Die einzigen beiden Meistertitel des FC Portsmouth stehen in engem Zusammenhang mit dem zweiten Weltkrieg. Als wichtiger Militärstützpunkt zog die Hafenstadt fußballinteressierte Oberbefehlshaber genauso an wie talentierte Soldaten - nach der schwärzesten Zeit der Menschheitsgeschichte sorgten sie zusammen für die goldene Zeit des FC Portsmouth.
Die ganze Geschichte beginnt eigentlich mit einem Witz und der geht so: Welcher Klub verteidigte den FA Cup am längsten? Der FC Portsmouth, von 1939 bis 1946. Dazu muss man aber wissen: Zwischen dem 4:1-Finalsieg von Portsmouth gegen die Wolverhampton Wanderers 1939 und dem Beginn der Saison 1945/46 wurde der Wettbewerb wegen des zweiten Weltkriegs sechs Jahre lang nicht ausgespielt.
In dieser Zeit verteidigte Portsmouth den Pokal zwar nicht sportlich, dafür aber immerhin im wahrsten Sinne des Wortes. Während die Stadt von der deutschen Luftwaffe zerbombt wurde, wanderte der FA Cup im Untergrund von einem sicheren Ort zum nächsten. Mal wurde er in den Stadionkatakomben des Fratton Park versteckt, mal in Privathäusern von Vereinsmitarbeitern und zeitweise sogar im Pub "The Bird in Hand" im nahen Dorf Lovedean, wie dieser auf seiner Website stolz vermerkt.
Als der Krieg gegen Nazi-Deutschland dann schließlich gewonnen war, als die Bewohner auf die Straßen strömten und feierten, da holten sie den FA Cup heraus und stemmten ihn in die Luft wie damals im Wembley Stadium. Trotz des Krieges hatte Portsmouth seinen Pokal also immer noch - und gleichzeitig eine glorreiche Zukunft vor sich. Wegen des Krieges. Und das ist eine einmalige Geschichte.
Montgomery: Feldmarschall und Portsmouth-Ehrenpräsident
Die Stadt Portsmouth an der Südküste Englands ist seit jeher ein wichtiger Hafen. Ende des 15. Jahrhunderts wurde dort das erste Trockendock seit der Antike angelegt, später entwickelte sich Portsmouth zum größten Stützpunkt der britischen Marine Royal Navy. Während des zweiten Weltkriegs bauten sie hier Schlachtschiffe und am 6. Juni begann von Portsmouth aus die Invasion der Normandie. D-Day!
Vorwiegend englische und amerikanische Truppen überquerten den Ärmelkanal, gingen in der Normandie an Land, eroberten das von Nazi-Deutschland besetzte Frankreich zurück und gaben dem Krieg somit eine entscheidende Wendung zu Gunsten der Alliierten. Hinter diesem Plan stand unter anderem Feldmarschall Bernard Montgomery, der Oberbefehlshaber der britischen Truppen. Wenige Wochen nach der erfolgreichen Invasion bekam er einen zweiten Titel: Ehrenpräsident des FC Portsmouth.
Und das kam so: Für Beratungen weilte Montgomery vor der Invasion regelmäßig in Portsmouth, auf seinen Lieblingssport wollte der gebürtige Londoner auch dort nicht verzichten. "He liked his football", beschreibt es Colin Farmery, wie man im Englischen so schön sagt im Gespräch mit SPOX und Goal. "Und deshalb hat sich Montgomery eben für den Klub engagiert." Farmery ist Experte für die Geschichte des FC Portsmouth, außerdem schrieb er ein Buch über die erfolgreichste Zeit des Klubs.
gettyGute Spieler dank großer Militärstützpunkte
Genau wie der Oberbefehlshaber hatten damals auch Millionen andere Menschen kein permanentes festes Zuhause, natürlich auch die besten Fußballer des Landes. Sie gingen für das Militär dorthin, wo sie gerade gebraucht wurden - und der größte Bedarf bestand natürlich an den größten Stützpunkten. Der Oberbefehlshaber musste nach Portsmouth genau wie die gemeinen Soldaten.
Und auch sie wollten trotz des Krieges nicht auf ihren Lieblingssport verzichten, klar, und so bildeten sich in den Stützpunkten Fußballmannschaften, die zur Zerstreuung Hobbyturniere veranstalteten. Wer sich dort empfahl, wurde von den lokalen Profivereinen - die damals keine regulären Vertragsspieler hatten - als Gastspieler aufgenommen. Die Klubs konkurrierten lediglich in inoffiziell und unregelmäßig ausgetragenen regionalen Turnieren. Am erfolgreichsten waren dabei die Vereine mit großen Militär-Stützpunkten in der Gegend.
Etwa Portsmouth, das 1942 im sogenannten War Cup erst im Finale am FC Brentford scheiterte. Oder der FC Aldershot aus der gleichnamigen Stadt zwischen Portsmouth und London, die "Home of the British Army" gerufen wird. Vor und nach dem Krieg fristete der Klub ein trostloses Dasein, währenddessen aber galt er laut Farmery als einer der besten des Landes. Wohl nie war sein Spitzname passender: "The Shots".
Langfristig profitierte aber nur ein Verein von diesen Kriegs-Gastspielern: der FC Portsmouth.
Sechs vormalige Gastspieler für den FC Portsmouth
Zunächst ebenfalls ein relativ unbedeutender Klub, hatte sich Portsmouth bereits kurz vor dem zweiten Weltkrieg als Erstligist etabliert. Verantwortlich dafür waren Langzeittrainer Jack Tinn (ab 1927) und Chefscout Bob Jackson, der eine der besten Scoutingabteilungen des Landes aufbaute.
Anders als etwa Aldershot handelt es sich bei Portsmouth um eine Stadt von ausreichender Größe und wirtschaftlicher Wichtigkeit für hochklassigen Profifußball. Es gab genügend potenzielle Fans und vor allem genügend potenzielle Sponsoren - und somit verhältnismäßig große finanzielle Mittel. Diese Umstände ermöglichten Portsmouth eine schnelle Reaktion nach Kriegsende. "Sofort trat der Klub an die aus dem Krieg bewährtesten und besten Gastspieler heran und versuchte, sie permanent unter Vertrag zu nehmen", sagt Farmery. "Bei den meisten gelang das und so nutzte der Klub die Situation ideal aus."
Insgesamt sechs Spieler, die während des Kriegs in Portsmouth stationiert waren und als Gastspieler für Portsmouth aufliefen, nahm der Klub danach unter Vertrag. Sie alle entwickelten sich schnell zu Leistungsträger: die beiden Schotten Jimmy Scoular (Royal Navy) und Harry Ferrier (Army), Len Phillips aus London (Marines), Jack Froggatt aus Sheffield (Royal Air Force) sowie Jimmy Dickinson (Royal Navy) und Reg Flewin (Marines) aus der Gegend um Portsmouth.
Cultured football statt Kick'n'Rush
Untereinander kannten sie sich aus dem Militär zwar nicht, sie kannten aber die selben Werte und übertrugen sie auf ihre Mitspieler: Disziplin und Kameradschaft. Es entstand eine spezielle Bindung in der Mannschaft, verstärkt wurde sie durch den Umstand, dass alle Spieler in Gehdistanz zum Fratton Park wohnten. Die Fans identifizierten sich von Beginn an mit der Mannschaft und strömten ins Stadion.
In der ersten Saison nach dem Krieg 1946/47 wurde Portsmouth zwar nur Zwölfter, das Talent der Mannschaft schien aber schon durch. Sie spielte keinen damals so beliebten Kick'n'Rush, stattdessen "cultured football", wie es Farmery nennt. Kultivierten Fußball.
Da war etwa das Mittelfeldtrio aus der präzisen Passmaschine Dickinson, dem dauerlaufenden Scoular und dem hart schießenden Froggatt. Davor Philipps, der Mann für die genialen Momente. "Ein Fußballartist, ein Spielmacher mit prächtiger Ballbehandlung und verblüffender List", schrieb der Independent in seinem Nachruf auf Philipps. Und da war noch der so wendige wie torgefährliche Flügelstürmer Peter Harris, mit 211 Toren bis heute Rekordtorschütze des Klubs. Sie alle spielten auch für ihre jeweiligen Nationalmannschaften.
Zwei Meistertitel und ein neues Outfit
Im Sommer 1947 übernahm der vormalige Chefscout Jackson den Trainerposten von Tinn, der den Verein verließ. Eine Neuerung gab es aber nicht nur auf der Bank, sondern auch im Kleiderschrank: statt wie bisher mit schwarzen Stutzen, spielte Portsmouth auf Vorschlag von Ehrenpräsident Montgomery fortan mit den bis heute verwendeten roten. Rot ist die Farbe, mit der in England den im zweiten Weltkrieg gefallenen Soldaten gedacht wird. Keinem Verein steht diese Symbolik besser als dem FC Portsmouth.
Mit neuem Trainer und Outfit wurde Portsmouth zunächst Achter und 1949 schließlich erstmals Meister - mit Unterstützung des Ehrenpräsidenten. "Montgomery besuchte einige Spiele im Stadion. Wenn er verhindert war, stand er im regen Briefaustausch mit den Vereinsverantwortlichen", sagt Farmery. "Nach dem letzten Spieltag überreichte er der Mannschaft im Stadion die Meisterschaftstrophäe."
Beinahe gelang Portsmouth in der Saison 1948/49 als erstem englischen Verein des Jahrhunderts sogar der Doublegewinn. Unter anderem nach einem Heimsieg gegen Derby County vor der bis heute gültigen Rekordkulisse von 51.385 Fans im Fratton Park scheiterte Portsmouth erst im FA-Cup-Halbfinale an Leicester City. In der darauffolgenden Saison verteidigte der Klub immerhin den Meistertitel, Portsmouths zweiter und bis heute letzter Triumph.
Oberbefehlshaber und Soldaten, Ehrenpräsident und Spieler
Es war die goldene Zeit der Vereinsgeschichte, die der Klub der schwärzesten Zeit der Menschheitsgeschichte zu verdanken hatte. Wenige Jahre nachdem Oberbefehlshaber Montgomery mit den Soldaten Scoular, Ferrier, Phillips, Froggatt, Dickinson und Flewin den Sieg über Nazi-Deutschland gefeiert hatte, feierte Portsmouth-Ehrenpräsident Montgomery mit den Spielern Scoular, Ferrier, Phillips, Froggatt, Dickinson und Flewin zwei Siege im wichtigsten Fußballwettbewerb des Landes.
Wie zuvor das Schlechte ging aber auch das Gute irgendwann vorbei: in den folgenden Spielzeiten entfernte sich Portsmouth immer weiter von der Spitze, stieg 1959 schließlich in die zweite Liga ab und kurz darauf gar in die dritte. Während die zerbombte Stadt wiederaufgebaut wurde, versank ihr Verein in der Bedeutungslosigkeit.