Bis zum Start der Bundesliga beleuchtet SPOX alle 18 Klubs in der großen Vorschau-Serie - mit allen Transfers, Hintergründen und der Saison-Prognose. Diesmal: Der FC St. Pauli.
Nach neun Jahren und einem bitteren Abstecher in die Niederungen der Regionalliga ist der FC St. Pauli zurück in der Bundesliga. Nach einer fantastischen Saison in der 2. Liga mit Platz zwei und dem direkten Aufstieg, sowie der gefährlichsten Offensive (72 Tore) stellen sich die Hamburger in Deutschlands höchster Spielklasse vor.
Der etwas andere Klub will auch in der Bundesliga anders bleiben, ohne dabei die nüchternen Ergebnisse aus den Augen zu verlieren. Eine Gratwanderung, die wohl bis zum Schluss spannend bleiben wird.
Das ist neu:
Gar nicht so viel. Der Aufstiegskader ist in seinem Kern komplett zusammen geblieben, lediglich einige Ergänzungsspieler haben den Verein verlassen. Tommy Meggle wechselt vom Rasen an die Seitenlinie und wird Co-Trainer von Holger Stanislawski.
So kurios es klingt, aber der Klassenerhalt ist nicht mit aller Gewalt als großes Ziel zu verwirklichen. Natürlich will St. Pauli ein längeres Engagement im Oberhaus bewerkstelligen als nach dem letzten Aufstieg vor neun Jahren.
Vor allen Dingen steht aber die Fortsetzung der Konsolidierung im Vordergrund. "St. Pauli steht jetzt so gut da wie noch nie zuvor in seiner Geschichte. Unser Ziel ist es, dass der Verein nach dieser Saison noch besser dasteht", sagt Helmut Schulte.
Der Manager weiß nach fast zwei Dekaden bei St. Pauli ganz genau, wie schwer der Spagat zwischen Kommerz und Kult ist; oder dass der Stadionumbau ein zentrales Element für die Zukunft des Klubs ist, wozu auch Business Seats gehören, die auf St. Pauli zwar anders heißen, aber dem selben Zweck dienen, wie bei jedem anderen Bundesligisten.
Das Drumherum ist mindestens genauso wichtig, das haben die Beteiligten aus dem Fiasko vor neun Jahren gelernt, als der Klub nach dem Bundesligaabstieg förmlich auseinanderbrach und sich ein Jahr später sogar in der Regionalliga Nord wiederfand.
Sportlich sollen die fünf Zugänge helfen, die in ihren letzten Klubs zwar keine tragenden Rollen mehr einnahmen, aber perfekt ins Kollektiv passen. "Wir haben uns ganz bewusst nur gezielt verstärkt, auf Qualität geachtet", sagt Stanislawski.
Alle Positionen sollten doppelt besetzt sein, um den gesteigerten Anforderungen der Bundesliga gerecht werden zu können. Das haben die Verantwortlichen geschafft. Eine grundlegende Änderung im Vergleich zur Vorsaison hat sich vorerst auch wieder erledigt.
Zugang Thomas Kessler fällt mit einem Muskelfaserriss aus und wird den Saisonstart verpassen. Also steht doch wieder Routinier Mathias Hain im Tor.
Die Taktik:
Im 4-2-3-1 ist St. Pauli aufgestiegen, im 4-2-3-1 soll es auch eine Klasse höher funktionieren. Von der offensiven Grundausrichtung will Trainer Stanislawski auf keinen Fall abrücken. "Wir wollen auch in der Bundesliga mutig spielen. Wenn wir nicht mutig sind, haben wir keine Chance."
Die Aufstiegshelden bilden das Gerüst der Mannschaft, lediglich in der Innenverteidigung hat Zugang Carlos Zambrano einen kleinen Vorsprung vor Fabio Morena. Gerald Asamoah soll im rechten offensiven Mittelfeld mit seiner Erfahrung eine neue Qualität einbringen. Moritz Volz streitet mit Carsten Rothenbach noch um die rechte Seite in der Viererkette.
Mehr als von Systemen, Spielausrichtungen oder taktischen Formationen hängt St. Pauli aber von seiner Leidenschaft und der Chemie innerhalb des Teams ab. Die hat auch mit dem Zukauf neuer Spieler nicht gelitten. Über den Teamgeist definiert sich St. Pauli fast schon traditionell.
Der Spieler im Fokus:
43 Länderspiele hat Gerald Asamoah für Deutschland absolviert. Auf Schalke saß er vergangene Saison fast nur noch auf der Bank, in Hamburg soll der 31-Jährige ein absoluter Leistungsträger sein.
Allerdings ist Asamoahs Leistungsvermögen schwer zu beurteilen. Nach einem Sehnenteilabriss fällt er derzeit aus, sein Einsatz zum Rundenstart gegen Freiburg ist sehr unwahrscheinlich. Ob er nochmal an seine Hochform aus früheren Schalker Zeiten anknüpfen kann, bleibt fraglich.
Trotzdem soll Asamoah nicht nur auf dem Platz als Integrationsfigur fungieren, er soll eins der neuen Gesichter von St. Pauli werden. Und er will es sich und seinen Kritikern noch einmal beweisen.
Das Interview:
SPOX: Holger Stanislawski war damals Ihr Mannschaftskamerad. Wie hat er auf Sie gewirkt?
Dinzey: Ein kaputter Typ. Stani war genau so drauf, wie er gespielt hat. Er hat sich immer voll reingehauen. Im positiven Sinne natürlich. Er war immer ansprechbar und ist auch als Trainer sehr kameradschaftlich geblieben - bis zu einem gewissen Grad. Ihm gelingt die richtige Mischung zwischen Vorgesetzem und Freund. Eine absolute Vertrauensperson.
Das ganze Interview mit Michel Mazingu-Dinzey zum Nachlesen
Die Prognose:
Der FC St. Pauli steht als Aufsteiger selbstverständlich vor einer schwierigen Saison. Im Kader stehen bis auf Hain und Asamoah nur Spieler, die es in der Bundesliga bisher nie gepackt haben. Wenn man so will, ist St. Pauli auf dem Papier die am schlechtesten besetzte Mannschaft der Liga.
So wirklich stört das aber niemanden. Die Mannschaft definiert sich schließlich nicht über große Namen, sondern über großen Zusammenhalt. Zusammen mit der Unbekümmertheit, die sich die Mannschaft bewahren will, ein nicht zu unterschätzendes Plus.
Das Umfeld weiß um die anstehenden großen Aufgaben und wird auch im wahrscheinlichen Fall, dass es nicht ganz so gut läuft, nicht schnell unruhig werden. St. Pauli hat schließlich deutlich mehr zu gewinnen als zu verlieren - und mit Stanislawski einen Trainer an Bord, der so sicher im Sattel sitzt wie nur wenige seiner Kollegen in der Liga.
Die Rahmenbedingungen sind also sehr günstig, das Auftaktprogramm mit Freiburg (A), Hoffenheim (H), Köln (A) und dem Derby gegen den HSV (H) hätte schlimmer ausfallen können.
Die Hamburger werden bis zum Schluss zittern müssen. Am Ende steht dann aber doch der Klassenerhalt für den FC St. Pauli.
FC St. Pauli - Der Kader im Überblick