Der FC Schalke 04 muss nach dem Abstieg unpopuläre Personalentscheidungen treffen, der FC Bayern München steht nach seinem Rekordjahr vor mächtigen Problemen. Und Werder Bremen? Macht dann doch einfach so weiter wie zuletzt. Es gibt aber auch positive Nachrichten am 29. Spieltag. Fünf Thesen.
Schalke braucht weder Kolasinac, noch Huntelaar
Es soll ja tatsächlich noch den einen oder anderen Fan gegeben haben, der nach Schalkes Sieg gegen den FC Augsburg vergangene Woche vom Klassenerhalt fabuliert hatte. Das 0:4 in Freiburg (Hier geht's zu den Highlights im Video) sollte auch diese kühnen Fantasien zerstört haben, Schalke ist längst nicht mehr zu retten. Schon am Dienstag kann Schalke mit einer Niederlage bei Arminia Bielefeld (Liveticker) den Abstieg besiegeln.
Ab sofort geht das Schaulaufen los für jene Spieler, die den Gang in die zweite Liga mitgehen wollen und die - noch viel wichtiger - der FC Schalke auch weiterhin im Klub haben will. Neben Keeper Ralf Fährmann und den vier eingesetzten Spielern aus der Knappenschmiede darf von der Startelf kein anderer Spieler mehr Teil des Wiederaufbaus in der zweiten Liga sein.
Nicht Omar Mascarell, der ja ohnehin schon lange weg will. Nicht Benjamin Stambouli, der schon vor dieser Saison ein Streichkandidat war. Nicht Suat Serdar, der seit Monaten völlig außer Form ist und sich hängen lässt. Nicht Amine Harit, der Schalke nicht als Schalke sieht, sondern als eine beliebige Station in seiner Karriere. Und auch nicht Sead Kolasinac und Klaas-Jan Huntelaar. Das mag hart klingen und den romantischen Aspekt der Rückholaktion des Duos völlig in den Hintergrund drängen.
Kolasinac' und Huntelaars sportlicher Wert stünde gerade in der zweiten Liga außer Frage, beide wären wohl überqualifiziert für diese Aufgabe. Andererseits wird dort auch ein anderer Fußball gespielt, mit dem auch internationale Größen so ihre Probleme bekommen. Da müsste Schalke nur mal in Hannover, Stuttgart oder beim HSV nachfragen. Natürlich werden auch in der zweiten Liga erfahrene, gestandene Spieler gebraucht. Aber ist Schalke am Tiefpunkt eines jahrelangen Niedergangs an einem echten Neustart interessiert, dürfen Größen der Vergangenheit dabei keine Rolle mehr spielen.
Mislintats und Matarazzos Konsequenz ist beeindruckend
Die letzte Woche war eine ziemlich aufregende für den VfB Stuttgart. Nicht wegen des Corona-Virus, das in den Gremien grassierte. Sondern weil die Schwaben angesichts von 39 Punkten auf dem Konto und des so gut wie geregelten Klassenerhalts Planungssicherheit haben - und Sven Mislintat mal wieder nicht lange fackelte. Die Gerüchte der letzten Wochen verwandelte Mislintat in Fakten. Erst verpflichtete der VfB das türkische Talent Ömer Fauk Beyaz, wenige Tage später dann Alou Kuol, also einen 17- und einen 19-Jährigen.
Mislintat bleibt seiner vor rund zwei Jahren eingeschlagenen Linie damit treu und stopft den Kader mit blutjungen, entwicklungsfähigen Spielern nur so voll. Aus der eigenen Jugend sollen ja auch pro Saison zwei Nachwuchsspieler bei den Profis Fuß fassen, so das hohe Ziel. Schon jetzt stellt Stuttgart den jüngsten Kader der Liga und nach einer Transferphase ohne große Veränderungen im Team im letzten Sommer soll nun offenbar an den Feinheiten gefeilt werden. Die Partie beim FC Union (Hier geht's zu den Highlights im Video) bot dafür besten Anschauungsunterricht: Der VfB musste ohne sieben potenzielle Stammspieler ran und hatte eine Halbzeit lang massive Probleme mit der Robustheit und Abgezocktheit des Gegners.
Umso erstaunlicher, dass Gonzalo Castro in Berlin 90 Minuten lang nur auf der Bank schmorte. Castro war zwar angeschlagen, für ein paar Minuten hätte es aber wohl schon reichen können. Stattdessen warf Trainer Pellegrino Matarazzo nacheinander Tanguy Coulibaly, Mateo Klimowicz, Roberto Massimo, Darko Churlinov (alle 20) und den erst 18-jährigen Momo Cisse ins Rennen. Zwischen den beiden Transfers der Offensivspieler Beyaz und Kuol überraschte der VfB unter der Woche mit der Bekanntgabe, dass Castro, immerhin Kapitän der Mannschaft, keinen neuen Vertrag mehr vorgelegt bekäme. Das Union-Spiel wirkte deshalb ein bisschen wie der Bewies der knallharten Jugend-Linie. Auch Philipp Klement kam übrigens nicht zum Einsatz. Der Routinier hat zwar noch einen Vertrag bis 2023, ziemlich sicher dürften sich die Wege zwischen ihm und dem VfB im Sommer aber trennen.
Jetzt hat Werder Bremen sein Abstiegs-Endspiel
Letzte Woche wurde es hier schon vermutet, jetzt bekommt Werder Bremen am kommenden Mittwoch tatsächlich so etwas wie ein Abstiegs-Endspiel im Weserstadion. Die Partie gegen Mainz 05 wird zur wichtigsten der Saison. Nach fünf Niederlagen am Stück und dem auf vier Zähler geschmolzenen Punktepolster auf Relegationsrang 16 - wobei Hertha BSC noch eine Partie gegen eben jenes Mainz in der Hinterhand hat - wäre eine neuerliche Pleite ein mittelschweres Desaster.
Die Geister der letzten Saison sind längst wieder da, die Auftritte der Mannschaft in den letzten beiden Spielen mit acht Gegentoren und einer unerklärlichen Verweigerungshaltung erinnern frappierend an das, was Werder längst überwunden glaubte. Aber: Es ist gar nichts überwunden.
Manch einer erinnert sich an die Worte Florian Kohfeldts bei der als "schonungslose Analyse" ausgerufenen Pressekonferenz, in der unter anderem der Satz fiel: "Es wird kein ‚Weiter so' geben!" Aber genau das passiert seit Wochen. Und so kam es dazu, dass beim 1:4 gegen Dortmund (hier geht's zu den Highlights im Video) plötzlich Philipp Bargfrede im Kader stand. Der Bargfrede, der nach der letzten Saison keinen Vertrag mehr bekam und bei keinem Erst- oder Zweitligisten unterkommen konnte, dann aber wieder zur U23 zurückgeholt wurde mit dem klaren Verweis darauf, dass er ausschließlich für die zweite Mannschaft eingeplant sei.
Die Kehrtwende ist aus sportlicher Sicht vielleicht nachvollziehbar, weil Bargfrede nunmal weiß, was Bundesligafußball bedeutet. Dass er aber an Stelle von Patrick Erras, vor der Saison als Sechser für die Problemposition schlechthin geholt, in den Kader rückte, ist zumindest bemerkenswert. Und weil sich Christian Groß gegen den BVB die fünfte Gelbe Karte einhandelte, stehen Bargfredes Chancen auf einen Startelfeinsatz gegen Mainz wohl gar nicht so schlecht.
Ein Freiburger könnte die Probleme der DFB-Elf lösen
Von allen Feldspielern in der Liga gibt es nur vier, die bisher in allen 29 Spielen auf dem Platz gestanden und von der ersten bis zur letzten Minute durchgespielt haben. Das sind Unions Innenverteidigerpärchen Marvin Friedrich und Robin Knoche, Gladbachs Vielspieler Matthias Ginter - und der Freiburger Christian Günter. 2610 Minuten hat der wie die anderen drei schon abgespult und sich nach einem für seine Verhältnisse eher mittelmäßigen Start in die Saison in der Rückrunde gesteigert. Gegen Schalke gelangen ihm nun vor den Augen von Tribünengast Jogi Löw endlich die ersten Saisontore und vielleicht macht er im Hinblick auf eine EM-Nominierung in den letzten Spielen der Saison gerade noch rechtzeitig auf sich aufmerksam.
Denn an sich bringt Günter fast alles mit, um auf der deutschen Problemseite hinten links eine Alternative zu sein. Der 28-Jährige kann als linker Außenverteidiger oder linker Schienenspieler neben der Dreierkette spielen, ist unglaublich dynamisch und schnell, hat einen tollen linken Fuß und agiert in Freiburg absolut zuverlässig. Bei Joachim Löw sollte Robin Gosens als erste Option für diese Planstellen gesetzt sein, dessen Vertreter ist aber noch lange nicht gefunden. Weder Marcel Halstenberg, noch Philipp Max oder Nico Schulz wussten in dieser Saison komplett zu überzeugen. Emre Can kann als Linksverteidiger allenfalls eine Notlösung sein. Vielleicht findet also Christian Günter nach sieben Jahren den Weg zurück zu Joachim Löw.
Im Frühjahr 2010 machte Günter im Rahmen der WM-Vorbereitung sein erstes und bisher einziges Länderspiel. Bei einem 0:0 einer bunt zusammengewürfelten deutschen Mannschaft gegen Polen durfte Günter ganze acht Minuten mitkicken.
FC Bayern vor ungeplantem Umbruch
Der große Knall wird in München noch lange nachhallen, so viel ist in dieser unübersichtlichen Gemengelage jetzt schon sicher. Hansi Flicks öffentliche und nicht mit den Bossen abgesprochene Ankündigung, sich im Sommer beim FC Bayern zurückziehen zu wollen, löst ein echtes Beben an der Säbener Straße aus. Der Trainer hat das doppelte Netz genutzt, das ihm Joachim Löw vor ein paar Wochen unfreiwillig gestrickt hatte: Seit der Ankündigung des Bundestrainers, nach der EM aufzuhören, hat Flick eine echte Exit-Option vorgefunden und seitdem eigentlich nichts mehr zu verlieren. Das Interesse des DFB an seiner Person ist verbrieft, hierhin könnte er sich problemlos zurückziehen, falls es bei den Bayern nicht mehr funktionieren sollte.
Das war Flick klar, deshalb nun der radikale Vorstoß. "Wir wären ja verrückt, wenn wir jetzt unseren Trainer vorzeitig gehen lassen würden", sagte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge neulich noch über seinen Bald-Sieben-Titel-Trainer Flick. Am Sonntag unterzeichnete auch Rummenigge eine Klub-Mitteilung mit dem Satz: "Der FC Bayern missbilligt die nun erfolgte einseitige Kommunikation durch Hansi Flick." Rummenigge war es auch, der sich eine Ära mit Flick als Cheftrainer bei den Bayern gewünscht hatte. Das schien auch möglich nach einem derart sensationell erfolgreichen ersten Arbeitsjahr von Flick - der sich seine fehlende Reputation als Cheftrainer in Rekordzeit erarbeitete.
Nun verlieren die Bayern ihren Chef- und womöglich auch einen ihrer Co-Trainer, Miro Klose klagt mittlerweile auch öffentlich über die Zustände in München. Nach Thiago im letzten Herbst verlassen auch David Alaba und Jerome Boateng den Klub. Den Bayern bricht ein stattliches Gerüst weg, einige wichtige Säulen der jüngsten Vergangenheit. Die Bayern brechen also nicht auf in eine neue Ära. Sie müssen nun einen Umbruch bewerkstelligen, den niemand so recht kommen sah. Und das wird eine sehr große Aufgabe für Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn, der alsbald Rummenigge ersetzen wird. Beide ohne Erfahrung im Umgang mit schwierigen Gemengelagen.
Bundesliga: Die Tabelle nach dem 29. Spieltag
Platz | Team | Sp. | Tore | Diff | Pkt. |
1. | Bayern München | 29 | 83:38 | 45 | 68 |
2. | RB Leipzig | 29 | 52:23 | 29 | 61 |
3. | Wolfsburg | 29 | 51:29 | 22 | 54 |
4. | Eintracht Frankfurt | 29 | 59:44 | 15 | 53 |
5. | Borussia Dortmund | 29 | 62:42 | 20 | 49 |
6. | Bayer Leverkusen | 29 | 48:32 | 16 | 47 |
7. | Borussia M'gladbach | 29 | 52:43 | 9 | 43 |
8. | 1. FC Union Berlin | 29 | 44:35 | 9 | 43 |
9. | SC Freiburg | 29 | 44:42 | 2 | 40 |
10. | VfB Stuttgart | 29 | 51:46 | 5 | 39 |
11. | FC Augsburg | 29 | 29:42 | -13 | 33 |
12. | TSG Hoffenheim | 29 | 41:47 | -6 | 32 |
13. | Werder Bremen | 29 | 33:47 | -14 | 30 |
14. | 1. FSV Mainz 05 | 28 | 30:48 | -18 | 28 |
15. | Arminia Bielefeld | 29 | 22:46 | -24 | 27 |
16. | Hertha BSC | 28 | 34:48 | -14 | 26 |
17. | 1. FC Köln | 29 | 27:53 | -26 | 23 |
18. | Schalke 04 | 29 | 18:75 | -57 | 13 |
Meistgelesene Artikel
Das könnte Dich auch interessieren
.jpg?quality=60&auto=webp&format=pjpg&width=317)


