Ex-Düsseldorf-Boss und DFB-Vorstand Robert Schäfer: "Fußball zerstreitet sich mit Argumentationen, die aus der Zeit gefallen sind"

Jochen Tittmar
07. Dezember 202011:55
Robert Schäfer war drei Jahre lang Vorstandsvorsitzender bei Fortuna Düsseldorf.imago images / Jan Huebner
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Als Vorstandsvorsitzender von Fortuna Düsseldorf sorgte Robert Schäfer im vergangenen Jahr bei der Posse um die Vertragsverlängerung von F95-Trainer Friedhelm Funkel für ein Bundesliga-Novum. Sein Ende in Düsseldorf im April 2019 kam dennoch abrupt.

Im Interview mit SPOX und Goal spricht Schäfer ausführlich über diese beiden Episoden bei der Fortuna und zwischenzeitliche Gespräche mit dem VfB Stuttgart sowie 1860-Investor Hasan Ismaik.

Der 44-Jährige, der drei Jahre lang im Aufsichtsrat der DFL saß und Vorstandsmitglied beim DFB war, nimmt zudem Stellung zum Streit der Bundesligavereine um die Verteilung der TV-Gelder, spricht über den Sanierungsfall Schalke 04 und erklärt, warum die 50+1-Regel aufgrund der Corona-Krise wackeln könnte.

Herr Schäfer, von März 2016 bis April 2019 waren Sie Vorstandsvorsitzender bei Fortuna Düsseldorf. In dieser Zeit stieg die Fortuna in die Bundesliga auf und schaffte dort dann den Klassenerhalt. Wie haben Sie Ihre Zeit seit dem Aus im Rheinland verbracht?

Robert Schäfer: Ich musste die Geschehnisse verarbeiten, weil sie mitten in eine sehr erfreuliche Phase hereinplatzten. Der Verein war so erfolgreich wie die letzten 30 Jahre nicht mehr. Der Klassenerhalt gelang auf Platz zehn stehend, die Einnahmen und Mitgliederzahlen waren so hoch wie noch nie und die Anerkennung in der Stadt war außergewöhnlich. Das Ende an einem Wochenende, an dem der Klassenerhalt geschafft wurde und ich noch an einer Nichtabstiegsparty teilnahm, kam daher extrem abrupt für mich.

Sie sahen also keinen Grund, weshalb man Sie vor die Tür setzte?

Schäfer: Keinen rationalen, und einen konkreten Anlass dazu gab es auch nicht. Ich hatte das Gefühl, die damals Handelnden waren wie in einem Rausch. Nach dem Motto: Nun haben wir ein großartiges Ergebnis erreicht, jetzt wird hier alles verändert, warum auch immer. So hat man ein Team, das erfolgreich zusammenarbeitete, letztlich kontinuierlich ausgetauscht, ohne dass man an den späteren Ergebnissen Verbesserungen erkennen konnte.

Wie blicken Sie nun in Ihre persönliche Zukunft?

Schäfer: Ich orientiere mich und erfreue mich sehr an der aktiven Vaterrolle, die ich einnehme. Ich habe verschiedene Optionen und Ideen, die eher grundsätzlich den Bereich Restrukturierung und Sanierung betreffen. Auch, aber nicht nur die Fußballbranche. Ich glaube, durch Corona werden diese Themen branchenübergreifend leider immer dringlicher.

Sich neu orientieren können Sie jetzt auch, weil Ihr bis 2021 datierter Vertrag bei der Fortuna seit April aufgelöst ist. Wieso hat es so lange gedauert, bis man sich einvernehmlich getrennt hat?

Schäfer: Es war ein langwieriger Prozess, der erst ein Ende fand, als Björn Borgerding neuer Aufsichtsratschef wurde. Er ist das Thema pragmatisch angegangen und dann fanden wir eine Lösung in wenigen Wochen. Sein Vorgänger Dr. Reinhold Ernst hatte da einen anderen Stil.

Ernst sagte, die Gründe für Ihr Aus lägen im "inhaltlichen, fachlichen und persönlichen Bereich". Harter Tobak. Zwischenzeitlich gab es weitere nebulöse Andeutungen von ihm. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Schäfer: Die einfache Antwort lautet: Nein. Der gleiche Dr. Ernst hatte ja erst wenige Monate zuvor meinen Vertrag verlängert und unsere Ergebnisse sprachen ja eine andere Sprache.

Robert Schäfer über Gespräche mit dem VfB Stuttgart

Die Bekanntgabe der Trennung wurde von Ernst zudem als "in der Kommunikation maximal unglücklich" bezeichnet. Einen Tag vor dem Heimspiel gegen Bayern München wurde die Nachricht an die Öffentlichkeit lanciert. Das kam für Sie also so überraschend wie teils für die Öffentlichkeit?

Schäfer: Ja, ich war perplex. Die maximal unglückliche Kommunikation war ja nicht nur unschön für mich, sondern für den Verein und die Mannschaft. Wer immer diesen Weg gewählt hatte, professionell war er nicht.

Was haben Sie aus dieser Geschichte gelernt?

Schäfer: Ich habe mich gefragt, was ich falsch gemacht habe. Aus diesem Prozess nehme ich nun klar definierte Aspekte in meine Zukunft mit, damit mir so etwas nicht mehr passiert und um es natürlich auch besser zu machen. Ein Schlagwort dabei sind soft skills, die generell jenseits aller fachlichen und inhaltlichen Qualifikationen noch wichtiger geworden sind als sie es nicht ohnehin schon immer waren.

Robert Schäfer bei seinem letzten Heimspiel als Fortuna-Vorstandsvorsitzender neben Aufsichtsratchef Reinold Ernst (links).imago images / Horstmüller

Zwischenzeitlich waren Sie im Sommer 2019 als Vorstandsvorsitzender beim VfB Stuttgart im Gespräch. Gab es aus dem Fußball Angebote für Sie, die Sie auch gerne angenommen hätten, wenn die Lage mit Fortuna geklärt gewesen wäre?

Schäfer: Es bestand zu verschiedenen Vereinen Kontakt. Mit manchen wurde auch konkret über den möglichen gemeinsamen Weg gesprochen. Es lag mir aber kein unterschriftsreifer Vertrag vor - so auch beim VfB. Und da mein Arbeitgeber Fortuna ja erst wenige Monate zuvor mit mir verlängert hatte, kann ich erst seit vier Monaten ohne vertragliche Verpflichtungen nach vorne blicken.

Im vergangenen Februar wurde Ihr Name bei Ihrem Ex-Klub 1860 München ins Spiel gebracht - und zwar von keinem geringeren als Investor Hasan Ismaik. "Ich hoffe, Robert Schäfer kommt wieder. Meiner Meinung nach ist der Weg für Schäfer frei, weil er die Löwen in seinem Herzen trägt", sagte Ismaik damals. Wie ist das bei Ihnen angekommen, wenn man bedenkt, dass es Ismaik war, der im Sommer 2014 Anzeige wegen vermeintlicher Untreue gegen Sie erstattete?

Schäfer: Wir hatten vorher telefoniert und uns ausgetauscht. Bei allem, was wir zusammen erlebt haben, war es ein gutes Gespräch. Ich empfand es als leicht verspätete Anerkennung für das, was wir damals bei 1860 geleistet haben. (lacht) Das hat mich genauso gefreut wie die öffentliche Aussage von Friedhelm Funkel, dass er Erich Rutemöller und mich als Profis einschätzt und wir in Düsseldorf gute Arbeit abgeliefert haben.

Schäfer: "Verhandlungstaktisch sehr gut von Funkel gemacht"

Könnten Sie sich jetzt, da Sie wieder in München wohnen, eine Rückkehr zu den Löwen vorstellen?

Schäfer: Wir haben damals viel erreicht, einiges auch nicht, aber um so etwas zu wiederholen muss schon viel zusammenkommen. Es war tatsächlich Zufall, dass ich in der Zwischenzeit mal wieder im Grünwalder Stadion war und zwei Tage später der Geschäftsführer zurücktrat.

Drei Monate vor Ihrem Aus in Düsseldorf waren Sie verantwortlich für die Posse um Fortuna-Trainer Funkel. Der Verein verkündete, sich am Saisonende von ihm trennen zu wollen, ruderte nach massivem Protest der Fans aber zurück und verlängerte anschließend gar Funkels Vertrag. Können Sie mittlerweile darüber lachen, dass Sie damit für ein Bundesliga-Novum gesorgt haben?

Schäfer: Nein.

Wie blicken Sie darauf zurück?

Schäfer: Ich sehe es mit dem Abstand nun so, dass es verhandlungstaktisch sehr gut von Friedhelm Funkel gemacht war, in der Winterpause zu sagen, er höre auf, wenn der Vertrag jetzt nicht verlängert werde. Von uns war es dagegen nicht gut, denn wir hätten darauf eingehen sollen. Wir haben das, was dann passierte, relativ schnell gut korrigiert, denn innerhalb von drei Tagen war der Vertrag verlängert. Es hat vor allem den Sport nicht beeinflusst, diese Sorge bestand ja durchaus. Am Ende wurde es die erfolgreichste Saison seit 30 Jahren. Ich habe großen Respekt davor, was Friedhelm für Fortuna geleistet hat und weiß, was der Verein ihm zu verdanken hat.

Robert Schäfer während seiner Zeit bei 1860 München mit Investor Hasan Ismaik.imago images / Ulmer/Cremer

Etwas kurios an der Sache war, dass der Verein ja Funkel nicht entlassen, sondern den Vertrag nur zu einem späteren Zeitpunkt verlängern wollte.

Schäfer: Genau. Wir wollten ihn weder entlassen, noch haben wir ihm nicht vertraut. Es ging nur darum, noch drei, vier Spiele abzuwarten und zu sehen, wie wir aus der Winterpause kommen. So ist man damals übrigens auch bei Borussia Mönchengladbach und dem VfL Wolfsburg in der offenen Frage der Trainer-Verlängerung verfahren. Wir hätten aber besser einschätzen müssen, wie die öffentliche Wahrnehmung sein könnte - und die war bekanntermaßen extrem.

Was hat Sie bei der negativen Resonanz besonders überrascht?

Schäfer: Vor allem ihre Heftigkeit. Es ging dann leider nur darum, dass wir Friedhelm nicht mehr als Trainer haben wollten. Wir sind mit der Botschaft, die wir kommunizieren wollten, überhaupt nicht durchgekommen. Es ging nur darum, die Entscheidung zu einem späteren Zeitpunkt zu treffen, so wie wir es auch die Jahre zuvor schon einmal gemeinsam taten.

Robert Schäfer: Seine Karriere als Funktionär im Überblick

VereinFunktionZeitraum
TSV 1860 MünchenGeschäftsführer2010-2013
Dynamo DresdenGeschäftsführer2014-2016
Fortuna DüsseldorfVorstandsvorsitzender2016-2019
DFLAufsichtsratsmitglied2016-2019

Ahnten Sie damals irgendwie, dass Sie das langfristig wohl nicht überleben könnten?

Schäfer: Nein. Ich hatte anschließend nicht das Gefühl, dass es für mich eng würde. Wir hatten diese Entscheidung mit allen im Aufsichtsrat abgestimmt, mit dem Vorsitzenden sogar nach jeder Gesprächsrunde mit Friedhelm. Es war keine isolierte Entscheidung von Lutz Pfannenstiel oder mir. Dadurch, dass wir bereits am nächsten Morgen die Gespräche wieder aufnahmen und es schließlich innerhalb von Tagen gelöst hatten, war für mich klar: Das war zwar nicht gut, aber es gibt auch keinen Grund, daraus nun etwas gegen mich zu konstruieren.

Wie sind Sie persönlich damit umgegangen, plötzlich als der Buhmann der Fans dazustehen? Auch deutschlandweit gab es ja viel Kritik.

Schäfer: Ich habe, auch öffentlich, die Verantwortung übernommen. Die Heftigkeit der Reaktionen hat mich schockiert. Gerade wenn man sich überlegt: Wir wollten mit unserem Trainer verlängern und das führte dann dazu, dass ich nach der Rückkehr aus dem Trainingslager unter Polizeischutz den Flughafen verlassen musste. Das hat Eindruck hinterlassen und ist nicht spurlos an mir vorübergegangen. Ich habe viel darüber nachgedacht und diese gesamte Zeit auch mit Hilfe eines Coachings aufgearbeitet. Das war unheimlich wertvoll für mich.

Neben der Zeit in Düsseldorf endete für Sie auch das Engagement bei der DFL, wo Sie von September 2016 bis August 2019 Aufsichtsratsmitglied waren. Weshalb?

Schäfer: Man wird auf drei Jahre gewählt, so dass dieser Turnus abgeschlossen war. Ich konnte nicht wiedergewählt werden, da ich kein Vereinsrepräsentant mehr war. Deshalb endete auch meine Mitgliedschaft im Vorstand des DFB. Ich bin aber seit mittlerweile sechs Jahren Mitglied der Kommission für Sicherheit, Prävention und Fußballkultur. Das ist eine der Fachkommissionen des DFB, die das Präsidium zu Themen wie Fans, Sicherheit und Stadien berät und beispielsweise den Pyroversuch des HSV zu Beginn des Jahres freigegeben hat.

Robert Schäfer bejubelt im Mai 2018 zusammen mit Jean Zimmer Düsseldorfs Aufstieg in die Bundesliga.imago images / Moritz Müller

Wie blicken Sie - nun als ehemaliges DFL-Mitglied - auf das sogenannte G15-Treffen der Bundesligaklubs, bei denen jene Vereine nicht eingeladen wurden, die sich in den vergangenen Wochen mit eigenständigen Ideen zur Verteilung der Gelder aus Übertragungsrechten eingebracht hatten?

Schäfer: Der Profifußball tut sich keinen Gefallen, insbesondere in diesen Zeiten, sich in konkurrierenden Zirkeln zu treffen und so öffentlich Konflikte auszutragen. Das ist kontraproduktiv und führt nur dazu, dass die Akzeptanz des Fußballs verlorengeht und sich die Menschen mehr von ihm entfernen.

Welche konkreten Sorgen machen Sie sich dabei?

Schäfer: Meine Sorge ist eine übergeordnete - unabhängig von Details wie beispielsweise der Frage, ob durch die zu verteilenden Summen Wettbewerbsgleichheit innerhalb der Bundesligen hergestellt werden kann. Denn die großen Vereine sind ja eigentlich schon so weit weg, dass das auch nichts großartig verändern würde. Mir geht es vor allem um das Solidaritätssignal. Wenn man Konflikte hat, dann muss man sie hinter den Kulissen austragen. Und wenn man dabei an den Punkt kommt, dass die Solidarität unter den Vereinen in Gefahr gerät, dann muss man zurückstecken - und zwar um der Solidarität der Vereine willen.

Gerät denn durch die aktuellen Debatten die Solidarität in Ihren Augen in Gefahr?

Schäfer: Ich plädiere dafür, dass man eine Position nicht durch Instrumentalisierung der Medien oder Öffentlichkeit durchboxen sollte, die man in den Gremien nicht durchgesetzt bekommt. Das ist ein Hinwegsetzen über Strukturen und leider auch ein Phänomen, das mittlerweile auch in der Politik Einzug gehalten hat. Wenn ich merke, dass ich meine Position nicht durchgesetzt kriege, dann muss ich es auch akzeptieren. Momentan umso mehr, um auch ein Zeichen an die Bevölkerung zu senden und zu zeigen, dass es nicht um Egoismen, sondern um Zusammenhalt geht.

Robert Schäfer: "Superliga kein abstraktes Drohszenario mehr"

Noch zu Beginn der Corona-Krise demonstrierten die Vereine diesen Zusammenhalt. Nun - obwohl diese Krise ja anhält - bekommt man durch die derzeitige Auseinandersetzung den Eindruck, als sei die damalige Solidarität nur vorgegaukelt gewesen.

Schäfer: Ich kann den Eindruck nachvollziehen, glaube aber, dass es nicht so war. Die Solidarität im Fußball, dass die Großen zusammen mit den Kleinen in einer Liga sind, ist anstrengend, sie driftet auseinander und muss sich immer wieder neu zusammenfinden. Sie ist aber ein Wert an sich. Denn in dem Moment, in dem sich die großen Vereine in eine Superliga verabschieden - und das ist kein abstraktes Drohszenario mehr -, ist das für alle Beteiligten schlechter. Es wäre ein falscher Schluss, wenn man dies dann einfach hinnehmen würde.

Man konnte in den vergangenen Jahren ohnehin bemerken, dass die Struktur, die sich die DFL mit den einzelnen Aufgabenfeldern einmal gegeben hat, immer weiter erodiert. Während der Fußball die Öffentlichkeit mit dem Konflikt um die TV-Gelder beschäftigt, solidarisieren sich andere Branchen in der Corona-Krise.

Schäfer: Genau. Burger King sagt, man solle McDonalds unterstützen. Der Fußball zerstreitet sich stattdessen mit Argumentationen, die vielleicht vor einem Jahr noch aktuell waren, nun aber aus der Zeit gefallen sind. Ich habe als Vertreter der 2. Liga im Aufsichtsrat der DFL an den Diskussionen teilgenommen, als es um die letzte Verteilung der TV-Gelder ging und wir erreichen wollten, dass die 20 Prozent, die die 2. Liga erhält, weiterhin Bestand haben. In der damaligen Zeit, in der es allen gutging, konnte man diese Debatten führen. Jetzt in dieser Zeit schlage ich vor, dass gerade nicht mehr zu tun. Es kommt beispielsweise bei Restaurantbesitzern oder Künstlern nur sehr bedingt Sympathie auf, wenn der Fußball darum streitet, wie vier Milliarden Euro verteilt werden.

Wie also soll die Frage nach einer möglichen neuen Verteilung der Gelder beantwortet werden?

Schäfer: Bei der Gründung der DFL wurde das Präsidium bewusst mit dieser Aufgabe betraut, weil man genau eine Situation wie die aktuelle verhindern wollte. Das Präsidium ist so besetzt, dass es alle Interessenlagen des Fußballs abbildet. Ich bin dafür, dass es dort entschieden wird und dann sollen das alle Vereine akzeptieren, weil sie einst genau dieser Struktur zugestimmt haben. Wenn ihnen die Struktur nicht mehr gefällt, dann müsste man hier eine Änderung herbeiführen.

Hat denn der Schlüssel zur Verteilung der TV-Gelder Ihrer Meinung nach etwas mit dem Argument zu tun, der Wettbewerb in der Bundesliga sei nicht mehr spannend?

Schäfer: Nicht unbedingt. Man kann aber gerne darüber nachdenken, wie der Wettbewerb spannender wird.

Sie halten den Verteilungsschlüssel also für fair?

Schäfer: Ja, denn die Vereine profitieren davon. Der wichtigste Punkt ist, dass sportlicher Erfolg belohnt und den Vereinen, die aufsteigen, die Möglichkeit gegeben wird, sich zu etablieren. Siehe aktuell Union Berlin oder uns früher bei Fortuna Düsseldorf. Auch bei Darmstadt 98 haben die zwei Jahre Bundesliga ermöglicht, dass der Verein anschließend substanzieller war.

Dass es den meisten Vereinen nicht gelingt, an die Top-Mannschaften der Bundesliga heranzukommen, hat demnach vor allem mit der Verteilung der internationalen Gelder in der Champions und Europa League zu tun?

Schäfer: Ja. Diese Summen sind enorm angestiegen und machen einen riesigen Unterschied, weil man den Vereinen noch einmal so viel gibt, wie sie in einem Jahr Bundesliga erspielen - teils sogar noch mehr. Zu versuchen, das Thema auf die TV-Gelder in Deutschland zu reduzieren, greift zu kurz. Unser bestehendes System in Deutschland hat dazu geführt, dass der gesamte Fußball profitiert hat, da es zu gesteigerten Fernseheinnahmen führte, die allen zu Gute gekommen sind. Vielleicht dem einen mehr, dem anderen weniger - aber sie sind allen zu Guten gekommen. Das ist eine gute Basis, die man gerne in Nuancen verändern kann. Ich schlage beispielsweise vor, den Einsatz von Jugendspielern noch stärken zu belohnen. Das System beizubehalten und die Solidarität zu erhalten ist auf jeden Fall besser als das System zu ändern und die Solidarität zu verlieren.

Hat es Sie denn überrascht, dass so vielen Klubs der wirtschaftliche Kollaps droht?

Schäfer: Nein, denn der Schock über die Auswirkungen von Corona war ja gewissermaßen hausgemacht. Wenn du nämlich nach drei Wochen schon am Ende deiner Liquidität angekommen bist, muss man auch Fragen stellen. Der Fußball hätte schon längst Beschlüsse fassen können. Zum Beispiel, dass für die Zeit nach Corona gewisse Liquiditätsreserven aufgebaut werden müssen. Also Reserven, an die man nicht herankommt, wenn man sich in Anführung nur im Abstiegskampf befindet und eigentlich noch einen Stürmer bräuchte. Damit man eben in einem vergleichbaren Krisenfall zumindest ein paar Monate mehr Zeit hat, um vernünftige Lösungen zu erarbeiten.

Mit welchen Themen müsste sich der Fußball derzeit noch beschäftigen?

Schäfer: Zum Beispiel damit, wie er andere Sportarten unterstützen oder die Förderung von Individualsportlern hochfahren kann. Es gibt ja allein schon genügend Sportler, denen nun die Olympischen Spiele weggebrochen und die damit in wirtschaftliche Schieflagen geraten sind. Ich plädiere dafür, dass sich der Fußball mit derselben Intensität, die er aufgebracht hat, um den Profisport wieder ins Laufen zu bekommen, dafür einsetzt, dass eben auch Amateursport wieder möglich ist. Doch dazu höre ich nichts.

Der finanziell arg gebeutelte FC Schalke 04 liebäugelt aufgrund der Corona-Krise besonders stark mit dem Thema, die Profiabteilung auszugliedern, um an frisches Geld zu kommen. Kann man es sich denn in diesen Zeiten, in denen auch vor Corona die vermeintlich ungezügelte Kommerzialisierung herrschte, überhaupt leisten, weiter ein eingetragener Verein sein zu wollen?

Schäfer: Man muss sich gerade in diesen Zeiten fragen, ob es nicht Sinn ergibt, den eV zu schützen. Wenn Schalke 04 als möglicher Sanierungsfall nicht schnell eine Lösung findet, dann gibt es kein Schalke 04 mehr, sondern ein Schalke 20, weil der Verein neu gegründet werden müsste. Die Ausgliederung war in den 1990er Jahren ein Schutz des Vereins, inzwischen ist es gleichbedeutend mit dem Einstieg von Investoren.

Robert Schäfer: "Es gibt kein Früher mehr, nur noch ein Jetzt"

Wäre es den Fußball-Fans am Ende nicht ohnehin egal, ob ihr Verein ein eV oder eine AG ist, solange man erfolgreich ist?

Schäfer: Fans erwarten von ihrem Klub in erster Linie sportlichen Erfolg. Zudem möge er sich dabei anständig verhalten und bei Themen wie Diversity oder Nachhaltigkeit vielleicht auch Vorbild sein. Wenn ihr Verein nun ausgegliedert wäre und sogar einen strategischen Partner hätte, sich aber weiterhin so vorbildlich verhalten würde, wäre das glaube ich für die Fans in Ordnung. Sie haben vor allem Angst davor, dass jemand von außen kommt und um der Gewinnoptimierung willen keine Rücksicht mehr auf solche Themen nimmt.

Andreas Rettig, einstiger DFL-Geschäftsführer, nennt die 50+1-Regel das letzte Bollwerk gegen die Kommerzialisierung, weil so das Letztbestimmungsrecht bei den Vereinen liegt. Stimmen Sie ihm zu?

Schäfer: Aus meiner Sicht wäre es wichtig nun zu überprüfen, welche Diskussionen wir vor Corona geführt haben und welche wir jetzt führen müssen. Die Vereine stehen mit dem Rücken zur Wand. Der Staat kann nicht alle retten und ist ohnehin dabei, sehr viel Geld auszugeben, um für den Alltag wichtige und daher schützenswerte Dinge wie Kultur und Gastronomie zu erhalten. Jeder, der sich selbst helfen kann, sollte das aus meiner Sicht tun - das gilt erst recht für den Profifußball. Wenn er Möglichkeiten dazu hat, und das Investoren oder Fremdkapital sein könnten, dann ist er verpflichtet, das zu nutzen, bevor er staatliche Hilfe in Anspruch nimmt.

Dazu müsste man aber einige altbekannte Positionen überdenken. Haben Sie das Gefühl, der Fußball verstünde grundsätzlich, in welch großer Krise er sich gerade befindet?

Schäfer: Nein, das habe ich nicht, weil noch die alten Vor-Corona-Diskussionen weitergeführt werden. Allerdings ohne dabei zu merken, dass es keine normale Zeit mehr ist, sondern wir uns in einer neuen Realität befinden. Mir scheint, als denke man, diese Sache sei nur temporär und anschließend geht es irgendwie weiter wie zuvor. Meine tiefe Überzeugung ist: Es gibt kein Früher mehr, sondern nur noch ein Jetzt und die Frage, wie es weitergehen kann. Und das wird fundamental anders sein wie das, was zuvor einmal war.

Kurzum: 50+1 muss aufgeweicht werden?

Schäfer: Ich bin dafür, alles neu zu überdenken. Das geht mir ja genauso, auch ich passe meine Positionen an die neue Realität an. Die Vereine müssen in dieser Krise Lösungen finden, über eine Änderung ihres Geschäftsmodells und neue Einnahmequellen nachdenken. Diese Lösungen kann es freilich auch mit 50+1 geben - das haben die Bayern, der BVB oder Hertha BSC gezeigt. Wenn das aber nicht ausreicht, sind die Klubs meiner Meinung nach vor dem Schritt zur Staatshilfe dazu verpflichtet, auch über die 50+1-Regel nachzudenken. Der Staat hat momentan schlichtweg wichtigere Dinge zu tun.

Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Hilfe bei Schalke 04, das Ende Juli eine Landesbürgschaft von Nordrhein-Westfalen erhalten hat?

Schäfer: Ich hoffe, der Staat hat in diesem Fall Auflagen erteilt, so dass mögliche erzielte Erlöse zuerst zur Rückführung der Sicherheiten des Staates gehen und es nicht einfach so weitergeht. Dann nämlich würde das Risiko verstaatlicht - und ein verstaatlichter Profifußball wäre ein Unding.