U21 - Erkenntnisse zum EM-Halbfinal-Einzug gegen Dänemark: DFB-Team kompensiert fehlende individuelle Klasse mit Teamgeist

Christian Guinin
01. Juni 202108:25
Die deutsche U21 bewies auch gegen Dänemark Teamgeist.imago images / Matthias Koch
Werbung

Die deutsche U21-Nationalmannschaft ist durch einen knappen 6:5-Sieg im Elfmeterschießen (2:2, 1:1, 0:0) gegen Dänemark ins Halbfinale der Europameisterschaft 2021 eingezogen (Donnerstag, 21 Uhr gegen die Niederlande). Während sich Keeper Finn Dahmen für einen Patzer revanchiert, kompensiert das Team fehlende individuelle Klasse mit Teamgeist. Die Erkenntnisse zum Spiel.

Matchwinner Dahmen revanchiert sich für Oranje-Gruppenspiel

Finn Dahmen dürfte sich über den Halbfinal-Einzug des DFB-Teams wohl besonders gefreut haben. Nicht nur avancierte der U21-Schlussmann mit zwei gehaltenen Elfmetern gegen Wahid Faghir und Victor Kristiansen zum Matchwinner, für den 23-Jährigen schloss sich in der MOL Arena Sosto im ungarischen Szekesfehervar auch ein Kreis.

Vor ziemlich genau zwei Monaten unterlief Dahmen im zweiten Gruppenspiel gegen die Niederlande an gleicher Stelle nämlich ein folgenschwerer Fauxpas. Bei einem Einwurf von Rechtsverteidiger Josha Vagnoman verschätzte sich der Schlussmann, versuchte vor dem heraneilenden Oranje-Stürmer Justin Kluivert zu klären und schlug über den Ball.

Die Folge: Kluivert nahm das Geschenk an und traf zum 1:0. Nur durch ein spätes Tor von Jonathan Burkardt gelang noch der Ausgleich. Dennoch musste die Mannschaft ihrem Keeper damals viel Trost und Aufmunterung spenden. "Für Finn ist das ein unglücklicher Tag. Daher haben wir gerne das Tor für ihn geschossen", hatte Abwehrchef Nico Schlotterbeck Dahmen in Schutz genommen.

Am Viertelfinal-Abend gelang dem zweiten Mann des FSV Mainz 05 nun die Revanche. "Ich habe damals gesagt, dass jeder für jeden da ist", sprach Dahmen nach dem Spiel bei ProSieben den Patzer an.

"Jeder darf Fehler machen, einer bügelt das dann aus. Heute war ich dran. Es ist brutal, was wir als Mannschaft geleistet haben. Wir sind 120 Minuten marschiert und haben gezeigt, dass wir da sind. Jetzt können wir mit Selbstvertrauen ins Halbfinale gehen. Wir werden bereit sein."

Dass Dahmen auch dann im Tor stehen wird, ist wahrscheinlich. Auch wenn während und nach der Gruppenphase immer wieder kritische Stimmen am 23-Jährigen laut wurden und die DFB-U21 mit Markus Schubert (FC Schalke 04) und Lennart Grill (Bayer Leverkusen) gute Alternativen im Kader hätte, vertraute Trainer Stefan Kuntz bislang auf seinen Schlussmann. Vertrauen, welches sich spätestens jetzt ausgezahlt zu haben scheint.

Deutschland macht Halbfinal-Einzug unnötig spannend

Schon in den drei Vorrundenspielen gegen Ungarn, die Niederlande und Rumänien wurden bei der deutschen Mannschaft große Probleme in der Offensive ersichtlich. Während es dort aber hauptsächlich um die fehlende Erarbeitung von Chancen ging, hatten die DFB-Youngster gegen Dänemark Schwierigkeiten mit der Kaltschnäuzigkeit vor dem Kasten von Dänen-Keeper Oliver Christensen.

Vor allem in der ersten halben Stunde spielte sich die Mannschaft von Trainer Kuntz mehrere gute Chancen heraus. Nachdem Ridle Baku (9.) und Arne Maier (17.) erste gute Abschlüsse verzeichnet hatten, leitete Lukas Nmecha nach 20 gespielten Minuten einen langen Ball von Außenverteidiger David Raum exzellent auf den freien Mergim Berisha weiter, der die Kugel allerdings allein vor Christensen am Kasten vorbeischob. Auch Anton Stachs Distanzschuss (42.) fand nicht den Weg ins Tor.

Schon zur Halbzeit hätte Deutschland also mit zwei bis drei Toren führen können, auf der Anzeigetafel prangerte jedoch weiterhin ein 0:0. Dies rächte sich dann im zweiten Durchgang, als die Dänen besser aus der Kabine kamen. Jacob Bruun Larsen scheiterte mit einem Schuss aus spitzem Winkel noch an Dahmen (49.), kurze Zeit später machte es der eingewechselte Faghir dann besser. Nach einem Missverständnis zwischen den beiden DFB-Innenverteidigern Amos Pieper und Nico Schlotterbeck traf der Stürmer aus kurzer Distanz in die Maschen.

Danach tat sich Deutschland lange schwer, wirkliche Chancen waren auf beiden Seiten Mangelware. Letztlich half ein Standard. Zwei Minuten vor dem Spielende verlängerte Lars Lukas Mai eine Maier-Ecke auf den zweiten Pfosten, wo Nmecha den Ball artistisch ins Tor bugsierte und die Verlängerung klarmachte.

Auch dort war Deutschland anfangs das bessere Team. Zunächst vergab Karim Adeyemi (93.) die Chance auf die Führung, in der 100. Minute traf dann Joker Burkardt zum vorentscheidenden 2:1. Als alles nach einem Sieg des DFB-Teams aussah und die Kuntz-Truppe das Ergebnis herunterzuspielen schien, brachte Mai die Dänen durch ein völlig unnötiges Foul an Gustav Isaksen an der Torlinie noch einmal heran. Kapitän Victor Nelsson verwandelte den fälligen Elfmeter (109.) zum 2:2-Endstand nach 120 Minuten.

Durch zwei gehaltene Elfmeter von Dahmen gelang dort zwar der Sieg über die zuvor zwei Jahre ungeschlagenen Dänen, gegen die Niederlande im Halbfinale kann man sich eine derart schwache Chancenverwertung sowie einfache Fehler in der Defensive aber wohl nicht erlauben.

DFB-U21 kompensiert fehlende Klasse mit Teamgeist

Dass die deutsche U21 nicht zu den Top-Favoriten auf den EM-Titel zählen würde, war schon im Vorfeld des Turniers klar. Als fußballerisch zu limitiert wurde die Mannschaft bezeichnet, eine Wiederholung der Triumphe von 2009 (u.a. mit Neuer, Hummels, Boateng, Khedira und Özil) und 2017 (mit u.a. mit Gerhardt, Kehrer, Gnabry, Arnold und Weiser) sei deshalb nicht möglich.

Dass dem Team fußballerische Klasse fehlt, mag sogar stimmen. Daran änderte gegen Dänemark auch die Nominierung von Spielmacher und Leverkusen-Youngster Florian Wirtz nichts. Der jüngste U21-Nationalspieler der Geschichte war zwar sichtlich bemüht, Tempo und Kreativität ins Spiel zu bringen, in seinen Aktionen blieb der 18-Jährige aber blass. Kommen dann noch Ausfälle wie die Gelbsperre von Mittelfeldmotor Niklas Dorsch hinzu, sieht es vor allem in der Zentrale der DRB-Elf düster aus.

Dennoch zeigte die deutsche U21 einmal mehr, dass mit einem Mix aus Teamgeist, Geschlossenheit und Aufopferungsbereitschaft fehlende Klasse kompensiert werden kann. Häufig war zu beobachten, wie Offensivspieler den Weg nach hinten bestritten, um verlorene Bälle zurückzuerobern oder man sich mit letzter Kraft in einen Schuss schmiss. Jeder in dieser Mannschaft scheint bereit zu sein, für den anderen 100 Prozent zu geben und über die Schmerzgrenze hinaus zu gehen. In bestimmten Momenten kann das Kräfte freisetzen. Kräfte, mit denen man dann auch im Stande ist, ein Top-Team zu schlagen.

"Wir haben die beste erste Halbzeit gespielt, die wir mit diesem Jahrgang gespielt haben. Dann kamen gewisse Zweifel und es setzte Müdigkeit ein. Wir haben dann das System etwas umgestellt und hatten Pech, dass wir noch das 2:2 bekommen. Ich habe der Mannschaft schon vor dem Elfmeterschießen gratuliert", war Kuntz mit der Leistung seiner Schützlinge zufrieden.

Es war "ein tolles U21-Spiel. Ich hatte das Gefühl, dass dieses Team heute noch nicht nach Hause fahren sollte", so Kuntz. Auch Arne Maier stimmte zu: "Die Mannschaft kennt sich jetzt über ein bis zwei Jahre, der Kern ist gefestigt."

Am kommenden Donnerstag geht es für die DFB-Youngster nun gegen die Niederlande, die ihrerseits Top-Favorit Frankreich ausschalteten. Sollte man dort ähnlich geschlossen auftreten und sich etwas kaltschnäuziger im Abschluss präsentieren, könnte man am Ende in das dritte Finale der U21-Geschichte einziehen.

Die deutsche U21 bewies auch gegen Dänemark Teamgeist.imago images / Matthias Koch

U21-EM: Die Viertelfinalspiele im Überblick

DatumUhrzeitTeam 1Team 2Ergebnis
31.05.202118 UhrNiederlandeFrankreich2:1
31.05.202118 UhrSpanienKroatien2:1 n.V.
31.05.202121 UhrDänemarkDeutschland7:8 n.E.
31.05.202121 UhrPortugalItalien5:3 n.V.