Der Imperator, die Kauflustigen und der X-Faktor

SPOX
09. September 201116:55
Fatih Terim begrüßt die Fans von Galatasaray: Der "Imperator" ist zurückImago
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Der Startschuss in der Süper Lig fällt: Im Schatten des Manipulationsskandals und in einem neuen Modus kämpfen Galatasaray, Fenerbahce, Besiktas, Trabzonspor und Co. um den Titel. Die Liga begrüßt neue Gesichter, einen kaufwütigen Aufsteiger, einen deutschen Rückkehrer und seinen Imperator. Begleiten wird die Saison aber vor allem der X-Faktor.

A wie Aydinlar, Mehmet Ali: Der Verbandspräsident wurde Ende Juni gewählt und galt als neuer Hoffnungsträger. Seine Sympathien für Fenerbahce waren bekannt, aber selbst Galatasaray, Besiktas und Trabzonspor unterstützten die Wahl des erfolgreichen Geschäftsmannes, der sich mit seinem finanziellen Support für den türkischen Sport einen Namen machte. Doch der Manipulationsskandal, der Aydinlar nur eine Woche nach seiner Wahl heimsuchte, ließ den Verbandsboss sichtbar altern. "Ich hätte diesen Job nie angenommen, wenn ich das gewusst hätte", sagte Aydinlar neulich. Was er auch macht, was er auch sagt und wie er auch entscheidet: Jedes Mal hat er eine stattliche Anzahl von Gegnern vor sich. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er hinschmeißt.

B wie Besiktas: Die vergangene Saison war eine Enttäuschung, sieht man mal vom Pokalsieg ab. Doch auch der Cup steht längst nicht mehr in der Vitrine, denn den hat Besiktas-Boss Yildirim Demirören im Zuge des Manipulationsskandal wieder zurückgegeben. Dass Trainer Tayfur Havutcu und der mächtige Vorstandsmitglied Serdal Adali in U-Haft sitzen, hat der Klub schwer verdauen können. Dennoch hat es Besiktas geschafft, schnell den Schalter auf das Sportliche umzulegen. Wer es mit dem portugiesischen Fußball hat, sollte bei Besiktas unbedingt vorbeischauen: Mit Almeida, Simao, Bebe, Sidnei, Quaresma, Fernandes und Trainer Carlos Carvalhal sind gleich sieben Portugiesen bei Besiktas unter Vertrag...

C wie Carvalhal, Carlos: Es ist nicht ungewöhnlich, als Interimstrainer geholt zu werden. Bei Carlos Carvalhal ist es anders: Er ist bei Besiktas zum Saisonstart als Interimstrainer geholt worden, weil sein Vorgänger ins Gefängnis musste und sein Vorgänger könnte auch jederzeit wieder sein Nachfolger werden. Denn: Sollte Besiktas-Trainer Tayfur Havutcu auf freien Fuß kommen, bekommt er seinen Job als Cheftrainer zurück und Carvalhal bleibt dann die Rolle des Assistenten. Umso bemerkenswerter ist es, mit welcher Akribie der Portugiese seinem scheinbaren Kurzzeit-Job nachgeht. Auch bei den Spielern ist er schon hoch angesehen.

D wie Diego Lugano: Als Spieler und Trainer hat man in der Türkei einen schweren Stand. Sich in die Herzen der Anhänger und in die Gunst der Öffentlichkeit zu spielen, ist ein schweres Unterfangen. Diego Lugano war nicht gerade das, was man als Lieblingsspieler bezeichnen könnte. Zumindest galt das für alle, die nicht mit Fenerbahce sympathisieren. Für die Fener-Fans war er dagegen ein Idol - aufgrund seiner Einstellung zum Fußball und seinem Klub. Lugano hat Fener nun Richtung Paris Saint-Germain verlassen und der Uru darf voller Stolz behaupten, dass er zu den wenigen Spielern gehört, die in der Türkei nicht nur beim Empfang am Flughafen auf Schultern getragen werden, sondern auch beim Abschied...

E wie Englische Wochen: Der neue Playoff-Modus der Süper Lig (siehe P) hat den unschönen Nebeneffekt, dass die Süper Lig ab sofort auch unter der Woche spielen muss. 34 Spieltage müssen in die Monate zwischen September und April gepresst werden - da bleibt der Süper Lig nichts anderes übrig, als nun regelmäßig auch am Mittwoch und Donnerstag zu spielen. Gefreut hat es aber nur den Pay-TV-Sender, der sich mehr Einnahmen erhofft.

F wie Fenerbahce: Die Freude über die Rekordmeisterschaft hielt nicht lange. Am 3. Juli 2011 wurde Fenerbahces Präsident Aziz Yildirim erst vernommen und dann festgenommen. Der Startschuss für eine Welle von Verhaftungen: Viele Klubs sind betroffen, aber am härtesten hat es Fener getroffen, weil die Vorwürfe sich auf den Meister konzentrieren. Inzwischen wurde dem Klub die Teilnahme an der Champions League untersagt. Auch der Zwangsabstieg drohte lange, aber da wird sich zunächst nichts tun. Fenerbahce musste dennoch tüchtig einstecken: Die Verluste durch den Wertverfall der Aktie haben sich im zweistelligen Millionenbereich eingependelt, wichtige Spieler wie Diego Lugano, Andre Santos und Mamadou Niang haben den Klub verlassen. Fener steht vor einer schweren Saison.

G wie Galatasaray:

Die grauenvolle Saison 2010/11 veränderte bei Galatasaray so einiges: Neuer Vorstand, neuer Trainer und eine neue Mannschaft: Gala ließ 17 Spieler, darunter Arda Turan, Harry Kewell, Lucas Neill, Juan Pino, ziehen und holte dreizehn neue Spieler.

Mit Felipe Melo, Fernando Muslera, Tomas Ujfalusi, Selcuk Inan, Emmanuel Eboue, Albert Riera und zuletzt Sercan Yildirim ist die Qualität des Kaders deutlich verbessert worden, aber die Erwartungen im Umfeld sind riesig. Trainer Fatih Terim (siehe I wie Imperator) wurde empfangen wie ein Messias. Sollten sich die Neuen schnell integrieren und der Umbruch schnell vonstatten gehen, ist Gala wohl der gewichtigste Titelkandidat der Süper Lig.

H wie Hoffnungsträger: Viele neue Spieler haben die Klubs verstärkt - bei vielen ist die Erwartung groß. Eine Auswahl gefällig? Bei Galatasaray erhofft man sich einiges von Felipe Melo, dem Ex-Juventus-Spieler, bei Champions-League-Starter Trabzonspor sind es Didier Zokora, Marek Cech und auch Halil Altintop. Fenerbahce hat Reto Ziegler von Juventus verpflichtet und den in der letzten Saison bereits von Everton ausgeliehenen Joseph Yobo zurückgeholt. Bei Besiktas bleibt der Spanier Guti auch in dieser Saison und soll endlich seine Klasse zeigen.

I wie Imperator: Zum dritten Mal ist Fatih Terim als Trainer zu Galatasaray zurückgekehrt: Beim ersten Mal feierte man UEFA-Pokalsieg und vier Meisterschaften in Folge, Terim prägte eine Ära des türkischen Fußballs. Der zweite Versuch ging komplett in die Hose: Terims damalige Einkaufspolitik wurde ihm zum Verhängnis, letztlich wurde er zum Rücktritt gezwungen. Eigentlich wollte der Imperator zu Gala als Trainer nicht mehr zurückkehren, doch die Rufe wurden nach der verkorksten Saison 10/11 zu laut, um das Mandat ablehnen zu können. Der frühere Milan-Trainer beansprucht bei Gala viel Macht und hat sich schnell mit wichtigsten Vorstandsmitgliedern angelegt. Die Unterstützung der Mannschaft, der Fans und des Präsidenten genießt er aber in vollen Zügen.

J wie Jungspunde: Der jüngste Mannschaft der Liga ist Kayserispor. Der Altersdurchschnitt des Kaders beträgt 23,1. Kein Zufall, dass auch Trainer Shota Arveladze mit 38 der jüngste Trainer der Süper Lig ist. Ach ja, die älteste Mannschaft der Süper Lig ist Antalyaspor (28,3 Jahre). SPOX

K wie Kauflust: Aufsteiger Orduspor verpflichtete sage und schreibe 23 neue Spieler, darunter den einen oder anderen interessanten Kicker. Auch ein Deutscher ist dabei: Tobias Nickenig (ehemals VfL Osnabrück und 1. FC Köln) soll der neue Abwehrchef der Veilchen werden.

L wie LIVE-TICKER: Alle Spiele der Süper Lig werden bei SPOX im LIVE-TICKER übertragen. Einfach reinklicken und mitfiebern!

M wie Michael Fink: Als Besiktas 2009 Meister wurde, war der Deutsche ein wichtiger Part in der Mannschaft von Mustafa Denizli. Denizli ging, Bernd Schuster kam und Fink stand nicht mehr zur Debatte. Besiktas meldete ihn aufgrund der Ausländerbegrenzung beim Verband ab, ließ ihn separat trainieren und lieh den Mittelfeldspieler zu Borussia Mönchengladbach aus. Auch nach der Rückkehr spielte Fink keine Rolle mehr, obwohl die Klubs fortan so viele Ausländer unter Vertrag nehmen dürfen, wie es ihnen lieb ist. Dem Ex-Frankfurter gelang nun die erneute Flucht: Fink wechselte zum Aufsteiger Samsunspor...

Teil 2: Wie funktionieren die Playoffs? Was macht Skibbe? Wer sitzt ein?

N wie neue Klubs: Die Aufsteiger der Süper Lig heißen Orduspor, Samsunspor und Mersin Idman Yurdu. Während für Samsun und Mersin der Aufstieg eine Rückkehr in die oberste Klasse darstellt, ist es für Ordu die erste Teilnahme an der Süper Lig.

O wie ohne Yilmaz Vural: 25 Jahre Trainerleben in der Süper Lig, mehr als 25 verschiedene Klubs. Yilmaz Vural ist der Mann für alle Fälle in der Süper Lig. Nach dem Abstieg mit Konyaspor hat der Erzfeind von Christoph Daum aber erst einmal keinen Klub gefunden. Doch wir sind uns sicher: Wir werden Vural sehr bald wieder sehen...

P wie Playoff-System: Mitten drin im Chaos und Wirbel des Manipulationsskandals hatte der Verband eine Idee: Wir führen jetzt mal über Nacht ein neues Liga-System ein. Mit Playoffs. Was das bedeutet? 34 Spieltage werden ganz normal ausgespielt: Die ersten Vier kommen in das Meister-Playoff, wobei der Erste der Liga einen Champions-League-Platz sicher hat. Gewinnt der Erste auch die Playoff-Runde wird er Meister und darf direkt in die Königsklasse. Wird er nicht Playoff-Sieger, muss er in die CL-Quali. Der Viertplatzierte des Meister-Playoffs spielt mit den Klubs, die die Saison auf Platz fünf bis acht beendet haben, die Europa-League-Plätze aus. Alles klar?

Q wie quälende Vorbereitung: Stellen Sie sich vor, Sie sind Spieler von Gaziantepspor: Anfang Juli stehen die ersten Spiele in der Europa-League-Qualifikation an und deswegen muss die Saisonvorbereitung schon im Juni aufgenommen werden - viel früher als bei allen anderen. Die Qualen der harten Vorbereitung von Trainer Tolunay Kafkas sollten spätestens im August zu Ende sein, wenn die Saison losgeht, doch der Manipulationsskandal hatte zufolge, dass die Saison erst im September losgehen kann. Gaziantep hat mittlerweile das vierte Trainingslager hinter sich: Die anderen Klubs sind nicht minder betroffen: Galatasaray bereitete sich in der Türkei, Österreich, Deutschland und Slowenien auf die neue Saison vor, um die Spannung hochzuhalten.

R wie Rechnen: Wer wird Meister? Wer schafft es in die Playoffs? Wer muss absteigen? Rechnen Sie mit dem Spielplaner der Süper Lig jetzt schon aus, wie die Saison zu Ende geht. Hier klicken!

S wie Skibbe, Michael: Seine erste Tätigkeit in der Türkei war nicht von Erfolg gekrönt, aber Michael Skibbe hat sich in der Türkei einen Namen gemacht, weil seine Art, Fußball spielen zu lassen, gut ankam. Nun ist der Deutsche zurück: Als Nachfolger des in Haft sitzenden Bülent Uygun übernahm er bei Eskisehirspor und soll den "schlafenden Riesen" wecken. An seiner Seite ist nicht nur Edwin Boekamp, sondern auch der Ex-Dortmunder Dede.

T wie Trabzonspor: 82 Punkte holte Trabzonspor noch nie in seiner Geschichte - und wurde dennoch nur Zweiter, weil der direkte Vergleich mit Fenerbahce verloren ging. Aber: Der Manipulationsskandal hat den Klub in die Champions League gespült, obwohl man in der Qualifikation an Benfica gescheitert war. Zwar hat der Verband Trabzonspor nicht zum Meister erklärt, doch am Schwarzen Meer fühlt man sich spätestens nach der CL-Teilnahme am grünen Tisch bestätigt, der wahre Meister zu sein. Am Tag der Bekanntgabe, dass Trabzonspor statt Fener in der Königsklasse antreten darf, wurde gefeiert, als wäre gerade die Meisterschaft errungen worden.

U = UEFA, der Feind: Fenerbahce hat nach dem Ausschluss aus der Champions League den europäischen Fußballverband zum Staatsfeind Nummer eins erklärt und einen juristischen Krieg angekündigt. Fenerbahce will vor dem internationalen Sportgerichtshof (CAS) gegen das Urteil der UEFA klagen. Kleinlaut gibt sich der türkische Verband, der zunächst so tat, als hätte es im türkischen Fußball keinen Manipulationsskandal gegeben und später Fenerbahce auf Gesuch der UEFA von der Champions League ausschloss.

V wie Verhaftung: Wenn die Saison losgeht, werden einige wichtige Kinder der Liga nicht zu sehen sein, weil sie in Haft sitzen: Fenerbahces Präsident Aziz Yildirim, dessen Vorstandsmitglieder Sekip Mosturoglu und Ilhan Eskioglu, Besiktas-Trainer Tayfur Havutcu, Besiktas-Fußballchef Serdal Adali, die Istanbul-BB-Spieler Ibrahim Akin und Iskender Alin, Sivasspors Torhüter Korcan Celikay, Eskisehirspor-Trainer Bülent Uygun unnd Eskisehir-Sportdirektor Ümit Karan. Die drei Letzteren wurden inzwischen von ihren Klubs gefeuert.

W wie Wechsel: In der Süper Lig haben es gleich vier Klubs geschafft, noch vor Saisonstart den Trainer zu wechseln: Bei Genclerbirligi übernahm Fuat Capa, weil Giray Burak mit Präsident Ilhan Cavcav zu unterschiedlicher Meinung war. Bei Manisaspor vermisste Hikmet Karaman eine gesunde Zahlungsmoral des Vorstands und bei Ankaragücü ist wieder einmal das komplette Chaos ausgebrochen: Spieler-Streik, Rücktritt des Vorstands und letztlich auch von Trainer Mesut Bakkal. Und dann wäre da noch der notgedrungene Trainerwechsel bei Besiktas (siehe B).

X = X-Faktor: Die Süper Lig startet trotz Manipulationsskandal mit 18 Teilnehmern. Die in Verdacht stehenden Klubs müssen noch keine Sanktionen befürchten, da der Verband erst die weitere Vorgehensweise der Justiz abwarten will. "Das kann noch drei Monate dauern", sagt Verbandspräsident Mehmet Ali Aydinlar. Ist danach erwiesen, dass die Klubs wie Fenerbahce, Sivasspor, Eskisehirspor oder Besiktas wirklich manipuliert haben, drohen Zwangsabstiege und der Liga mitten im Spielbetrieb ein Chaos.

Y wie Yildirim, Sercan: Er ist zweifellos immer noch eines der bedeutendsten Stürmertalente der Süper Lig, aber der Durchbruch wollte ihm bisher einfach nicht gelingen. Bei Bursaspor hatte man Sercan vor Saisonbeginn wie schon im Vorjahr den Abschied nahelegt. Im März 2011 packte er die Koffer und ging nach Moskau, um dort bei Lokomotive zu unterschreiben. Plötzlich wusste der Klub aber nichts mehr von einem Interesse und schickte den Nationalspieler zurück. Auch der erste Versuch im Sommer scheiterte, als Sercan nach Kiew reiste, wo er einen Vertrag bei Dynamo bekommen sollte. Angekommen in der Ukraine, war der Transfer wieder geplatzt. Inzwischen hat sich Sercan mit Galatasaray geeinigt und soll unter Fatih Terim, der ihm seinerzeit zum Debüt in der Nationalelf verhalf, endlich zum Star reifen.

Z wie Zeitplan: Die Süper Lig startet am 10. September 2011. Die normale Saison endet am 8. April 2012. Am 21. Dezember 2011 geht es mit dem 18. Spieltag in die Winterpause, die schon am 4. Januar 2012 enden wird. Start und Ende der Playoff-Runden werden erst noch bekannt gegeben.

Der Spielplan der Süper Lig