Thesen zum 15. Spieltag: Der BVB hat den schwächsten Kader seit Jahren

Stefan Rommel
13. Dezember 202111:15
Marco Reus und der BVB haben weiter Boden auf die Bayern verloren.imago images
Werbung
Werbung

Das große Trainer-Special in den Thesen des 15. Spieltags: Warum in Wolfsburg nicht der Coach die Schuld trägt, wer als einziger von der großen Trainer-Rochade des Sommers profitiert, was Domenico Tedesco in Leipzig anders gemacht hat. Plus: Dortmunds Kader und Stuttgarts Fehlschuss des Tages.

Florian Kohfeldt kann am wenigsten für Wolfsburgs Lage

Geschichte wiederholt sich, auch in Wolfsburg. Nach fünf Testspiel- und einer Pokal-Niederlage am Stück blieb der VfL Wolfsburg unter Mark van Bommel dann sieben Spiele in Folge ungeschlagen - nur um dann aus den nächsten sieben Spielen wiederum einen einzigen Sieg einzufahren. Van Bommel wurde durch Florian Kohfeldt ersetzt und der legt aktuell dieselbe Achterbahnfahrt hin wie sein Vorgänger. Kohfeldt startete mit drei Siegen und einem Remis, danach setzte es fünf Pflichtspielniederlagen nacheinander.

Das 0:2 gegen Stuttgart war ein Tiefpunkt, auch wenn Kohfeldt - was sollte er auch anderes sagen? - die Leistung seiner Mannschaft noch versuchte zu beschönigen. Nun konzentriert sich wieder alles auf den Trainer, aber das ist in der Analyse der momentanen Situation der falsche Ansatz. Nicht Kohfeldt ist für die Zusammenstellung der Mannschaft verantwortlich, sondern Jörg Schmadtke und Marcel Schäfer.

Und es ist auch nicht Kohfeldt, der bei den Stuttgarter Toren nebenher oder hinter trabt, so als ginge ihn das alles gar nichts an. Das sind dann die Spieler, die nicht bereit sind, die nötige Haltung für ein Bundesligaspiel zu entwickeln. Kohfeldt spielt seit der Übernahme in Wolfsburg fast ausschließlich im Drei-Tages-Rhythmus, mehr als Spielersatz- und Regenerationstraining ist da gar nicht möglich, von der Vermittlung eigener Inhalte ganz zu schweigen.

Kohfeldt benötigt Zeit und die muss ihm Schmadtke nun gewähren - schon allein aus reinem Selbstschutz. Schmadtke selbst findet den Kader "gut zusammengestellt, vielschichtig, besser als letztes Jahr". Aus einem rein qualitativen Standpunkt mag das stimmen - aber die Charaktere passen offenbar nicht gut zusammen. Wie sich selbst die vermeintlichen Führungsspieler gegen den VfB hängen ließen, war alarmierend. Und es lässt für die nächsten Spiele nichts Gutes erahnen.

Dortmunds Kader ist der schwächste der letzten Jahre

Erling Haaland, Jude Bellingham: Weltklasse. Marco Reus, Raphael Guerreiro: Internationales Topformat. Dazu noch ein halbes Dutzend Ausnahmekönner im Bundesligakontext, von Gregor Kobel bis Donyell Malen. Das ist die eine Seite des Dortmunder Kaders. Aber dahinter fällt das Leistungsniveau dann teilweise stark ab. Spieler wie Thomas Meunier, Nico Schulz, Dan-Axel Zagadou, Marin Pongracic, Emre Can, Renier, aktuell auch Mats Hummels oder Axel Witsel: Das ist gehobenes Bundesliganiveau, aber auf Dauer für die Ansprüche der Borussia zu wenig. Über eine komplette Saison kann der BVB damit den Ausfall mehrerer Leistungsträger schlicht kompensieren.

Das Spiel in Bochum hat - unfreiwillig - nochmal gezeigt: Da wechselte das Interimsgespann Alexander Zickler und Rene Maric nur zwei Spieler ein. Auf der Bank fand sich einfach keine Alternative, die für die Anforderungen der Partie gepasst hätte. Pongracic, Felix Passlack, Witsel, Reinier, Ansgar Knauff, Steffen Tigges: Alle keine Option, die aus spieltaktischen Erwägungen oder aus schieren Qualitätsgründen gepasst hätte. Michael Zorc hatte sich neulich in einem Sport1-Interview vehement gegen die Kritik am Kader gewehrt, verwies auf die vielen Verletzten der letzten Monate. "Wie viele Spieler soll unser Kader denn haben, damit wir diese Vielzahl von Verletzungen auf der Bank ausgleichen können? 35?" Damit hat Zorc natürlich Recht - eine Erklärung für das Leistungsgefälle ist das aber auch nicht.

Domenico Tedesco hat das gemacht, was ein neuer Trainer tun muss

Der Klassiker in Leipzig: Nach einem absolut verheerenden Spiel unter dem alten Trainer(-Team) wie zuletzt in Berlin erfolgt der Wechsel auf der Trainerbank. Der Neue kommt an, kann zwar kaum trainieren und gewinnt das nächste Spiel wie von Geisterhand plötzlich haushoch. Die Mannschaft zeigt ein völlig anderes Gesicht, alles wirkt wieder frisch und freudig. Das spricht in der Regel nicht für die jeweilige Mannschaft, schon gar nicht in Leipzig, wo die Qualität im Kader so enorm hoch ist, dass mehr Niederlagen als Saisonsiege nach dem 14. Spieltag nicht akzeptabel waren.

Domenico Tedesco hat zum Spiel gegen Gladbach also das gemacht, was möglich war in der kurzen Zeit: Einige Gespräche geführt, ein wenig an der Grundordnung getüftelt - und vor allen Dingen wieder ein paar Spieler auf Positionen gestellt, die ihrem Profil besser entsprechen und ihre Qualitäten einbringen. Vorgänger Jesse Marsch versuchte sich zwar auch schon am 3-4-2-1, die Besetzung einzelner Rollen passte aber oft nicht. Tedesco setzte da an, gab etwa Emil Forsberg die Zehner-Rolle, schob Christopher Nkunku etwas weiter nach vorne und Andre Silva im Angriff deshalb ein bisschen mehr Unterstützung. Angelino, eigentlich "nur" Schienenspieler auf der linken Seite, spielte teilweise so hoch wie ein klassischer Linksaußen, Nordi Mukiele auf der rechten Seite dagegen deutlich tiefer. Dominik Szoboszlai ersetzte später zwar Forsberg, ging dann aber in die Halbspur und nicht auf die Zehn - weil sie ihm besser liegt. Das sind alles nur erste Verbesserungen, deren Bestätigung in den nächsten Spielen noch aussteht.

Nur für die Eintracht hat sich die Trainer-Rochade gelohnt

Marco Rose war der Auslöser für ein regelrechtes Trainerbeben im letzten Frühjahr. Roses angekündigter Abschied aus Gladbach ließ die Borussia vom Niederrhein sportlich abstürzen und löste eine Kettenreaktion aus. Gladbach bediente sich für eine satte Ablösesumme in Frankfurt, die wiederum lösten einen Trainer aus Wolfsburg aus dessen Vertrag aus.

Die große Trainer-Rochade hat den jeweils aufnehmenden Klubs bisher aus sportlicher Sicht aber wenig bis gar nichts gebracht. Rose hat in Dortmund den Status quo bisher konserviert, das Aus in der Königsklasse schmerzt aber sehr. In Gladbach hat Adi Hüter einen ganzen Sack voller Probleme, der Abwärtstrend der Mannschaft in diesem Kalenderjahr hält unvermindert an. Auch Hütter ist es bisher nicht gelungen, den zweifellos starken Kader auf Kurs zu bringen. Stattdessen sieht sich Hütter schon jetzt einer Trainerdebatte ausgesetzt, die Sportchef Max Eberl mit allen Mitteln schon im Keim ersticken will.

Wolfsburg dagegen hat den ersten Trainer schon verschlissen, Florian Kohfeldt kämpft an allen Fronten mit der Trendwende, Ausgang offen. Abgesehen davon, dass jede Menge Geld geflossen ist, haben sich für diese Klub die Dinge seitdem teilweise in die völlig falsche Richtung entwickelt.

Lediglich Eintracht Frankfurt und Oliver Glasner scheinen sich nach einigen holprigen Wochen zum Start zu berappeln. Glasner hat die Mannschaft im Europapokal sicher in die K.o.-Runde geführt, nach der großen Enttäuschung der verpassten Champions-League-Teilnahme und einigen nervigen Personaldiskussionen ist es dem Österreicher und seinen Mitstreitern gelungen, eine funktionierende Einheit zu bauen und eine neue Euphorie in Frankfurt auszulösen.

Omar Marmoushs Elfmeter war absolut fahrlässig

Eine gewisse Extra-Motivation war Omar Marmoush bei Stuttgarts Spiel in Wolfsburg deutlich anzumerken, der Ägypter gab die meisten Pässe ab, die zu einem Torabschluss führten, nahm es insgesamt 19 Mal im Dribbling mit den Gegnern auf - die mit Abstand meisten Zweikämpfe aller Spieler auf dem Platz. Marmoush wuselte als einzige nominelle Stuttgarter Spitze einige Male gehörig durch die Wolfsburger Defensive und wollte seine ansprechende Leistung mit einem Tor krönen. Die Chance dazu ergab sich rund zehn Minuten vor dem Ende, als der VfB einen Handelfmeter zugesprochen bekam und Marmoush sich den Ball schnappte.

Marmoushs Reaktion nach dem verschossenen Elfer sprach Bände.imago images

Einen etatmäßigen Schützen hatte der VfB nicht auf dem Platz, Nico Gonzalez ist ja nicht mehr da und Silas saß zu diesem Zeitpunkt noch auf der Bank. Marmoush hätte die Partie endgültig entscheiden können - ein Umstand, den der VfB in den letzten beiden Spielen gegen Mainz und Hertha BSC verpasste und gegen die Berliner dafür noch bestraft wurde. Es war also trotz der Zwei-Tore-Führung und gegen einen schwer angeschlagenen Gegner immer noch ein Vabanquespiel.

Was Marmoushs Entscheidung, es mit einem Panenka-Elfmeter zu versuchen und natürlich zu scheitern, noch fragwürdiger erscheinen lässt. Eine Spielerei wie diese in einem für den VfB so wichtigen Spiel ist zumindest fahrlässig. Richtig unverständlich wird es, wenn man Marmoushs spezielle Konstellation dazu nimmt. Der gehört ja immer noch dem VfL Wolfsburg, den er mit dieser Art der Ausführung einfach nur veralbern wollte. Marmoush würde wohl gerne im Sommer wechseln, vielleicht sogar in Stuttgart bleiben. Aber auch dort dürfte die Aktion nicht bei jedem für Jubelstürme gesorgt haben. "Gegen seinen Ex-Verein so einen Elfmeter zu schießen, zeugt nicht gerade von Respekt", sagte Teamkollege Philipp Förster. Immerhin entschuldigte sich Marmoush am Montag für den Elfmeter. Und das ist ja ein gutes Zeichen.