Sieglos-Rekord, Verletztenmisere, Finanznot, Kommunikationspannen und peinliche Eigentore: Schalke 04 hat nicht nur sportlich riesige Probleme.
David Wagner hatte die Nase voll. "Dankeschön", sagte der Trainer von Schalke 04 ins Sky-Mikrofon und brach das Interview ab. Eine "provokante Frage" des Reporters an seinen Leverkusener Kollegen Peter Bosz über die aktuelle Schwäche der Königsblauen hatte den leidgeprüften Coach auf die Palme gebracht, "damit haben Sie sich nicht viele Schalker Freunde gemacht", meinte Wagner nach dem 1:1 (0:0) gegen Bayer 04 gereizt.
Viele Freunde macht sich derzeit aber auch nicht sein Arbeitgeber: Die Vereinsrekordserie von 13 Bundesligaspielen ohne Sieg nach dem späten Ausgleich durch ein Eigentor von Juan Miranda (81.) und der krachende Absturz in der Rückrunde ist nur die sportliche Seite einer existenziellen Krise.
Denn auch außerhalb des Spielfeldes gibt der hoch verschuldete Traditionsverein, der sich gerne mit dem Image des "Kumpel- und Malocherklubs" schmückt, ein erschreckendes Bild ab - und ist dabei, jeglichen Kredit bei seinen Fans zu verspielen.
Schalke beweist einmal mehr mangelnde Sensibilität
Nach dem Ärger um die Härtefallantrag für Ticketerstattungen in der Coronakrise bewies Schalke mit der Kündigung langjähriger Fahrer in der Nachwuchsabteilung "Knappenschmiede", Rentner und Schwerbehinderte im Minijob, einmal mehr mangelnde Sensibilität und erntete einen veritablen Shitstorm.
Da konnte sich Sportvorstand Jochen Schneider im Sky-Interview noch so sehr winden und von einer "unternehmerischen" und "ganz klar richtigen" Entscheidung reden - der irreparable Schaden war längst angerichtet.
Wie schon eine Woche zuvor, als die Fans aufgefordert worden waren, haarklein nachzuweisen, warum sie ihr Geld für bezahlte Eintrittskarten zurück haben wollten.
Damals sprach Schneider von einem "unglaublichen Fehler" und einem "kapitalen Eigentor", diesmal von "Halbwahrheiten" in der Berichterstattung. Man suche nach "sozial guten Lösungen".
Auf Schalke schrillen die Alarmglocken
Dass Schalke selbst bei 450-Euro-Kräften sparen muss, wirft ein weiteres grelles Licht auf die Finanznot des Altmeisters. Schon vor der Coronakrise standen knapp 200 Millionen Euro Verbindlichkeiten zu Buche; als die letzte Rate der Fernsehgelder in der Zwangspause ausstand, drohte der Kollaps.
Die Trennung vom langjährigen Mediendirektor Thomas Spiegel und der überraschende Abschied des Finanzvorstands Peter Peters nach 27 Jahren ließen ebenfalls die Alarmglocken schrillen.
"Im Moment müssen wir mit solchen Schlagzeilen leben", stellte Schneider resigniert fest. Der Sportchef bekommt die Auswirkungen in seiner täglichen Arbeit zu spüren. Weil Schalke nach dem Absturz in der Rückrunde zum dritten Mal in vier Jahren den Europapokal verpassen wird, ist kein Geld für dringend benötigte neue Spieler da.
Leer ist auch der Schalker Kader
Selbst die alten kann Schneider kaum halten: Aushilfskapitän Daniel Caligiuri, der mit seinem Handelfmeter nach Videobeweis für die Führung sorgte (51.), steht vor einem ablösefreien Wechsel zum FC Augsburg.
Zumindest mit dem lange verletzten Benjamin Stambouli, der das stark ersatzgeschwächte Team wieder lautstark von der Tribüne aus anfeuerte, möchte Schneider gerne verlängern, doch: "Dazu gehören immer zwei Parteien. Die Arena ist leer, das ist alles Geld, was uns fehlt."
Leer ist auch der Schalker Kader - gegen Leverkusen fehlten zehn verletzte Spieler. Intern soll es Kritik an den Fitnesstrainern und der medizinischen Abteilung geben, Wagner nannte die Misere "nicht einfach nur Zufall".
Dass sein letztes Aufgebot aufopfernd kämpfte und dem ersten Sieg seit fünf Monaten nahe war, tröstete ihn wenig - zu groß sind die Probleme allerorten.
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