Kein Neymar, kein Zauber - aber frühzeitig weiter: Auch ohne seinen verletzen Superstar hat Rekordchampion Brasilien den WM-Achtelfinaleinzug als zweite Mannschaft nach Titelverteidiger Frankreich perfekt gemacht. Beim 1:0 (0:0) gegen die Schweiz fehlte der Selecao um Top-Stürmer Richarlison allerdings lange die Magie. Casemiro gelang der späte Siegtreffer in der 83. Minute.
Der große Ronaldo pustete kräftig durch, Roberto Carlos klatschte erleichtert Beifall. Brasiliens WM-Helden von 2002 freuten sich auf der Tribüne über den vorzeitigen Achtelfinaleinzug ihrer Nachfolger. Der verletzte Neymar allerdings wurde auf dem Rasen sichtbar vermisst, das 1:0 (0:0) gegen die Schweiz war ein reiner Arbeitssieg der Künstler vom Zuckerhut.
"Das sind keine schönen Spiele, die Mannschaften neutralisieren sich. Ich habe den Ball zum Glück voll erwischt", sagte Mittelfeld-Rackerer Casemiro, der in der 83. Minute für die Erlösung gesorgt hatte: "Ich bin froh, dass ich der Mannschaft helfen konnte."
Der Gruppensieg ist den am Montag biederen Brasilianern praktisch sicher angesichts von drei Punkten Vorsprung und der um drei Treffer besseren Tordifferenz gegenüber den Eidgenossen. Die benötigen gegen Serbien zum sicheren Weiterkommen einen Sieg, bei brasilianischer Schützenhilfe gegen Kamerun reicht auch ein Remis.
Anstelle von Offensivstar Neymar, der sich im Auftaktspiel gegen die Serben (2:0) eine Bänderverletzung am rechten Sprunggelenk zugezogen hatte, rückte Mittelfeldspieler Fred in die Startformation. Neymar schaute sich die Partie mit geschientem Fuß auf seinem Bett im Fünf-Sterne-Teamhotel an, wie sein Instagram-Account verriet.
Brasilien zieht vorzeitig ins Achtelfinale ein
Laut Selecao-Trainer Tite müsse man bei dem 30-Jährigen "von Tag zu Tag schauen". In der Heimat wird derweil die lange einem Sakrileg gleichende Diskussion geführt, ob die Nummer zehn überhaupt noch gebraucht wird. Gegen Serbien jedenfalls war Richarlison mit seinem Doppelpack perfekt eingesprungen. Diesmal blieb der Tottenham-Stürmer allerdings unauffällig - und er war damit nicht allein bei den Gelb-Blau-Weißen.
Für die Schweizer Auswahl war die Vorbereitung keineswegs reibungslos verlaufen. Der Mannschaftsbus kollidierte leicht mit einem Polizeiauto, das die Eidgenossen eigentlich sicher zum Stadion 974 eskortieren sollte. Zudem nahm Xherdan Shaqiri mit Muskelbeschwerden auf der Bank Platz.
Das Spiel nahm den erwarteten Verlauf. Die ebenfalls mit einem Sieg (1:0 gegen Kamerun) gestarteten Schweizer überließen den Südamerikanern mehr Spielanteile und konzentrierten sich auf ihre Ordnung.
Casemiro erzielt Siegtor für Brasilien
So dauerte es fast 27 Minuten bis zur ersten Chance, und die war gleich eine riesengroße: Vinicius Junior von Champions-League-Sieger Real Madrid scheiterte nach Maßflanke von Raphinha aus wenigen Metern am Gladbacher Keeper Yann Sommer, einer von fünf Bundesligaprofis in der Schweizer Startelf.
Insgesamt entwickelte Brasilien wenig Druck, die Schweizer spielten ihre Umschaltsituationen nicht konsequent zu Ende. Nach 64 Minuten jubelten die Gelben dennoch - in der Entstehung des vermeintlichen Führungstreffers durch Vinicius Junior stand Richarlison allerdings im Abseits. Casemiro war kurz vor dem Ende glücklicher bei seinem satten Schuss, den der frühere Dortmunder Manuel Akanji leicht abfälschte.
Brasilien - Schweiz: Die Stimmen des Spiels
Tite (Nationaltrainer Brasilien): "Heute hat das Team gewonnen, das sich in den letzten vier Jahren entwickelt hat. Es hat alle seine Fähigkeiten eingesetzt. Es war ein schwieriges Spiel, die Schweiz hat eine tolle Verteidigung, wir mussten alles geben. Wir haben gescherzt, dass es eine Art Schachspiel ist, man muss jede Figur genau analysieren, bevor man die Züge machen kann."
Murat Yakin (Nationaltrainer Schweiz): "Der Matchplan ging sehr lange auf. Wir haben den Gegner gut kontrolliert mit einer intensiven Laufleistung. Es ist ein trauriger Moment, dass wir das Spiel aus den Händen gegeben haben. Es hat offensiv ein wenig der Mut gefehlt. Mit ein bisschen mehr Glück wäre sicher mehr drin gewesen. Aber wir haben es weiter in unserer Hand."
Brasilien - Schweiz: Die Daten des Spiels
Brasilien: A. Becker - E. Militao, T. Silva, Marquinhos, Alex Sandro (ab 86. Alex Telles) - Fred (ab 58. Bruno G.), Casemiro - Raphinha (ab 73. Antony), L. Paqueta (ab 46. Rodrygo), Vini Jr - Richarlison (ab 73. Jesus).
Schweiz: Sommer - Widmer (ab 86. Frei), Akanji, Elvedi, Ricardo Rodriguez - Xhaka, Freuler - Rieder (ab 59. Steffen), Sow (ab 76. Aebischer), Vargas (ab 59. Fernandes) - Embolo (ab 76. Seferovic).
Schiedsrichter: Ivan Barton (El Salvador)
Tor: 1:0 Casemiro (83.)
Zuschauer: 43.649 (in Doha)
Gelbe Karten: Fred - Rieder