1995 setzte der SV Sandhausen das erste Ausrufezeichen im deutschen Fußball. Mit einem Sieg am Samstag bei Preußen Münster können die Männer von Erfolgstrainer Gerd Dais ihre rasante Entwicklung mit dem Aufstieg in die 2. Liga krönen. Der Weg dorthin verlief nicht immer geradlinig.
Hartwaldstadion, 27. August 1995, kurz vor 18 Uhr: Der SV Sandhausen empfängt den VfB Stuttgart zum baden-württembergischen Duell in der ersten Runde des DFB-Pokals. Nach 120 Minuten steht es 2:2, es folgt die Entscheidung vom Punkt. Getty
Als VfB-Verteidiger Hendrik Herzog beim Stand von 15:14 für den damaligen Regionalligisten zum zweiten Mal zum Elfmeter antritt, steht bereits fest, dass dieses Elfmeterschießen als längstes der DFB-Pokal Geschichte in die Annalen eingehen wird.
Alle bisherigen 25 Schützen, darunter auch Herzog in seinem ersten Versuch, haben getroffen. Aber im zweiten Anlauf versagen ihm die Nerven, der Neuzugang aus Schalke setzt den Ball an den Pfosten - die Sensation ist perfekt.
Der Oberligist SV Sandhausen zieht gegen den haushohen Favoriten aus der Landeshauptstadt um "das magische Dreieck" Krassimir Balakow, Fredi Bobic und Giovane Elber in die zweite Runde ein und feiert den bisher größten Erfolg seiner Vereinsgeschichte.
Gerd Dais bringt den Erfolg zurück
Doch der Sieg brachte nicht den erhofften Schub. Sandhausen, gerade erst aufgestiegen, stieg am Saisonende wieder in die Oberliga Baden-Württemberg ab. Der Erfolg kam erst zehn Jahre später mit der Verpflichtung von Gerd Dais wieder. Der 48-Jährige heuerte 2005 als Trainer im Hartwald an und führte den 1916 gegründeten Verein in seiner ersten Amtszeit bis in die 3. Liga.
Nach viereinhalb erfolgreichen Jahren war allerdings Schluss für den Heilsbringer. Im Februar 2011 wurde er durch Frank Leicht ersetzt. "Zum damaligen Zeitpunkt sind die Ziele über Nacht ins Uferlose gegangen, man wollte unbedingt in die 2. Liga aufsteigen. Dann war wie so oft der Trainer der Leidtragende", blickt Dais zurück.
Vom Abstiegskandidaten zum Aufstiegsanwärter
Doch weder Leicht noch sein Nachfolger Pawel Dotschew genügten den Ansprüchen im Kampf um den Klassenerhalt. So schlug erneut die Stunde von Dais, der den Klub aus der rund 15.000 Einwohner-Gemeinde vor den Toren Heidelbergs prompt vor dem Abstieg rettete und innerhalb eines Jahres zu einem Aufstiegsanwärter formte.
"Ich habe das System geändert, einen Stürmer zugunsten eines zweiten Sechsers geopfert und Spieler aus dem zweiten Glied und Kontinuität in die Mannschaft gebracht. Außerdem haben wir die eingespielte Mannschaft im Sommer gut verstärkt", so Dais über seine Maßnahmen nach dem Comeback. Die Veränderungen haben gefruchtet.
Acht Punkte hat seine Mannschaft bei drei noch verbleibenden Spielen Vorsprung auf den Relegationsplatz drei, auf dem aktuell der Chemnitzer FC steht. Da kann eigentlich nicht mehr viel schief gehen, doch Dais tritt noch auf die Euphoriebremse.
"Wir halten den Ball flach. Einen Grund zum Feiern gibt es erst, wenn wir rechnerisch von niemandem mehr eingeholt werden können", so der gebürtige Heidelberger, der als Aktiver 141 Erst- und Zweitligaspiele für Waldhof Mannheim, den FC Homburg und den Karlsruher SC absolvierte, gegenüber der "Rhein-Neckar-Zeitung".
Mannschaftliche Geschlossenheit der Schlüssel
Verdient wäre der Aufstieg in jedem Fall. Seit dem zwölften Spieltag steht der heimstarke Tabellenführer durchgehend auf einem der ersten drei Plätze und hat zudem das beste Torverhältnis. Auch charakterlich scheint die Mannschaft gefestigt. Die kurze Schwächephase zum Ende der Hinrunde (nur ein Punkt aus vier Spielen) ausgenommen, beantwortete Sandhausen jede Niederlage im darauffolgenden Spiel mit einem Sieg.
Ein weiteres Indiz für den Teamgeist: Nur Torjäger und Kapitän Frank Löning (13 Tore), Spielmacher David Ulm (10) und Innenverteidiger Marco Pischorn (6) haben mehr als drei Tore erzielt. 15 Akteure, und damit rund zwei Drittel der eingesetzten Feldspieler, haben sich bereits in die Torschützenliste eingetragen. Nicht umsonst heißt es deshalb auf der Homepage: "Der SV Sandhausen steht für absolute Fußballbegeisterung, geprägt von Engagement und Teamgeist."
Diese Begeisterung soll den SV Sandhausen, dessen weiß-schwarzes Trikot bereits Heiko Butscher, Nicolai Müller oder auch Hansi Flick trugen, in die 2. Liga führen. Dort soll der Etat laut "Rhein-Neckar-Zeitung" von aktuell 4,3 auf neun Millionen Euro erhöht werden, finanziert durch die höher einkalkulierten Fernseheinnahmen (von 711.000 auf 4,2 Millionen) und Zuschauerzahlen (von 2500 auf 5500).
Ein Sieg fehlt noch zum Aufstieg
Diese Mehreinnahmen endgültig sicherzustellen, ist nun Aufgabe der Mannschaft. Am Freitag, 17 Jahre nach der Pokalüberraschung, kann der SV Sandhausen mit einem Sieg bei Preußen Münster einen neuen, größten Erfolg der Vereinsgeschichte feiern - kurioserweise leistete dazu erneut der VfB Stuttgart seinen Beitrag.
Denn den Grundstein für den Matchball in Münster legte der rund 700 Mitglieder zählende Verein aus dem Rhein-Neckar-Kreis durch ein hart umkämpftes 1:0 am vergangenen Wochenende im heimischen Hartwaldstadion gegen die Drittligareserve der Schwaben.
"Wir haben uns sehr schwer getan, Torchancen herauszuarbeiten und einen Treffer zu erzielen. Deshalb musste ein abgefälschter Schuss von Tim Danneberg herhalten, um den Sieg unter Dach und Fach zu bringen", sagte Trainer Gerd Dais in einem Interview mit dem SWR. Ein bißchen Glück gehört eben auch dazu. Das hat aber nur der Tüchtige.
Der SV Sandhausen auf einen Blick