Roy Makaay spielte zwischen 1993 und 2010 für fünf Klubs und schoss auf all seinen Stationen Tore wie am Fließband. Beim FC Bayern München verpasste man dem Niederländer den Spitznamen "Das Phantom". Im Interview spricht Makaay über seinen aktuellen Trainerjob bei Feyenoord Rotterdam, den Wechsel zum deutschen Rekordmeister und Probleme mit seinem Vorbild Marco van Basten.
SPOX: Herr Makaay, im November 2011 traf Jonas in der Champions League beim 3:1 für Valencia gegen Leverkusen bereits nach 10,5 Sekunden. Damals war Ihr Rekord, den Sie mit dem FC Bayern beim Duell gegen Real Madrid aufgestellt haben und der bei 10,12 Sekunden steht, kurzzeitig in Gefahr. Wie haben Sie das damals mitbekommen?
Roy Makaay: Mein Sohn hat mir sofort eine SMS geschrieben: 'Papa, dein Rekord ist weg.' Spätabends im holländischen Fernsehen wurden dann beide Tore übereinander gelegt. Dort hat man gesehen, dass er doch nicht schneller war. Meine Kinder haben sich darüber mehr gefreut als ich. (lacht) Einen Rekord inne zu haben ist immer schön, aber Rekorde sind auch da, um wieder gebrochen zu werden. Am wichtigsten für mich war die Tatsache, dass mein Tor tatsächlich auch etwas gebracht hat, denn wir sind am Ende weitergekommen.
SPOX: 2010 haben Sie Ihre Karriere beendet und anschließend in der Jugendabteilung von Feyenoord Rotterdam angefangen. Wie kam es dazu?
spoxMakaay: Leo Beenhakker war Sportdirektor bei Feyenoord und hat mich kurz nach meinem Karriereende angerufen. Er wollte wissen, ob ich nicht gleich in der Jugendabteilung beginnen möchte. Ich hatte schon zuvor den Kollegen immer mal wieder über die Schulter geschaut, um herauszukriegen, ob das überhaupt etwas für mich sein könnte. Das war es, also habe ich nur kurz überlegt und zugesagt. Ich habe mich dann für die Trainerscheine angemeldet und nebenbei mein Pflicht-Praktikum in der Jugendabteilung gemacht. Die letzte Lizenz fehlt mir noch, momentan dürfte ich erst ab der 3. holländischen Liga Cheftrainer sein.
SPOX: Mittlerweile haben Sie in fast jedem Jugendteam schon eine Funktion bekleidet.
Makaay: Beinahe. Im ersten Jahr des Praktikums war ich bei der U17 und zugleich Co-Trainer der U13. In der Saison darauf wurde ich Cheftrainer bei der U13, habe anschließend ein Jahr die U15 betreut und noch zwei Jahre lang die U19. Jetzt bin ich Stürmer-Trainer der Profis. Dort bin ich die gesamte Woche involviert. Außer donnerstags, denn da trainiere ich verschiedene Stürmer von der U16 bis U19. Nebenbei bin ich auch Coach der zweiten Mannschaft, einer Mischung aus U19-Spielern und Akteuren der ersten Mannschaft.
SPOX: Wie sieht grundsätzlich Ihre Arbeit als Stürmer-Trainer aus, in Deutschland ist eine solche Position ja eher unüblich?
Makaay: Ich bekomme von unserer Videoabteilung einen Clip zugeschickt, auf dem all unsere Torschüsse des letzten Spiels zusammengeschnitten sind. Die schaue ich mir unter gruppen- und individualspezifischen Gesichtspunkten genau an. Was passiert innerhalb des Strafraums, was außerhalb? Gegen Ende der Woche arbeiten wir meist in kleineren Gruppen an Spielzügen oder wir machen Torschusstraining. Da kann dann auch mal das Mittelfeld mit dabei sein. Ich arbeite wie ein Co-Trainer, aber mit starkem Fokus auf die Angreifer.
SPOX: Wie können Sie Stürmer trainieren, wenn Sie sich doch früher selbst nie erklären konnten, warum Sie immer wieder am richtigen Ort standen?
Makaay: Ich sage niemandem, dass es nur auf eine Art und Weise funktioniert und suche auch nicht nach dem zweiten Roy Makaay. Wir schauen uns die Spieler sehr individuell an und versuchen dann, den jeweiligen Stürmertyp besser zu machen. Was man dem einen sagt, muss nicht zwangsläufig auch für den anderen gelten. Wir geben durch das Training und die Ansprache vor allem Hilfestellungen, am Ende macht sich jeder Spieler aber selbst besser.
SPOX: Gibt es Momente, in denen Sie bedauern, nicht mehr selbst zu spielen?
Makaay: Nein, mir fehlt der Profifußball gar nicht. Ich habe alle Entscheidungen immer nach meinem Gefühl getroffen und so war es auch beim Karriereende. Wenn es zu richtig hochklassigen Duellen kommt, denke ich mir manchmal schon: Mensch, bei solchen Spiele standest du auch mal auf dem Platz. Ich hatte aber meine Zeit, war 17 Jahre auf hohem Niveau dabei. Jetzt ist es Zeit für andere.
SPOX: Diese 17 Jahre begannen einst bei Vitesse Arnheim. Dort spielten Sie bereits in der Jugend, nach acht Jahren ging es dann zu CD Teneriffa. Wie kam es zu diesem Wechsel?
Makaay: Die Gespräche führte ich mit Ewald Lienen, der Co-Trainer von Jupp Heynckes war. Ich hatte schon über 100 Profispiele in Holland gemacht, hatte Lust auf eine Veränderung und war 22. Das war zwar jung, verglichen mit der heutigen Zeit aber schon fast alt. Mittlerweile gibt es Spieler, die legen fünf gute Auftritte hin und wechseln mit 18 oder 19 direkt ins Ausland. Davon war ich noch nie ein Freund.
SPOX: Wie war es für Sie, plötzlich auf einer Insel voller Sonnenschein zu leben?
Makaay: Bei Teneriffa denkt man immer an Tourismus. Der ist dort aber vor allem im Süden eine große Nummer, bei uns im Norden war davon wenig zu spüren. Wir haben in der Stadt und ziemlich nah am Trainingsgelände gewohnt. So hatte ich gleich viel Kontakt mit der spanischen Sprache, andererseits hatten wir eine internationale Mannschaft und dadurch auch im Privatleben ein gutes Miteinander. Ich habe mich schnell an das dortige Leben gewöhnt.
SPOX: Hätten Sie damals im Sommer 1999 gedacht, dass Sie noch eine solch große Karriere hinlegen würden?
Makaay: Den Traum hatte ich immer, doch dahinter steckte einfach harte Arbeit. Das Wetter auf Teneriffa war großartig, doch Urlaubsfeeling kam keines auf. Als wir mit Teneriffa abgestiegen sind, war es für mich Zeit zu gehen. Der Wechsel zu La Coruna ging schnell und problemlos über die Bühne, dort konnte ich erstmals im UEFA-Cup spielen. Gleich im ersten Jahr wurden wir Meister, Jahr für Jahr haben wir international gespielt. Das war ein großes Glück, da ich mich ständig neu beweisen musste und so stärker geworden bin.
SPOX: Wie ehrgeizig waren Sie, sich selbst zu disziplinieren?
Makaay: Das war nicht so schwierig und kein Problem für mich. Ich bin niemand, der sich von anderen Dingen großartig ablenken lässt. Das gilt auch heute noch. Ich denke auch, dass die meisten Niederländer wenige Schwierigkeiten haben, sich schnell an eine neue Umgebung zu gewöhnen.
SPOX: Haben Sie jemals einem Vorbild nachgeeifert?
Makaay: Ja, Marco van Basten. Ihn würde wohl jeder aus meiner Generation nennen. Er war damals einfach der Beste, es gab quasi keine Alternative zu ihm.
SPOX: In Ihrer Zeit in La Coruna wurden Sie 2000 spanischer Meister, zwei Jahre später Pokalsieger und haben zwei Mal den Supercup gewonnen - in jedem Jahr also einen Titel eingefahren. Wie liefen die Feierlichkeiten nach dem ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte ab? spox
Makaay: Die ganze Stadt war auf den Beinen. Dabei hat La Coruna nicht einmal 250.000 Einwohner. Man darf nicht vergessen, dass über der Stadt das Trauma von 1995 hing. Damals scheiterte Miroslav Djukic zwei Spieltage vor Schluss per Elfmeter gegen Real Madrid, man verlor dieses entscheidende Spiel und damit auch die Meisterschaft. So wurde es dann fünf Jahre später eine unglaubliche Feier, anders als in München. (lacht) Alle waren sehr stolz, denn in Spanien sind nicht so viele verschiedene Klubs Meister geworden.
SPOX: Zu jener Zeit haben Sie getroffen wie am Fließband. War diese Phase die Initialzündung dafür, was anschließend noch kam?
Makaay: Ich hatte immer das Glück, überall meine Tore geschossen zu haben. In La Coruna habe ich aber schnell gespürt, dass meine Treffer für höhere Aufmerksamkeit sorgen. Gerade bei den größeren Vereinen und erst Recht, nachdem ich den Goldenen Schuh gewonnen habe. Da bekommt man dann natürlich irgendwann Lust, den nächsten Schritt zu gehen und sich auf noch höherem Niveau zu beweisen.
SPOX: 2003 sind Sie spanischer Torschützenkönig geworden. Anschließend haben Sie die Pichichi-Trophäe vervielfältigen lassen und die Imitate Ihren Mitspielern bei Depor geschenkt. Wie kamen Sie auf diese Idee?
Makaay: Ich wollte mich mit einer Geste bei meinen Mitspielern bedanken, denn ohne sie hätte ich ja niemals so gut aussehen können. Ein gemeinsames Abendessen war mir aber irgendwie zu plump, ich wollte etwas Einzigartiges tun. Ein gemeinsamer Freund von meiner Frau und mir ist Juwelier. Der musste dann in Windeseile 26 Kopien anfertigen.
SPOX: Im September 2002 traf Depor in der Gruppenphase der Champions League auf die Bayern. Sie schossen in den beiden Aufeinandertreffen insgesamt vier Tore, drei davon in München - und nach der Saison spielten Sie dort. Wann fand die erste Kontaktaufnahme statt?
Makaay: Das weiß ich nicht mehr. Ich habe auch keine Ahnung, ob sie mich schon zuvor beobachtet haben. Nach meinen vier Treffern haben sie sich aber ziemlich schnell bei meinem Berater gemeldet. Ich hatte in La Coruna immer wieder kleinere Probleme mit dem Präsidenten, da er mir im ersten Jahr eine Anpassung meines Vertrags versprach und erst vier Jahre später darauf zurückkam. Wer etwas verspricht, sollte das auch einhalten. Das hat mir damals nicht so gut gefallen, auch deshalb konnte ich mir einen Wechsel gut vorstellen.
SPOX: Sie hatten konkrete Angebote vom FC Valencia und Barcelona. Weshalb sind es die Bayern geworden?
Makaay: Am Ende waren sie der einzige Klub, der die Ablöseforderungen stemmen konnte oder wollte. Karl-Heinz Rummenigge hatte mich auch persönlich angerufen, um mich von einem Wechsel zu überzeugen. Das gab den letzten Ausschlag, allerdings haben die Verhandlungen zwischen den Klubs fast sechs Wochen gedauert. Ich konnte weder in La Coruna noch in München eine richtige Vorbereitung absolvieren. Bis ich endlich grünes Licht hatte, war die Bundesligasaison schon eröffnet. Ich musste also die Pflichtspiele nutzen, um in eine gute Verfassung zu kommen. In meiner ersten Partie für die Bayern war ich nach 60 Minuten fix und fertig, daran erinnere ich mich noch gut. (lacht)
SPOX: Bei den Bayern schossen Sie in vier Jahren fast dieselbe Anzahl an Toren wie in La Coruna. Man nannte Sie "das Phantom", da Sie oftmals kaum zu sehen waren, aber eiskalt vollstreckten. Haben Sie sich mit diesem Spitznamen anfreunden können?
Makaay: Am Anfang fand ich ihn noch lustig. Damals habe ich in drei Spielen in Folge in der Nachspielzeit noch getroffen. Mit der Zeit habe ich aber kapiert, wie gerade der Boulevardjournalismus in Deutschland läuft. Da trifft man dann ein Mal nicht und schon heißt es, man hat ihn auf dem Spielfeld kaum wahrgenommen. Mir waren eigene Tore natürlich wichtig, aber wenn die Spiele gewonnen wurden und ich auch ohne Treffer eigentlich ganz gut gespielt habe, konnte ich diese regelmäßige Art der Kritik nicht immer nachvollziehen. Zumal ich in meinem zweiten Jahr die meisten Vorlagen in der gesamten Bundesliga vorweisen konnte. Das zeigt: Ich habe nicht nur abgewartet, aber diese Schlagzeilen haben halt Zeitungen verkauft.
SPOX: In 43 Spielen für die Niederlande stehen nur sechs Treffer in der Statistik. Wieso verlief Ihre Nationalmannschaftskarriere verglichen zu der auf Vereinsebene so unspektakulär?
Makaay: Bei Oranje haben wir das gewohnte 4-3-3 gespielt und in diesem System gibt es nur einen Mittelstürmer. Wenn du da Ruud van Nistelrooy, Patrick Kluivert oder Dennis Bergkamp als Konkurrenten hast, ist es nicht so einfach. Leider war ich nie Stürmer Nummer eins, sondern habe häufiger auch auf der rechten Seite gespielt. Als Dick Advocaat vor der EM 2004 ein System mit zwei Stürmern testete und wir ein Freundschaftsspiel verloren, gab es viel Druck von der Presse, denn das System galt eben als nicht holländisch.
SPOX: Ärgert es Sie, dass es bei Oranje so wenige Treffer wurden?
Makaay: Ich bin nicht enttäuscht, nein. Trotzdem hätte ich gerne mehr Tore geschossen. Wir sind bei den Europameisterschaften 2000 und 2004 jeweils ins Halbfinale gekommen und ich hatte viel Einsatzzeit. Auch wenn es bitter war, als ich mich während der EM 2000 verletzte. Das Krankenhaus lag direkt neben dem Stadion. Ich habe dann die Ärzte gebeten, mir ein Zimmer ohne Blick auf das Stadion zu geben, da ich es sonst nicht ausgehalten hätte. Was mich aber ärgert ist, dass ich bei keiner WM teilgenommen habe.
SPOX: Sie wurden 2006 von Marco van Basten nicht für die WM in Deutschland nominiert, Ruud van Nistelrooy wurde Ihnen als Mittelstürmer vorgezogen. Sie sagten, Sie haben das kommen sehen. Inwiefern?
Makaay: Ich hatte keinen guten Draht zu van Basten. Ich habe mich einmal im Kreise der Nationalelf vor einem Länderspiel verletzt, danach wurde ich nie wieder nominiert. Daher habe ich mit der Zeit das Gefühl bekommen, dass eine Teilnahme an der WM für mich wohl schwierig werden könnte. So war das wiederum einfacher für mich zu verarbeiten, es war am Ende keine große Überraschung mehr. Doch das wurmt mich, denn gerade in Deutschland wäre es für mich sehr schön gewesen.
SPOX: Ausgerechnet Ihr Vorbild van Basten hat Ihnen diese Möglichkeit genommen.
Makaay: Das stimmt, aber das eine hat nichts mit dem anderen zu tun. Ich hätte lange sauer sein können, aber es ist halt einfach so gewesen. Ich war noch nie jemand, der sich lange mit solch unumstößlichen Dingen aufgehalten hat. Ich habe das dann auch als Ansporn für den Verein genommen.
SPOX: Im Sommer 2010 beendeten Sie nach abschließenden drei Jahren bei Feyenoord Ihre aktive Karriere. Noch zu Jahresbeginn hieß es, dass Sie an einer Rückkehr in die Bundesliga interessiert seien. Der Name 1. FC Nürnberg geisterte umher. Was war da genau los?
Makaay: Ich habe dieses Gerücht mit Nürnberg auch gehört, aber es hat sich niemand bei mir gemeldet. Daher habe ich mir auch nie konkrete Gedanken gemacht. Ich habe 2007 nach vielen Jahren im Ausland nicht umsonst die Entscheidung getroffen, wieder in die Heimat zurückzukehren. Ich hatte nach München so viele Optionen und hätte an mancher Stelle auch doppelt so viel verdienen können wie in Rotterdam. Da haben sich auch die Bayern fair verhalten, denn sie kannten meinen Wunsch und haben sich nicht nur an einer möglichen Ablöse für mich orientiert. Bremen wollte mich unbedingt als Nachfolger von Miroslav Klose, aber in Deutschland kam kein anderer Verein für mich in Frage. Deshalb habe ich Klaus Allofs persönlich am Telefon abgesagt.