viele Diarras

OFFENSIVES MITTELFELD: Überangebot an Kreativität

STURM: Higuain die Nummer eins

Defensives Mittelfeld

Xabi Alonso, Lassana Diarra, Mahamadou Diarra, Sami Khedira, Esteban Granero, Fernando Gago, Royston Drenthe

Die große Lösung Steven Gerrard scheiterte am Veto des FC Liverpool. Die vermeintlich kleine heißt Sami Khedira. "Er ist mir schon lange positiv aufgefallen. Ich hatte Zweifel an seinen charakterlichen Fähigkeiten, aber er hat mich bei der WM voll überzeugt", sagte Mourinho.

Der Ex-Stuttgarter kämpft mit Alonso und den beiden Diarras um eine Position auf der Doppel-Sechs im 4-2-3-1. Hier hat Mourinho die größten Auswahlmöglichkeiten. Auf Mahamadou hält Mourinho große Stücke, sonst hätte er ihn kaum zum dritten Kapitän nach Casillas und Ramos ernannt.

Allerdings würde ihm der Verein keine Steine in den Weg legen, wenn er gehen will. "Zwei oder drei Abgänge wären sehr angenehm für uns", sagte Valdano. "Mahamadou Diarra ist der einzige, mit dem wir direkt darüber gesprochen haben."

Auch um Lass ranken sich nach wie vor Wechselgerüchte. Sein Ex-Trainer Harry Redknapp würde ihn gerne nach Tottenham holen. Bisher scheiterte der Transfer an Lass' Gehaltsvorstellungen. Die sichere Teilnahme an der Champions League hat den Spurs aber neuen Spielraum verschafft.

Alonso soll das defensive Zentrum mit seiner Übersicht, der Ruhe am Ball und dem kontrollierten Passspiel ordnen.

Drenthe muss sich hinten anstellen. Granero ist im rechten Mittelfeld beheimatet, kann aber auch im Zentrum spielen. Gago fällt wegen einer Knieverletzung erstmal mindestens vier Wochen aus.

TOR: Casillas ohne Konkurrenz

AUßENVERTEIDIGER: Ramos und dann lange nichts

INNENVERTEIDIGER: Jetzt also doch Carvalho

OFFENSIVES MITTELFELD: Überangebot an Kreativität

STURM: Higuain die Nummer eins

Offensives Mittelfeld

Cristiano Ronaldo, Kaka, Sergio Canales, Pedro Leon, Angel Di Maria, Rafael van der Vaart, Mesut Özil, Esteban Granero

Mourinhos Erfolge basieren auf dem Teamgedanken. Seine Philosophie: Das Kollektiv gewinnt Spiele. Auch Superstars haben sich anzupassen. Wer Cristiano Ronaldo in der Mannschaft hat, kommt allerdings nicht dran vorbei, System und Taktik auf den Portugiesen auszurichten.

"Für mich ist die Schwierigkeit ein System zu kreieren, in dem sich Cristiano wohlfühlt wie ein Fisch im Wasser. Ein Team muss so gestaltet werden, dass die herausragenden Spieler in ihrer gewohnten Position spielen, um auf einem maximalen Level zu agieren", sagte Mourinho.

Ronaldo ist Mourinhos Baby, das beschützt werden muss. "Ich werde es nicht zulassen, dass alle die Verantwortung auf Cristiano abwälzen." Mit alle meint Mourinho in erster Linie die Spieler. Der Rest muss für Ronaldo arbeiten, auch wenn Mourinho das gleiche von Ronaldo verlangt. "Es bringt nichts, wenn zehn Spieler einem hinterlaufen. Ronaldo hat die gleiche Aufgabe wie die anderen: er muss sich für das Team opfern."

Im Offensivspiel wird Ronaldo mit allen Freiheiten ausgestattet. Im 4-2-3-1 soll er vermehrt über links kommen, aber auch die Seite wechseln oder als zweiter Stürmer ins Zentrum nachrücken. Im 4-3-3 ist sein Platz auf einem der beiden Flügel.

Das kreative Zentrum war eigentlich für Kaka reserviert. Doch der Brasilianer fällt voraussichtlich bis Jahresende aus. Auch hier vollzog sich der Portugiese quasi selbst einem Sinneswandel.

"Ich verplempere keine Zeit damit, verletzten oder kranken Spielern nachzutrauern. Wir haben genügend Qualität, Kakas Ausfall zu kompensieren. Canales oder van der Vaart werden für ihn spielen", sagte Mourinho vor vier Wochen. Ein paar Tage später stand Mesut Özil mit einem weißen Trikot in der Hand vor den Kameras.

Der Ex-Bremer soll über die linke Seite oder durch die Mitte kommen, auch wenn Özil aufgrund seine verkürzten Vorbereitung zunächst durchaus Probleme bekommen wird. Zumal er mit Pedro Leon, Granero und vor allem auch mit Jungstar Canales große Konkurrenz hat.

Dem wird nachgesagt, dass er von Mourinho protegiert und immer seine Einsatzzeit bekommen wird. In der Vorbereitung beeindruckte Canales phasenweise, obwohl er durch die Teilnahme an der U-19-EM in Frankreich praktisch keinen Urlaub hatte.

Im rechten Mittelfeld hat Pedro Leon die Nase im Kampf gegen Granero vorn. Leon, der auch links spielen kann, kommt aus der Nachbarschaft vom FC Getafe und deutete sein großes Potential in der Vorbereitung an. "Mourinho ist sehr angetan von Leon", schrieb die "Marca".

Etwas außen vor ist Neuzugang Di Maria, der in der letzten Saison bei Benfica Lissabon zu Portugals Spieler des Jahres gewählt wurde. Das Problem des Argentiniers: dessen Konkurrenten auf links heißen Ronaldo, Canales und Özil.

Van der Vaart ist das Stehaufmännchen bei Real. Mehrfach wollte die Klubführung den Niederländer loswerden, doch van der Vaart kam regelmäßig auf seine Einsätze. Zunächst wollte er auch in dieser Saison seine Chance suchen gegen die jungen aufmüpfigen Canales, Leon oder Özil. Jetzt stehen die Zeichen aber doch eher auf Abschied.

TOR: Casillas ohne Konkurrenz

AUßENVERTEIDIGER: Ramos und dann lange nichts

INNENVERTEIDIGER: Jetzt also doch Carvalho

DEFENSIVES MITTELFELD: Zu viele Diarras

STURM: Higuain die Nummer eins

Sturm

Gonzalo Higuain, Karim Benzema, Cristiano Ronaldo, Sergio Canales

Higuain und Benzema haben das gleiche Ziel: es soll nach dem Abgang von Real-Ikone Raul ihre Saison werden. "Ich will 30 Tore in der Liga schießen", sagte Higuain. Benzema brennt nach seiner Nichtnominierung für die WM: "Ich werde zeigen, was ich kann."

Im 4-2-3-1 ist allerdings nur ein Platz im Sturmzentrum frei. Higuain hat letzte Saison 27 Mal in der Liga getroffen, wurde aber für das Aus in der Champions League gegen Olympique Lyon verantwortlich gemacht, weil er viele gute Chancen ausließ.

Trotzdem hat er sich in der Vorbereitung wieder klar als Stürmer Nummer eins positioniert, auch weil Mourinho mit Benzemas Arbeitsauffassung nicht immer ganz einverstanden war.

In den ersten Testspielen probierte Mourinho auch ein 4-4-2 mit Canales als zweiter Spitze neben Benzema aus. Das Zusammenspiel funktionierte.

Im System mit zwei Stürmern hat Mourinho mit Ronaldo eine weitere Option, wenngleich Reals neue Nummer 7 fest auf den Flügeln eingeplant ist. Die Variante wird aber wohl nur im Ausnahmefall zum Einsatz kommen.

TOR: Casillas ohne Konkurrenz

AUßENVERTEIDIGER: Ramos und dann lange nichts

INNENVERTEIDIGER: Jetzt also doch Carvalho

DEFENSIVES MITTELFELD: Zu viele Diarras

OFFENSIVES MITTELFELD: Überangebot an Kreativität