Thesen zum 4. Bundesliga-Spieltag: Der verschwenderischste Dortmunder - und das ekligste Team der Liga

Stefan Rommel
13. September 202111:26
Auch wenn es bei Dominik Kohr so aussieht: Auf der faulen Haut liegt bei Mainz 05 bestimmt keiner.getty
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Verschwendet Dortmunds Zauberfuß Julian Brandt sein Talent? Wer ist eigentlich der beste Einwechselspieler der Liga? Und wer die ekligste Mannschaft? Die Thesen zum 4. Spieltag klären auf.

Julian Brandt verschwendet sein Talent

Der erste Kontakt war schon enorm, wie Julian Brandt diesen Bastard von einem Pass mit der rechten Hacke noch irgendwie mitnehmen konnte. Der zweite Kontakt war Poesie: In einer flüssigen Bewegung und mit dem linken Fuß beschleunigte Brandt nicht nur den Ball, sondern auch am Gegenspieler vorbei. Satter Schuss unter die Latte und fertig war ein fußballerisch herausragendes Tor, das technisch anspruchsvollste der bisherigen Saison.

In Momenten wie diesen erkennt man die unglaublichen Fähigkeiten des Dortmunders, wie leicht und elegant er über den Platz schweben kann. In den vielen anderen Momenten eines Spiels bleibt Brandt aber ein schlampiges Genie, das sich gerne auf ein, zwei gelungenen Aktionen ausruht, fahrig und unkonzentriert wird. Julian Brandt bleibt ein Grenzgänger zwischen den Extremen und auch im dritten Jahr bei Borussia Dortmund eine Wundertüte.

Allerdings sind die Zeiten, da man dem Teenager einige Nachlässigkeiten noch verzeihen konnte, endgültig vorbei. Nichts im Fußball ist schlimmer als vergeudetes Talent, heißt es. Aktionen wie die bei seinem Tor machen die Fallhöhe so enorm und schüren angesichts der Leistungen um diese Highlights herum die Befürchtung, dass Brandt sein Talent eher leichtsinnig verschwendet, als es endlich nachhaltig auszuschöpfen.

Jamal Musiala ist der Super Sub der Liga

Im Basketball ist der Sixth Man ein feststehender Begriff, eine Institution und im besten Fall für die jeweilige Mannschaft eine echte Waffe: Der erste Einwechselspieler, der sofort und nachhaltig Einfluss auf eine Partie nehmen kann. In der NBA gibt es dafür eine eigene Rangliste und am Ende der Saison eine Auszeichnung. Der beste Einwechselspieler der Bundesliga dürfte in der noch jungen Saison Bayerns Jamal Musiala sein.

Nicht nur, weil der 18-Jährige von der Bank kommend im Schnitt alle 35 Minuten direkt an einem Tor beteiligt ist. Sondern weil Musiala eine Partie offenbar ohne jede Anlaufzeit in eine völlig andere Richtung lenken kann. Mit Musiala hat Trainer Julian Nagelsmann einen herausragenden Trumpf in der Hinterhand, der für jede Spielphase Lösungen verspricht - was angesichts der ansonsten nicht immer üppig und für Bayern-Verhältnisse qualitativ hochwertig besetzten Ersatzbank doppelt wertvoll ist.

Hertha bleibt ein großes Fragezeichen

Spiel gewonnen, Negativlauf gestoppt, endlich alles gut? Von wegen! Wie auch immer Hertha BSC das Auswärtsspiel in Bochum gewinnen konnte, wird eines der Rätsel dieser Saison bleiben. Die Berliner Effizienz war gnadenlos, aus ganzen fünf Torschüssen machte die Hertha drei Tore. Das und die Tatsache, dass nun endlich drei Punkte eingefahren sind, waren die positiven Nachrichten des Sonntagnachmittags.

Ansonsten bleibt der Fakt, dass Torhüter Alexander Schwolow die meisten Ballkontakte aller Berliner Spieler hatte und eine große Leere. Auch Pal Dardais Umstellung der Grundordnung lief nahezu komplett ins Nirgendwo und so langsam muss man sich schon fragen, was die Berliner in der Sommerpause eigentlich so gemacht haben.

Dass die schiere individuelle Qualität nicht ausreichen wird, um zumindest eine ruhige Saison zu spielen, sollte nach den Erfahrungen der letzten Spielzeit eigentlich jedem klar sein. Aber Berlin macht exakt dort weiter. Findet nicht relativ schnell eine totale Kehrtwende statt, wird es auch in dieser Saison einzig und allein gegen den Abstieg gehen.

Mainz ist die ekligste Mannschaft der Liga

Besonders schönen Fußball spielt Mainz 05 noch nicht in dieser Saison. Aber wer fragt danach bei neun Punkten aus den ersten vier Spielen eines vermeintlichen Abstiegskandidaten? Trainer Bo Svensson hat in Rekordzeit eine Spielweise implementiert, die es wirklich jedem Gegner der Liga so unangenehm wie möglich macht, gegen Mainz zu bestehen.

Das Pressing der Rheinhessen war auch gegen Hoffenheim auf den Punkt: Giftig, aggressiv, bestens getimed und immer im Kollektiv ausgeführt. Dann mal noch ein kleines Foulspiel hier oder ein leichter Faller da und fertig ist der Stoff, aus dem die ekligste Mannschaft der Liga ist - und das ist ein Kompliment. Spiele gegen Mainz sind Abnutzungskämpfe, selbst spielstarke Teams wie Hoffenheim oder davor schon RB Leipzig zerschellen an der Mainzer Defensivarbeit.

Bei der Arbeit gegen den Ball ist das jetzt schon absolute Spitzenklasse in der Liga. Bekommt Mainz auch noch ein etwas griffigeres Offensivkonzept umgesetzt, das auch Positionsspiel gefährlich werden kann, ist Svenssons Team definitiv kein Abstiegskandidat - sondern ein Anwärter auf die Überraschung der Saison. Und vielleicht sogar einen europäischen Wettbewerb.

Köln ist mit der alten Methode erfolgreich

Steffen Baumgart hat beim 1. FC Köln so einiges verändert, lässt seine Mannschaft mehr und intensiver laufen als seine Vorgänger und einen viel aktiveren, mutigeren Fußball spielen. Aber eine Sache ist für den neuen Trainer offenbar noch weniger verhandelbar: Seine Spieler sollen flanken, flanken, flanken. Dieses eher altertümliche und oft etwas despektierlich behandelte Rezept hat dem FC nun nahezu perfektioniert.

Anthony Modestes Treffer gegen Freiburg war das achte Kölner Saisontor - und das achte nach einer Flanke aus dem Spiel heraus. Auch die anderen guten Chancen der Kölner in Freiburg entsprangen ausschließlich Hereingaben vom Flügel. Mittlerweile weist die Statistik schon 70 Flanken aus, das ist mit weitem Abstand Ligaspitze und fünf Mal so viele wie Hertha BSC geschlagen hat, das in dieser Disziplin Letzter ist. Die Wiederauferstehung von Modeste und die Rückkehr des lange verletzten Sebastian Andersson als Zielspieler im Angriffszentrum gehen einher mit der Flut an Flanken.