Weltmeister Italien ist sensationell in der Vorrunde gescheitert. Die Azzurri verloren das dritte Spiel der Gruppe F gegen die Slowakei mit 2:3. Der Ex-Nürnberger Robert Vittek erzielte zwei Tore für die Slowaken.
Für die Italiener konnten Antonio Di Natale und Fabio Quagliarella nur noch zum 1:2 bzw. 2:3 verkürzen. Kamil Kopunek erzielte das entscheidende dritte Tor für die Slowakei.
Italien ist damit nach Frankreich 2002 der zweite Weltmeister, der sich bereits in der Vorrunde verabschiedet. Die Azzurri beendeten die Vorrunde ohne Sieg auf dem letzten Platz der Gruppe F.
Vor rund 53.412 Zuschauer im Ellis-Park-Stadium zu Johannesburg erreichte die Slowakei mit dem Überraschungssieg als zweites Team neben Paraguay das Achtelfinale.
Nachbetrachtung:
Der Weltmeister ist raus. Ohne Sieg und als Gruppenletzter verlassen die Azzurri Südafrika. Auch im letzten Spiel, bei dem sogar ein Remis für das Achtelfinale gereicht hätte, wurde eines wieder besonders deutlich: Italien schaffte es nicht, das Spiel aufzubauen und Ruhe in die eigenen Aktionen zu bringen. Hektik stand auch im entscheidenden Spiel an der Tagesordnung.
"Wenn sich eine Mannschaft in einem so wichtigen Spiel so gehemmt präsentiert, heißt das, dass der Trainer keine gute Arbeit geleistet hat", nahm Coach Lippi die Schuld für diese Verkrampftheit auf sich. Erst als das Team nach dem 0:2 und 1:3 mit dem Rücken zur Wand stand, deutete es an, zu was es in der Lage ist. Was jetzt auf Lippi zukommen wird, deutete sich bereits wenige Minuten nach Spielschluss an. "Das ist deine Schuld", titelte "Tuttosport".
Die Slowakei steht bei ihrer ersten WM-Teilnahme gleich im Achtelfinale. Hamsik auf seine Lieblingsposition hinter die Spitze(n) zu stellen, war der entscheidende Schachzug von Trainer Weiss. Dort kann der Napoli-Spielmacher in die Tiefe vorstoßen und seine Qualitäten am besten ausspielen. In der nächsten Runde geht es nun gegen die Niederlande. Um dort bestehen zu können, muss das Weiss-Team wieder so kompakt und bissig auftreten wie gegen die Azzurri. Kucka wird im defensiven Mittelfeld gegen Sneijder eine zentrale Rolle zukommen.
Reaktionen:
Trainer Vladimir Weiss (Slowakei): "Nach der Geburt meines Sohnes ist das der beste Tag in meinem Leben. Das ist so unglaublich. Alle Slowaken sind heute glücklich. Wir standen vor dem Spiel stark unter Druck, aber wir haben uns sehr gut vorbereitet."
Trainer Marcello Lippi (Italien): "Ich nehme die ganze Verantwortung auf mich. Es tut mir für alle Sportbegeisterten in Italien leid. Ich war davon überzeugt, dass diese Mannschaft ihre Ziele erreichen kann, habe es aber nicht geschafft, sie gut vorzubereiten. Ich hätte mir vieles erwartet, aber nicht so einen Auftritt wie in Halbzeit eins. Ich bin nicht davon ausgegangen, dass wir wieder Weltmeister werden, aber meine Arbeit mit dem Fußball-Verband auf diese Art und Weise beenden zu müssen, ist äußerst hart. Ich wünsche meinem Nachfolger alles Gute."
Robert Vittek (Slowakei): "Wir hatten unseren Rückflug von der WM eigentlich für Samstag gebucht. Jetzt müssen wir umbuchen."
Der SPOX-Spielfilm:
Vor dem Spiel: Italien stellt zum dritten Mal sein System um: Nach 4-2-3-1 und 4-4-2 starten die Azzurri heute im 4-3-3-System: Gattuso ersetzt Marchisio im Mittelfeld, Di Natale kommt für Gilardino in den Angriff.
Slowakei-Coach Weiss stellt seine Mannschaft auf vier gleich vier Positionen um: Zabavnik, Kucka, Stoch und Jendrisek spielen für Salata, Kozak, Weiss, und Sestak. Aus dem 4-4-2 wird ein 4-2-3-1.
25., 1:0, Vittek: Am eigenen 16er passt De Rossi in der Vorwärtsbewegung direkt in den Fuß von Kucka, der passt direkt in die Spitze zu Vittek, der aus 14 Metern im Fallen schießt - und trifft!
41.: Freistoß-Hereingabe von rechts durch Di Natale, Skrtel köpft beim Klärungsversuch den Ball beinahe ins eigene Netz.
67.: Pepe flankt von rechts, Mucha unterläuft den Ball, am langen Fünfereck steht Quagliarella und hält drauf. Skrtel klärt den Hammer auf der Linie stehend mit dem Unterkörper. War der Ball über der Linie? Schwer zu sagen. Schiri Webb entscheidet auf Weiterspielen.
73., 2:0, Vittek: Hamsik mit der harmlosen Ecke von rechts, aber der Ball wird von den Italienern genau zurück auf den Neapel-Star geköpft. Diesmal gibt er flach an das kurze Fünfer-Eck, Chiellini pennt - und Vittek haut den Ball abgeklärt ins Tor.
81., 2:1, Di Natale: Klasse Tor! Quagliarella mit Dampf in Slowakeis 16er, Pass auf Iaquinta, der mit der Hacke wunderbar zurück zu Quagliarella passt. Dessen Schuss aus elf Metern wird von Mucha gehalten, aber Di Natale bekommt den Abpraller und muss nur einschieben.
85.: Fast der Ausgleich. Haarscharf steht Quagliarella bei seinem Torschuss im Abseits. Jetzt ist es richtig hektisch.
89., 3:1, Kopunek: War's das? Kopunek überrumpelt nach einem Einwurf die komplette italienische Defensive und trifft mit einem Heber.
92., 3:2, Quagliarella: Wunderschöner Heber vom Joker. Aus 20 Metern, über Mucha hinweg in den linken Winkel. Was für ein verrücktes Spiel!
Fazit: Der Weltmeister ist ausgeschieden. Das Aufbäumen in den letzten Minuten war zu wenig.
Der Star des Spiels: Robert Vittek (SPOX-Note 2). Der Ex-Nürnberger war als einziger Stürmer der Slowaken viel unterwegs und beschäftigte dadurch Cannavaro und Chiellini. Kam seinen Mitspielern immer wieder entgegen und strahlte eine ungeheure Präsenz aus. Krönte seine Leistung mit zwei Treffern.
Die SPOX-User haben Vittek ebenfalls zum Man of the Match gewählt!
Die Gurke des Spiels: Daniele De Rossi (SPOX-Note 5). Der Römer spielte vor der Abwehr, fiel aber schon zu Beginn der Partie mit einigen Unkonzentriertheiten und unsauberen Zuspielen auf. Den Bock schoss De Rossi dann in Minute 25 ab: Sein Pass in die Füße von Kucka ermöglichte den Slowaken die Führung - der Anfang vom Ende.
Die Pfeife des Spiels: Howard Webb. Die Partie war von Beginn an ziemlich ruppig, viele kleine Fouls ließen wenig Spielfluss aufkommen. Der Engländer hatte die Partie aber immer im Griff. Sehr souveräne Spielleitung, vor allen Dingen in der turbulenten Schlussphase - nicht alltäglich bei dieser WM. Der Schuss von Quagliarella war wohl nicht ganz hinter der Linie, da lag das Schiedsrichtergespann richtig. Kurz vor Schluss stand der Napoli-Stürmer aber auf gleicher Höhe, der Treffer zum 2:2 hätte gegeben werden können.
Analyse: Italiens 4-3-3 zu Beginn war ein verkapptes 4-4-2, denn Pepe stand auf rechts viel tiefer als Di Natale auf links. Erst nach 20 Minuten wechselte Pepe auf links in die Sturmreihe. Die Azzurri offenbarten wie schon in den ersten zwei Partien große Mängel im Spielaufbau.
Viele einfache Fehler, auch bei technisch versierten Leuten wie Montolivo, prägten das Spiel der Italiener. Der Spielaufbau war einfach zu hektisch. Bezeichnend: Nach 38 Minuten hatte der Weltmeister noch keinen Schuss auf das Tor der Slowaken abgegeben.
Mit Quagliarella und Maggio brachte Lippi zu Beginn der zweiten Halbzeit zwei neue Leute, die Schwung in die müden italienischen Offensivbemühungen brachten. Besonders Quagliarella sorgte auf links für mächtig Alarm. Kurz darauf brachte Lippi mit Pirlo seinen letzten Joker (56.). Pirlo brachte zumindest etwas Struktur in das Spiel der Squadra Azzurra.
Ab diesem Zeitpunkt überbrückten beide Teams häufig schnell das Mittelfeld. Die Slowaken hatten Platz zum Kontern, die Italiener versuchten es häufig mit langen Bällen.
Nach dem 2:0 für die Slowaken schien die Partie entschieden, doch das 1:2 weckte bei den Azzurri ungeahnte Kräfte. Sogar nach dem 1:3 kamen sie nochmal zurück und erspielten sich mehr Chancen als in den kompletten Partien zuvor.
Tragischer Held war Quagliarella, der mit einem Traumtor das 2:3 erzielte. Die Italiener müssen sich die Frage gefallen lassen, wieso sie nicht vorher so Gas gegeben haben.
Slowakei - Italien: Daten zum Spiel