Seit anderthalb Jahren spielt Willi Orban bei RB Leipzig. Mittlerweile ist der ehemalige Kaiserslauterer Leistungsträger und immer häufiger auch Kapitän des Aufsteigers. Im Interview spricht der 24-Jährige über das Verhältnis zu Ralf Rangnick, Anfeindungen von Zuschauern, die Zielsetzung und das Topspiel gegen Bayern München (Mittwoch, ab 20 Uhr im LIVETICKER).
SPOX: Herr Orban, Sie haben nach Ihrem Wechsel vom 1. FC Kaiserslautern zu RB Leipzig betont, wie wichtig die Rolle von Ralf Rangnick für Ihre Entscheidung war. Damals war er Trainer, mittlerweile ist er wieder Sportdirektor. Wie viel Bezug haben Sie im heutigen Alltag noch zu Rangnick?
Willi Orban: Es ist tatsächlich so, dass Ralf Rangnick damals für mich einer der wichtigsten Gründe war. Momentan ist er aufgrund seiner Rolle als Sportdirektor logischerweise nicht mehr so nah an der Mannschaft wie letzte Saison, als er noch unser Trainer war. Er nimmt weiterhin regelmäßig Kontakt zu uns Spielern auf. Dennoch lässt er dem Trainer bei sportlichen Entscheidungen und den Details um das Training und die Spiele herum völlig freie Hand.
SPOX: Wie besonders ist Ihr persönliches Verhältnis zu ihm?
Orban: Letzte Saison war er für mich die wichtigste Bezugsperson im Verein. Er nimmt jetzt zwar eine andere Position ein, aber er ist ein wichtiger Ansprechpartner für mich geblieben. Er hat sich damals in den Gesprächen mit mir sehr dafür eingesetzt, dass ich nach Leipzig komme und mir die Visionen des Klubs aufgezeigt. Er steht jederzeit bereit, wenn wir Spieler Fragen haben - egal, worum es geht. Auch bei fußballfernen Themen weiß er immer einen Rat.
SPOX: Wenngleich auf der Trainerbank mit Ralph Hasenhüttl nun ein anderer sitzt, ist Rangnick der Spiritus Rector des Vereins, der die Leitlinie vorgibt und nichts dem Zufall überlässt. Wie sehr haben Sie Ihren Lebensstil umstellen müssen?
Orban: Eine Umstellung war es für mich nicht wirklich, da ich bereits vorher versucht habe, alles dem Sport unterzuordnen. Aus meiner Sicht ist es meine Verantwortung, alles dafür zu tun, meine optimale Leistung zu bringen und der bestmögliche Willi Orban zu sein. Die Voraussetzungen, die wir hier haben, waren für mich auch ein wichtiges Argument für den Wechsel. Die bei RB Leipzig vorhandenen Möglichkeiten sind schon außergewöhnlich. Das Trainingszentrum und die Strukturen sind einmalig. Da habe ich gesagt: Super, das ist genau das, was Du als Sportler haben willst und brauchst, um dich weiterzuentwickeln.
SPOX: Aber haben Sie beispielsweise Ihre Ernährung oder Ihren Schlafrhythmus an die Anforderungen in Leipzig anpassen müssen?
Orban: Nicht gravierend. Ich habe immer auf meine Ernährung und einen geregelten Schlaf geachtet. Aber es stimmt, dass wir hier auch Nahrungsmittelunverträglichkeitstests gemacht haben.
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SPOX: Was kam dabei heraus?
Orban: Die Erkenntnisse haben dazu geführt, dass ich auf einiges jetzt noch detaillierter achten und auf manche Dinge verzichten werde. Vielleicht sind genau das die paar Prozente, die einem dann einen Vorteil im Wettkampf verschaffen.
SPOX: Welche Dinge sind das, auf die Sie in Ihrer Ernährung künftig verzichten werden?
Orban: Ich vertrage beispielsweise Milchprodukte oder Ananas nicht so optimal. Darauf versuche ich jetzt grundlegend zu verzichten. Ab und zu ist es aber schon so, dass man sich auch mal etwas gönnt. (lacht)
SPOX: Sie haben gesagt, Sie seien überzeugt davon, sich unter den Voraussetzungen weiterentwickeln zu können. Wie würden Sie selbst Ihre persönliche Entwicklung in den letzten anderthalb Jahren beschreiben?
Orban: Absolut positiv. Es ist immer sehr schwierig, sich selbst zu beurteilen. Aber ich würde auf jeden Fall sagen, dass ich sportlich in den letzten Monaten noch einmal einen riesigen Schritt gemacht habe. Und auch für meine Persönlichkeit war der Wechsel nach Leipzig die optimale Entscheidung. Ich bin auf einem guten Weg, aber ich bin hungrig und will mich weiter verbessern.
SPOX: Wo sehen Sie denn Ihre größten Verbesserungspotenziale?
Orban: Es gibt da keinen speziellen Bereich. Im Endeffekt geht es immer darum, an seinem kompletten Spiel zu arbeiten.
SPOX: Zuletzt haben Sie die Mannschaft immer häufiger als Kapitän aufs Feld geführt, da Dominik Kaiser keinen festen Stammplatz hat. Was sagt es über den Verein RB Leipzig aus, dass ein 24-Jähriger bereits so einen hohen Stellenwert hat?
Orban: Ich denke, dass ich da schon ein Stück weit eine Führungs-Qualität mitbringe. Beim 1. FC Kaiserslautern war ich mit 21 Jahren auch Kapitän...
SPOX: Aber da waren die Voraussetzungen auch etwas anders, da Sie als Spieler aus dem eigenen Stall eine Identifikationsfigur waren.
Orban: Da haben Sie Recht. Es ist auf jeden Fall ein Zeichen von RB Leipzig, wenn man einem 24 Jahre alten Spieler die Binde anvertraut. Das zeigt, dass man auf junge Spieler setzt und mit ihnen erfolgreich sein will. Da wird auch bei Neuverpflichtungen verstärkt drauf geachtet, wie man im Sommer ja auch wieder gesehen hat. Das ist ein interessanter, guter und meines Erachtens auch sehr sinnvoller Weg. Leipzig ist ein attraktiver, junger und dynamischer Verein und es ist spannend und ein schönes Gefühl, an der Entwicklung hier mitzuwirken und Teil davon zu sein.
SPOX: Sie haben Ihren ehemaligen Verein angesprochen. Beim FCK waren Sie Kapitän und Publikumsliebling. Als Sie sich dazu entschieden, den Klub in Richtung Leipzig zu verlassen, gab es zunächst in den sozialen Medien Anfeindungen. Bei Ihrer Rückkehr nach Kaiserslautern im April ereigneten sich auch geschmacklose Fanproteste gegen Sie. Werfen diese Vorfälle im Nachhinein ein anderes Licht auf die Zeit in Kaiserslautern?
Orban: Nein, überhaupt nicht. Mir war bei meiner Entscheidung damals auch bewusst, dass es vereinzelt Kritik geben würde. Wobei mich die Mehrheit zu diesem Wechsel beglückwünscht hat. Kritik gehört mit dazu - egal, was Du machst. Der Fußball lebt auch in gewissem Maße von diesen Emotionen. Ich wusste, wie ich damit umzugehen und das einzuordnen habe. Vielleicht sind auch einige dabei, die meinen Schritt mittlerweile verstanden haben oder zumindest besser nachvollziehen können.
SPOX: Sie haben nicht nur persönlich, sondern als Teil von RB Leipzig auch kollektiv bereits viele Beschimpfungen von gegnerischen Fans erleben müssen. Zuletzt ist Ihr Mannschaftsbus in Leverkusen mit Farbbeuteln beworfen worden.
Orban: Als wir mit Kaiserslautern nach Karlsruhe gefahren sind, mussten wir auch einmal eine halbe Stunde auf einem Lidl-Parkplatz warten, bis die Ultras uns Platz gemacht haben. Diese Aktionen von Ultras und verschwindend geringen Minderheiten kommen im Fußball leider Gottes immer mal wieder vor. Wenn Leipzig irgendwo anreist und der Bus mit Farbbeuteln beworfen wird, ist das halt präsenter in den Medien als bei Vorfällen, die alle anderen Vereine auch kennen. Insgesamt werden wir aber auch bundesweit mehr akzeptiert und für den Weg, den wir gehen, respektiert.
SPOX: Was macht das mit einem Spieler?
Orban: Auf mich persönlich hat das keine Wirkung. Ich versuche, mich auf das Spiel zu fokussieren und meine Leistung zu bringen. Aber insgesamt würde ich sagen, dass es uns als Mannschaft auszeichnet, solche Nebengeräusche eher in positive Energie umzuwandeln. Wir versuchen immer, die richtige Antwort auf dem Platz zu geben.
SPOX: Kann bleibender Erfolg die landläufige Einstellung gegenüber dem Verein verändern? Oder hat sich sogar schon etwas in dieser Hinsicht getan?
Orban: Es fühlt sich auf jeden Fall so an, dass wir immer mehr Anerkennung und Akzeptanz bekommen, auch weil die Menschen von unserem Auftreten, unseren positiven Vereinsattributen sowie von dem schönen und attraktiven Fußball begeistert sind. Und man muss auch ganz klar sagen, dass diejenigen, die durch negative Aktionen auffallen, in der Minderheit sind und sich dadurch eine Plattform schaffen wollen. spox
SPOX: Neben Ralf Rangnick ist in der laufenden Saison der neue Trainer Ralph Hasenhüttl ein Vater des angesprochenen schönen Fußballs und des Erfolgs. Wie erleben Sie ihn im täglichen Umgang? Was zeichnet ihn besonders aus?
Orban: Er passt mit seiner Idee vom Fußball einfach optimal hierher. Schon in seinen ehemaligen Vereinen hat er taktisch sehr ähnlich spielen lassen. Gerade bei Ingolstadt war das Pressing auf einem enorm hohen Niveau. Diese Spielweise passt sehr gut zu uns. Da hat er uns noch einmal einen Feinschliff gegeben. Außerdem funktioniert es auch auf der menschlichen Ebene super. Er schafft es perfekt die Balance zwischen harter, schonungsloser Kritik und konzentriertem Arbeiten auf der einen sowie Lockerheit und Spaß auf der anderen Seite zu wahren.
SPOX: Sie sprechen von den taktischen Qualitäten Ihres Trainers. Die sind im Verlauf dieser Saison mehr und mehr gefragt gewesen. Durch Ihren erfolgreichen Saisonverlauf gehen Sie nämlich immer häufiger als Favorit auf den Platz und Ihre Gegner spielen defensiver gegen Sie.
Orban: Grundsätzlich ist es immer taktisch anspruchsvoll in der Bundesliga, weil man gegen viele Mannschaften mit einer sehr unterschiedlichen Spielweise antritt. Klar gibt es mittlerweile auch einige Mannschaften, die sich nach unserem bisherigen positiven Saisonverlauf gegen uns als Underdog sehen und von vornherein versuchen, mit weniger Ballbesitz oder defensiver zu spielen. Aber wir haben schon häufig bewiesen, dass wir den verschiedenen Herausforderungen gewachsen sind. Nicht nur unsere Gegner spielen unterschiedlich. Auch wir haben meistens neue Lösungen, um gegen unseren Gegner punkten können.
SPOX: Ein großes Thema in der Öffentlichkeit war kürzlich die Schwalbe von Timo Werner im Spiel gegen den FC Schalke 04. Werner selbst hat im Nachhinein in den sozialen Medien Humor bewiesen und den Postillon-Artikel zu der Schwalbe geteilt. Wie ist die Mannschaft damit umgegangen?
Orban: Im Mannschaftskreis war das kein großes Thema. Und im Endeffekt hat er sich ja auch direkt danach entschuldigt. Damit war das für uns abgehakt. Wir haben sofort den Fokus auf das nächste Spiel gelegt.
SPOX: Gab es kleine Sticheleien? Wurde er in der Kabine im Spaß damit aufgezogen?
Orban: Nein, überhaupt nicht.
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SPOX: Zum Abschluss des erfolgreichen Jahres mit dem Aufstieg und der starken Bundesliga-Hinrunde gastieren Sie am Mittwoch in der Allianz Arena beim FC Bayern zum Topspiel. Wie sehr freuen Sie sich darauf, die Favoritenrolle mal wieder wegschieben zu können?
Orban: Zunächst einmal sind wir Aufsteiger und gehen nie mit dem Gefühl ins Spiel, Favorit zu sein. Das ist aber auf jeden Fall noch einmal ein echtes Highlight vor den Feiertagen. Und wenn es dann auch noch von der Tabellensituation so ein Topspiel ist, ist man umso heißer.
SPOX: Was glauben Sie, wie lange der Verein das Understatement noch aufrechterhalten wird? Vom Ziel Klassenerhalt sprechen Sie nicht in der Kabine, oder?
Orban: Das wurde so explizit in diesen Worten vor der Saison ja auch nicht ausgegeben. Es hieß, dass wir eine sorgenfreie Saison spielen wollen. Und die Sorgenfrei-Skala ist nach oben offen. Unser Ziel ist es in jedem Spiel, in den 90 Minuten die bessere Mannschaft zu sein. Ein höheres Ziel kannst Du Dir ja im Grunde gar nicht setzen. Mit diesem Weg und dieser Denkweise sind wir bislang gut gefahren.
SPOX: Ralf Rangnick hat kürzlich gesagt, wenn die Entwicklung der Mannschaft so weitergehe, werde man bald auch den einen oder anderen Spieler in der Nationalmannschaft sehen. Wie sehen Sie Ihre Chancen auf das DFB-Team?
Orban: Das ist schwierig zu sagen. Ich habe die Option, für Deutschland, Polen oder Ungarn zu spielen. Aber ich habe keinen großen Einfluss darauf, ob ich tatsächlich eingeladen werde. Ich kann nur Woche für Woche gute Leistungen zeigen. Falls dann ein Verband Interesse an mir hat, wird man eine Entscheidung treffen.
SPOX: Haben Sie sich selbst eine Deadline gesetzt, bis wann Sie sich für einen der drei Verbände entscheiden möchten?
Orban: Nein, die gibt es nicht.
SPOX: Im Duell gegen den FC Bayern treffen Sie auf die deutschen Stamm-Innenverteidiger Jerome Boateng und Mats Hummels. Was können Sie sich von den beiden abschauen? Welche anderen Idole haben Sie?
Orban: Von Idolen möchte ich weniger sprechen. Aber natürlich schaut man auf Weltklasseverteidiger wie Sergio Ramos, Boateng oder Hummels und versucht, genau zu beobachten, was man noch lernen kann. Vor allem Boatengs Entwicklung ist beeindruckend. Von seinen Anfängen als Bundesligaspieler hat er sich bis hin zum Weltklasseverteidiger bei den großen internationalen Turnieren und zum Führungsspieler in der Nationalmannschaft entwickelt. Deswegen habe ich großen Respekt vor seiner bisherigen Karriere.
Willi Orban im Steckbrief