"Modeste ist doch keine 40 Millionen wert"

Jochen Tittmar
27. März 201717:06
Zvjezdan Misimovic spielte von 2008 bis 2010 beim VfL Wolfsburg und wurde dort Deutscher Meistergetty
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Nach 157 Bundesligaspielen und mehreren Stationen im Ausland beendete Zvjezdan Misimovic, 2009 sensationell Deutscher Meister mit dem VfL Wolfsburg, vor eineinhalb Jahren seine Karriere als Profi. Im Interview spricht der 34-Jährige über seinen Beinahe-Wechsel zum FC Schalke 04, die Probleme mit Gheorghe Hagi bei Galatasaray in Istanbul, seinen doppelten Schlussstrich unter den Fußball - und erzählt ausführlich Anekdoten zu seiner Zeit in China.

SPOX: Herr Misimovic, in der Saison 2008/2009 haben Sie Ihren Zenit erreicht, als Sie mit dem VfL Wolfsburg überraschend deutscher Meister wurden und mit 20 Torvorlagen einen neuen Rekord aufstellten. Anschließend spielten Sie noch für Galatasaray, Dynamo Moskau und Beijing Renhe in China. Dabei waren Sie schon so gut wie auf Schalke.

Zvjezdan Misimovic: Das stimmt. Ich hatte damals als VfL-Spieler Kontakte zu Atletico Madrid, Florenz, Everton, Galatasaray und Schalke. Unser Manager Dieter Hoeneß hatte mir versprochen, gehen zu können, wenn er adäquaten Ersatz findet. Er hat sich bei Transfers immer sehr viel Zeit gelassen, so dass ich mich auf ein Geduldsspiel einlassen musste. Das war ein Problem, denn nicht alle Vereine wollten bis zum letzten Tag warten. Am Ende sind nur noch Galatasaray und Schalke mit meinem Ex-Trainer Felix Magath übrig geblieben.

SPOX: Woran ist der Wechsel zu S04 letztlich gescheitert?

Zvjezdan Misimovic schaute im SPOX-Büro in Unterföhring vorbei und unterhielt sich mit Redakteur Jochen Tittmarspox

Misimovic: Ich hatte für Wolfsburg noch ein Saisonspiel bestritten und bekam dann kurz vor Schließung des Transferfensters endlich den entscheidenden Anruf. Also bin ich nach Gelsenkirchen gefahren. Es war eigentlich klar abgesprochen, dass Jermaine Jones nach Wolfsburg wechselt und Schalke für mich noch ein, zwei Millionen oben drauflegt. Ich war schon auf dem Trainingsgelände, als mich Dieter Hoeneß anrief und die Sache abblies - weil er plötzlich doch nicht die Konkurrenz stärken wollte. Magath und Hoeneß mögen sich nicht besonders, das waren meine einzigen Indizien. Ansonsten weiß ich bis heute nicht, weshalb auf einmal alles anders war.

SPOX: Sie hätten auch Ihren Vertrag in Wolfsburg aussitzen können. Andererseits hatte der VfL Diego geholt, es hätte Ihnen eine Saison auf der Bank gedroht.

Misimovic: Das wollte ich natürlich nicht. Ich musste mich schnell entscheiden, denn der Schalke-Wechsel platzte am letzten Tag der Transferperiode. Der Manager von Galatasaray weilte ohnehin schon zwei Wochen lang im Ritz-Carlton in Wolfsburg und meinte, er dürfe nicht ohne mich zurückkommen. (lacht) So haben wir also Galatasaray informiert und sind per Charterflug nach Istanbul geflogen, damit noch alles rechtzeitig erledigt werden konnte.

SPOX: In Istanbul lief es dann allerdings überhaupt nicht für den Klub und Sie. Unter Frank Rijkaard schied man in der Europa-League-Qualifikation aus, nach acht Spieltagen stand dann Gheorghe Hagi an der Seitenlinie. Der ließ Sie aber nicht wie gewohnt im Zentrum, sondern auf dem linken Flügel spielen.

Misimovic: Ich kannte diese Position von meiner Zeit in Nürnberg. Ich hatte trotzdem das Gespräch mit ihm gesucht, da ich zuvor im Zentrum so erfolgreich in Wolfsburg gespielt habe. Das hat aber nichts gebracht - und auf einmal war ich dann suspendiert.

SPOX: Wie kam's?

Misimovic: Der Manager hatte mir das nach einer Länderspielreise mitgeteilt. Es hieß, ich würde Kaugummi kauen, es locker angehen lassen und zu häufig lachen. Er meinte, ich solle deshalb zum Trainer gehen und mich entschuldigen. Aber wofür denn? Hagi hatte einfach keine Eier, um mir die Sache ins Gesicht zu sagen. Es dann über Dritte zu tun, empfand ich als sehr enttäuschend.

SPOX: Kennen Sie mittlerweile den wahren Grund für die Suspendierung?

Misimovic: Da aufgrund unserer schwachen Saison eine Teilnahme an einem europäischen Wettbewerb im folgenden Jahr aussichtslos war, hieß es offiziell, ich würde zu viel verdienen. Ich musste dann zwei Monate lang Einzeltraining absolvieren. Das war sehr bedrückend. Im Winter kamen dann zwei, drei rumänische Spieler, die denselben Berater wie Hagi hatten. In Moskau vervollständigte sich dann das Bild.

SPOX: Nach nur sechs Monaten heuerten Sie bei Dynamo Moskau an, Kevin Kuranyi war Ihr Mitspieler. Zunächst: Wieso Russland und warum keine Rückkehr nach Deutschland?

Misimovic: Das war etwas kurios: Die Ablöse für mich musste Galatasaray in Raten zahlen. Die zweite Rate wäre im März fällig gewesen. Zahlt Gala diese Rate nicht, hätte ich zurück nach Wolfsburg gehen müssen. Das haben sie dann aber doch noch rechtzeitig getan. Da ich aber für Wolfsburg bereits ein Pflichtspiel in dieser Saison absolviert hatte und für Gala eben auch, konnte ich nur in ein Land wechseln, das nach dem Kalenderjahr spielt. Ich hätte also bis zum Sommer nicht spielen und dann wieder zum VfL gehen können oder das lukrative Angebot aus Russland annehmen.

SPOX: Und was passierte in Moskau nun mit dem Thema Hagi?

Misimovic: In meinem letzten halben Jahr wurde Dan Petrescu unser Trainer. Wir haben kurz nach seiner Verpflichtung beim VfB Stuttgart die Europa-League-Qualifikation gespielt. Am Vortag während des Abschlusstrainings nahm mich Petrescu zur Seite und wollte wissen, weshalb ich damals angeblich so schlecht über Hagi geredet habe. Ich sagte ihm, dass er mir die damalige Entscheidung ins Gesicht hätte sagen sollen und es kein guter Stil von ihm war. Am nächsten Tag wurde ich nach 38 Minuten beim Stand von 0:0 ausgewechselt. Anschließend war ich unter ihm so gut wie abgemeldet. Und dann habe ich erfahren, dass Petrescu der Trauzeuge von Hagi ist. (lacht) So geht es im Fußball manchmal eben zu.

SPOX: Insgesamt spielten Sie knapp zwei Jahre für Dynamo. Dann ging es Anfang 2013 nach China, wo Sie Ende Oktober 2015 Ihre Karriere schließlich beendeten. Können Sie sich noch erinnern, wo Sie zum ersten Mal von dieser Offerte hörten?

Misimovic: Ja, ich war mit meiner Familie im Disneyland in Paris. Es war Heiligabend 2012 und alles musste offenbar ganz schnell gehen. Deshalb musste ich dringend nach Sarajevo, um ein Visum zu beantragen. Das ging aber nur dienstags und Heiligabend war Montag. Die Flugverbindung an Heiligabend war sehr bescheiden. Man hat uns letztlich einen Charterflug organisiert und dann bin ich noch am selben Tag von Paris direkt nach Sarajevo geflogen, der Urlaub wurde gecancelt. Das ging leider nicht anders. Es kam aber noch dicker.

SPOX: Weshalb? SPOXspox

Misimovic: Den Flughafen Sarajevo kann man aufgrund der bergigen Umgebung nur von einer Seite aus anfliegen. Es war jedoch sehr neblig, so dass das Flugzeug nicht landen konnte und nach Belgrad flog. Von dort sind wir dann fünf, sechs Stunden mit dem Auto nach Sarajevo gedüst, damit das Visum rechtzeitig beantragt werden konnte. Ein vogelwilder Trip, aber meine Frau und die damals noch zwei Kinder waren dabei, so dass wir das auch niemals vergessen werden.

SPOX: Hand aufs Herz: Hätte Sie Fußball in China abgeschreckt, wenn es finanziell nicht so attraktiv gewesen wäre?

Misimovic: Das schließe ich nicht aus. Ursprünglich war mein Plan, nach Moskau wieder in die Bundesliga zurückzukehren. Es gab auch schon Kontakte mit einzelnen Vereinen. Dann aber kam die Offerte aus China und da muss man ehrlich sein: Das ist nicht vergleichbar mit den Gehältern, die ich bislang in meiner Karriere bezogen habe.

SPOX: Wie hat sich denn Ihr Chinesisch entwickelt in der Zeit?

Misimovic: Uns wurde ein Dolmetscher gestellt. Chinesisch ist eine teuflisch schwere Sprache. Im Grunde verständigten wir uns immer mit Händen und Füßen. In den ersten zweieinhalb Jahren in Guiyang hat zudem die gesamte Mannschaft im Hotel gelebt. Die Familien der chinesischen Spieler wohnten meist verstreut im ganzen Land in ihren Geburtsstädten. Durch den Zimmerservice im Hotel bestand nicht die große Notwendigkeit, zum Bäcker zu gehen und dort mit ein paar Vokabeln zu glänzen. Am schnellsten habe ich das Wort für 'Starbucks' gelernt. Egal in welcher Stadt wir mit der Mannschaft waren, den Laden haben wir eigentlich immer als erstes angesteuert.

SPOX: Sie lebten in China im Hotel, Ihre Frau mit den Kindern in München. Dass die Familie mitkommt kam nicht in Frage?

Misimovic: Grundsätzlich schon, doch es gab in Guiyang keine internationale Schule. Das war eine neue und keine besonders tolle Erfahrung für mich. Mir tat es weh, wenn ich nicht zur Einschulung oder den Geburtstagen kommen konnte und meine Frau das alles alleine regeln musste. In Istanbul und Moskau waren wir alle jeweils zusammen. Da aber ohnehin klar war, dass wir wieder in unsere Geburtsstadt München zurückkehren werden, haben sie dort auf mich gewartet.

SPOX: Sie sagten, es gab daher auch mal Phasen, in denen Sie am liebsten alles hingeschmissen hätten.

Misimovic: Klar. Gerade im ersten Jahr war vieles schwierig. Da dachte ich einige Male: Was mache ich eigentlich hier? Zwischen China und Deutschland liegen einfach Welten. Das ist kein revolutionärer Satz, aber man muss es erlebt haben, damit man es richtig einschätzen kann. Die Familie hat mir gefehlt. Ein Beispiel: Meine Frau und mein bester Freund wollten mich zum chinesischen Neujahr Mitte Februar besuchen. Da wir aber kurz zuvor erfreulicherweise erfahren haben, dass sie schwanger ist, durfte sie nicht fliegen. Da ich ständig mit dem Fußball unterwegs war, konnten wir uns in dieser Zeit nur dann sehen, wenn ich bei der bosnischen Nationalelf und damit halbwegs in ihrer Nähe war.

SPOX: Wie haben Sie dort Ihre Freizeit verbracht?

Misimovic: Guiyang ist eine Stadt im Umbruch, die auf 1000 Metern liegt. Es wird viel gebaut, aber es war nur wenig fertig gestellt. Es war nicht viel geboten. Ich war viel im Hotel, hatte aber das Glück, dass mit Zlatan Muslimovic und später Sejad Salihovic zwei bosnische Spieler im Verein waren. Das hat vieles im Alltag erleichtert.

SPOX: Was war die erste dicke Überraschung für Sie vor Ort?

Misimovic: Eine Geschichte habe ich bereits mal erzählt: Gleich im ersten Freundschaftsspiel hat sich unser Trainer selbst aufgestellt und neben mir im Mittelfeld gekickt. Das war schon der Wahnsinn. Relativ schnell fallen einem auch die Essensgewohnheiten auf, dazu unterscheidet sich das Essen fundamental von dem in chinesischen Restaurants in Deutschland. Ungewohnt war auch, dass man sich um das Waschen der Trainingsklamotten und das Putzen der Schuhe selbst kümmern musste.

SPOX: In Europa wird oft die fehlende Eigenständigkeit der Profis bemängelt...

Misimovic: Ich hatte kein Problem damit, aber das hatte ich eben zuletzt in der Jugend machen müssen. (lacht) An sich ist das nichts Schlechtes, auch wenn ich glaube, dass es für den überwiegenden Teil der Bundesligaspieler ein Problem darstellen würde. Die würden staunen, wenn sie sich selbst am Amt anmelden oder das Auto ummelden müssten.

SPOX: Was hat Sie in Ihrem Alltag als Profi sonst noch besonders verwundert?

Misimovic: Die medizinische Abteilung ist gewöhnungsbedürftig. Die Teams sind nicht besonders groß und sie glauben eben an ihre Methoden wie zum Beispiel Akupunktur. Das ist aber nicht bei jeder Verletzung hilfreich, es fehlt einfach ein breites Fachwissen. Auch die Ernährung ist katastrophal, mit Sportlernahrung hat das nichts zu tun. Die haben von klein auf ihre Essgewohnheiten und sind auch als Sportler nicht bereit, diese zu ändern oder wenigstens zu optimieren. Als Alberto Zaccheroni zu Beijing Guoan kam, brachte er einen Ernährungsberater mit. Seine angestrebten Veränderungen haben sich aber nicht wirklich durchsetzen können, das wurde vielmehr boykottiert. (lacht)

SPOX: Wie ernährt sich denn der chinesische Fußballprofi?

Misimovic: Es gibt gerade bei Auswärtsspielen das normale Hotelbuffet, bei dem sich auch sonstige Gäste bedienen. Da kann dann jeder unbeobachtet zuschlagen, wie er möchte. Da sind schon einige Kuchen und Coca Cola über die Tische gewandert. Oftmals hatten wir bedingt durch Unwetter auch Verspätungen bei den Auswärtsreisen und kamen erst nachts am Spielort an. Dort wartete dann ein Vereinsvertreter mit McDonalds-Tüten in der Hand und hat uns abgeholt. Es wurden also die Burger im Bus verspeist und so fuhren wir ins Hotel.

SPOX: Wie sah grundsätzlich die Spielvorbereitung aus?

Misimovic: Man reist normalerweise zwei Tage vor dem Spiel an. Gerade auswärts absolviert man das Abschlusstraining im Stadion. Ich habe öfter erlebt, dass es in den Kabinen kein warmes Wasser gab. Da stand man dann unter der Dusche und es war eiskalt. Einige chinesische Spieler haben sich auch schon im Hotel umgezogen und saßen in kompletter Montur im Bus. Ich kann mich noch an mein erstes Auswärtsspiel erinnern, das ging zur asiatischen Champions League nach Australien. Wir saßen neun Stunden im Flugzeug, klassischer Linienflug. Das war natürlich alles andere als optimal. Ich habe dann eingeführt, dass wir in die Business Class kommen. Den Aufpreis mussten wir aber selbst zahlen.

SPOX: Ein Zitat von Ihnen geht so: "In den Kabinen hatte jeder Spieler einen eigenen Spucknapf - das Rotzen ist in China normal."

Misimovic: Dieses Verhalten sieht man auch auf der Straße. Die Chinesen ziehen gerne die Nase hoch und spucken es aus. Das ist dort völlig normal. Ich selbst habe mir aber keinen Spucknapf gegönnt, so weit ging's dann doch nicht. (lacht)

SPOX: China hat in den zurückliegenden Monaten surreale Summen in die Hand genommen, um seine Liga und den Fußball im Land voran zu bringen. Für Kölns Anthony Modeste wurden kürzlich 40 Millionen Euro Ablöse geboten. Wie stehen Sie zu dieser Offensive?

Misimovic: Mir wird ein viel zu großer Hype darum gemacht. Gefühlt hat jeder zweite Profi aus den europäischen Top-5-Ligen ein Angebot aus China erhalten und dann doch abgesagt. Es dürfen pro Verein aber sowieso nur wenige Ausländer im Kader stehen. Die Preise sind natürlich übertrieben, denn ein Modeste ist doch keine 40 Millionen Euro wert. Auch mittelmäßige chinesische Spieler wechseln für 20 Millionen den Verein, in Deutschland würden die keine 300.000 Euro kosten. Es befindet sich alles im Aufbau, der Nachholbedarf ist riesig. Es gibt dort keine Nachwuchsarbeit, jetzt erst werden die ersten Fußballschulen gebaut. Fußball ist mittlerweile auch Schulfach. Es wird noch einige Jahre dauern, bis man die ersten kleinen Früchte ernten kann.

SPOX: Sie haben damals in Russland eine ähnliche Entwicklung miterlebt, die sich längst wieder beruhigt hat. Könnte das auch in China passieren oder nimmt man das dort ernster?

Misimovic: Nein, das könnte in der Tat ähnlich laufen wie damals in Russland. Die chinesischen Klubs gehören meist Oligarchen, die mit ihren riesigen Investitionen dem fußballverrückten Staatspräsidenten Xi Jinping gefallen wollen - und natürlich auf dicke Rendite hoffen. Wenn das aber nicht eintritt, sind die schneller wieder weg als man gucken kann. Es gibt bereits erste Veränderungen: Der Präsident von Guangzhou Evergrande, dem FC Bayern Chinas, hat beispielsweise angekündigt, in drei Jahren nur noch mit chinesischen Spielern auflaufen zu wollen. Dazu wurde die Ausländerregel kürzlich spezifiziert. Da gab es Druck von einem Minister der Regierung. Und wenn von oben eine solche Anordnung kommt, dann wird das umgehend umgesetzt.

SPOX: Unter diesen Voraussetzungen ist es schwer vorstellbar, dass ein Trainer wie Felix Magath, der momentan den chinesischen Erstligisten Shandong Luneng trainiert, seinen Willen durchsetzen kann.

Misimovic: Soweit ich weiß, hat er auch relativ wenig Mitspracherecht bei Transfers. Die Trainer sind im Grunde ganz normale Angestellte des Vereins und haben keine exponierte Stellung. Bei uns kam der Präsident während der Halbzeitpause in die Kabine und hat einfach drauflos telefoniert. Da hat niemand etwas gesagt. Dass es für Magath ungewohnt ist, kann ich mir gut vorstellen. Für mich war er einer der besten Trainer. Er hat einen in Ruhe gelassen und man konnte unter ihm in der Freizeit tun und lassen, was man wollte. Wenn aber um 10 Uhr Training war, dann hat er Vollgas verlangt. Hat man das hingekriegt, gab es nie Probleme mit ihm. SPOXspox

SPOX: Nach zweieinhalb Jahren in Guiyang wurde Ihr Verein nach Peking umgesiedelt. Dort spielten Sie noch ein Jahr, zwischenzeitlich hatten Sie aber Ihre Karriere beendet - allerdings nur acht Monate lang. Was war da genau los?

Misimovic: Ich stand eigentlich kurz davor, Teammanager der bosnischen Nationalelf zu werden, da das Team in der EM-Qualifikation ein wenig in Schwierigkeiten steckte. Anschließend hätte ich technischer Direktor aller bosnischen Nationalmannschaften werden sollen. Ich saß dann beim Champions-League-Halbfinale 2016 zwischen Bayern und Atletico im Stadion, als sich die Präsidentin von Beijing Renhe bei mir meldete. Der Verein steckte im Abstiegskampf und sie bat mich, in der Rückrunde noch einmal zu helfen. Ich meinte nur: Ich habe acht Monate lang nicht gekickt und stehe bei den Bosniern im Wort.

SPOX: Und dann?

Misimovic: Ihr war das egal. Bosnien hatte am 12. Juni ein wichtiges Spiel gegen Israel, die Rückrunde in China begann am 24. Juni. Ich sagte ihr, dass ich frühestens am 15. Juni dort sein könnte. Allerdings war ich der Meinung, dass das alles nicht viel bringen würde mit den paar Tagen an Training. Sie bat mich aber eindringlich und nach Gesprächen mit meiner Familie habe ich nochmal für ein halbes Jahr mitgemacht. Sie wollte von mir auch Tipps für weitere Spielertransfers. Noch am Vortag hatte ich mit Sejad Salihovic gesprochen, er wollte Hoffenheim unbedingt verlassen. Am Ende saßen wir beide im Flugzeug nach Guiyang. (lacht)

SPOX: Am Ende stieg der Verein aber dennoch ab. Wie lange hatten Sie sich zuvor mit dem Gedanken als Karriereende auseinandergesetzt?

Misimovic: Schon eine Weile. Ich hatte noch ein paar Angebote vorliegen und sprach mit Vereinen aus der Bundesliga und der 2. Liga. Da war aber nichts dabei, was mich derart gereizt hätte, um noch einmal ein oder zwei Jahre dranzuhängen. Es hat sich einfach nichts mehr ergeben. Ich hatte auch keine Angst davor, die Karriere zu beenden. Dass irgendwann mal der Zeitpunkt kommt, war ja klar. Ich kicke jetzt nebenbei in einer Freizeitmannschaft, aber mir fehlt der Fußball nicht.

SPOX: Wie sehen bei Ihnen nun Gegenwart und Zukunft aus?

Misimovic: Die Sache beim bosnischen Verband kommt nicht mehr wirklich in Frage, weil ich dann häufig in Sarajevo sein müsste und ich mit meiner Familie entschieden habe, in unserer Heimat München bleiben zu wollen. Ich möchte dem Fußball auf jeden Fall erhalten bleiben. Zudem habe ich eine Immobilienfirma namens M10 und da läuft es auch super.

SPOX: Worum geht es da genau?

Misimovic: Ich hatte die Idee mit Stefan Niedermeier, meinem besten Freund aus Kinderzeiten. Angefangen haben wir mit einer Villa im Münchner Vorort Grünwald, die wir kernsaniert haben. Das war ursprünglich für meine Familie gedacht, doch da ich noch einmal zurück nach China bin, haben wir sie letztlich an Douglas Costa vom FC Bayern verkauft. Ansonsten sind wir fleißig unterwegs, knüpfen Kontakte und beobachten den Markt. Unser Hauptaugenmerk liegt auf Frankfurt, München und Mallorca. Wir haben auch ein paar Projekte zusammen mit Profifußballern laufen. Immobilien sind eine bessere Geldanlage als teure Autos, das Potential ist momentan riesig.