Zwischen Roberto Baggio und Kaka

Torsten Adams
15. Mai 200915:26
Stephan El Sharaawy ist der jüngste Serie-A-Spieler in der Geschichte des FC GenuaImago
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Stephan El Shaarawy ist Genuas jüngster Serie-A-Spieler der Vereinsgeschichte und Leistungsträger der italienischen U-17-Nationalmannschaft. Er selbst vergleicht sich schon mit Kaka, aber es gibt jemanden, der ihn bremst.

SPOXSerie A, 17. Spieltag: Im Stadio Marc' Antonio Bentegodi läuft die Partie zwischen dem Tabellenletzten Chievo Verona und dem FC Genua. Auf der Anzeigetafel leuchtet zweimal die Null, ein typisch italienisches Resultat in einer gewöhnlichen Partie an einem durchschnittlichen Dezembersonntag.

Für einen jungen Mann auf der Bank der Gäste ist es jedoch ein ganz spezieller Nachmittag. In der 83. Minute pfeift Genua-Coach Gian Piero Gasperini einen dunkelhaarigen, athletischen Youngster zu sich an die Seitenlinie, der sich zuvor am Spielfeldrand gewissenhaft warmgelaufen hatte.

Serie-A-Debüt mit 16

Selbst dem geneigten Genua-Anhänger ist der Name Stephan El Shaarawy auf der Anzeigetafel nur spärlich bekannt und Sekunden später findet sich der Nachwuchskicker mitten in seinem ersten Einsatz in der höchsten italienischen Spielklasse.

Seitdem darf er sich mit 16 Jahren, einem Monat und 24 Tagen jüngster Serie-A-Spieler der Geschichte des FC Genua nennen. "Das war natürlich ein sehr aufregender Moment für mich", erzählt El Shaarawy im Gespräch mit SPOX. "Obwohl es nur knapp zehn Minuten waren, ging für mich ein Traum in Erfüllung."

Ein derart frühes Debüt ist nicht einmal Legenden des italienischen Fußballs wie Alessandro Del Piero, Filippo Inzaghi, Gianfranco Zola oder Roberto Baggio gelungen. Dabei war El Sharaawys Einwechslung gegen Verona kein Zufall oder gar eine Notlösung.

Der FC Arsenal klopft an

Der Jungspund trainierte bereits regelmäßig unter Gasperini bei den Profis. Ein Punkt, der ihn von den anderen Leistungsträgern der Azzurrini aus dem Jahrgang 1992 unterscheidet. Als klassischer Regisseur mit der Rückennummer zehn zieht El Shaarawy dieser Tage bei der U-17-Europameisterschaft die Fäden im italienischen Mittelfeld.

Nicht erst seit seinen Auftritten beim Turnier in Deutschland weckt der in Savona bei Genua geborene Sohn eines Ägypters und einer Italienerin Begehrlichkeiten bei den Scouts der großen europäischen Klubs.

Seit seinem Serie-A-Debüt im Dezember steht El Shaarawy ganz oben auf der Liste von englischen und spanischen Teams. So soll der FC Arsenal bereits seine Fühler nach Genuas Sternchen ausgestreckt haben. Eine große Ehre, findet der Italiener, denn die Gunners sind "bekannt für ihre erstklassige Jugendarbeit" und produzieren unter Trainer Arsene Wenger junge, ambitionierte Topspieler am Fließband.

6 Millionen Euro für einen 16-Jährigen?

Kürzlich hat sich ein weiterer Weltklub auf der Shaarawyschen Interessentenliste dazugesellt. Laut spanischen Medienberichten soll Real Madrid bereit sein, im Sommer ein großzügiges Angebot für den Ausnahmefußballer abzugeben, um ihn nach Spanien zu locken.

Als Ablöse stehen rund 6 Millionen Euro im Raum - wohlgemerkt für einen 16-Jährigen. Doch schenkt man den Gerüchten rund um die Personalie El Shaarawy Glauben, so spielt Genua mit dem Gedanken, sein Juwel höchstens für eine Saison auszuleihen, damit es wertvolle Erfahrung und Spielpraxis sammeln kann.

Beidfüssig, variabel einsetzbar, taktisch clever, antrittsschnell

El Shaarawy selbst weiß nur zu genau, dass er von der Creme de la Creme des europäischen Fußballs beobachtet wird: "Dass ich in letzter Zeit in den Fokus vieler Leute gerückt bin, ehrt mich natürlich. Mein Traum ist es, irgendwann mal bei einem großen Verein auf höchstem Niveau spielen zu können."

Dabei ist das Mittelfeld-Ass beim FC Genua gar nicht so schlecht aufgehoben. In der Primavera-Meisterschaft, Italiens wichtigster Jugendklasse, gilt El Shaarawy als feste Größe und entwickelt sich stetig weiter.

Luca Chiappino, sein Trainer in der Primavera-Mannschaft des FC, gerät da schon mal ins Schwärmen ob der Fähigkeiten seines Offensivkünstlers: "Er ist ein offensiver Flügelspieler, der das Spiel sehr gut liest und ein tolles taktisches Verständnis hat. Er ist nicht übermäßig explosiv und körperlich auch nicht sehr groß, aber beidfüssig, kann auf mindestens zwei Positionen spielen und hat vor allem einen tollen Antritt mit Ball am Fuß."

FC Genua baut auf die Jugend

Die Primavera ist auch für Gasperini keine unbekannte Altersklasse. Der 51-Jährige war selbst Jugend-Coach bei Juventus Turin. Mit der Nachwuchs-Auswahl der Alten Dame gewann er das prestigeträchtige "Torneo di Viareggio".

Auch in dieser unerwartet erfolgreichen Saison mit dem FC Genua baut Gasperini konsequent auf die Jugend. Mit Anthony Vanden Borre, Sokratis Papastathopoulos, Domenico Criscito und Salvatore Bocchetti stehen in Genuas Stammelf vier Spieler, von denen keiner älter ist als 23 Jahre.

Gasperini der ideale Trainer für El Shaarawy?

Großes Lob erntete Gasperini kürzlich von höchster Stelle: Italiens Nationaltrainer Marcello Lippi adelte den Erfolgscoach in der "Gazzetta dello Sport": "Gasperini ist der herausragende Name der neuen, italienischen Trainergarde. Genua spielt einen tollen, aggressiven Fußball mit drei Stürmern. Dazu lässt Gasperini alle Spieler durch seine intelligente Rotation wichtig erscheinen."

Ein idealer Trainer also für einen jungen, ambitionierten Spieler wie El Shaarawy, dem es relativ gleich ist, auf welcher Position ihn Gasperini oder Chiappino bringen: "Normalerweise spiele ich zentral direkt hinter den Spitzen. Aber ich will mich da nicht so sehr festlegen. Ich kann ebenso gut auf der linken Außenbahn spielen. Das sollen die Trainer entscheiden."

El Shaarawy: "Würde mich mit Kaka vergleichen"

Auch wenn er variabel auf verschiedenen Positionen einsetzbar ist, auf sein fußballerisches Vorbild hat sich El Shaarawy schon definitiv festgelegt: "Von meiner Spielweise her würde ich mich mit Milans Kaka vergleichen. Er ist ein brillanter Techniker und hat die Fähigkeit, blitzschnell mit dem Ball am Fuß an seinem Gegenspieler vorbeizuziehen."

Große Worte aus dem Mund eines 16-jährigen Nachwuchsspielers. Und nicht selten wird es nach ein paar Jahren still um die einst hoch gelobten Messis und Ronaldinhos der Zukunft. Dass es bei El Shaarawy anders kommen soll und der Italiener rechtzeitig den Tritt auf die Euphoriebremse findet, dafür ist im Hause El Shaarawy der Papa zuständig.

"Die einzige Sache, die du wirklich gut kannst, ist Fußball spielen"

Der Ägypter ist Vater und gleichzeitig Berater seines Juniors, der sich nur allzu gut an die Ermahnungen seines Seniors erinnert: "Wenn ich mal wieder ein wenig übertreibe, sagt er immer: 'Die einzige Sache, die du wirklich gut kannst, ist Fußball spielen.' Und ich solle sorgsam mit dieser Gabe umgehen."

Allen Erfolgen und Vorschusslorbeeren zum Trotz weiß El Shaarawy auch selbst sehr wohl, dass es noch ein steiniger Weg ist, bis ihn die Leute mit Weltstars wie Kaka vergleichen. "Aus fußballerischer Sicht muss ich vor allem meinen linken Fuß und das Kopfballspiel verbessern", analysiert das zweifelsohne hoffnungsvollste Talent der italienischen U-17-Auswahl.

Ziel: Stammspieler in der Serie A

Gleichwohl hat der Techniker präzise Vorstellungen von seiner zukünftigen Karriere: "Ich trainiere bereits mit den Profis und habe schon in der Serie A gespielt. Da ist es nur eine logische Konsequenz, dass ich in zwei bis drei Jahren ein wichtiger Spieler in der ersten Mannschaft des FC Genua sein will."

Dann werden die italienischen Tifosi nicht mehr über den Namen El Shaarawy auf der Anzeigetafel stolpern.

Stephan El Shaarawy im Steckbrief