Werder Bremen macht jetzt Ergebnisse, die sogar nach Fußball klingen, und beim FC Bayern München spricht man wieder von der Herbstmeisterschaft. Es scheint, als hätte die Bundesliga am 9. Spieltag zur Normalität gefunden. Wäre da nicht Hoffenheim, das beim Sonntagsspaziergang über Hamburg hinweggefegt ist.
Und wäre da nicht Angelika Kallwass! Die Psycho-Tante von Sat.1 ist nämlich einer Verschwörung auf der Spur. Unter einer Decke stecken: Lucio, Uli Hoeneß, Roman Weidenfeller, Anna Nicole Smith, Michael Ballack und das amerikanische Militär. Details in der Alternativen Liste.
1. Self fulfilling Prophecy: Hoffenheim ist fast unschlagbar, soll HSV-Coach Martin Jol vorm sonntäglichen Spitzenspiel gesprochen haben. So steht's in der Zeitung, insistierte der Reporter. Worauf Herr Jol die Nase rümpfte: "Wissen Sie, was man in England mit dem Sportteil einer Zeitung macht?" Ahnungsloses Achselzucken. "Dann sag' ich's Ihnen: Fish & Chips verpacken." Das war freilich vor dem Spiel...
2. Zwei bei Kallwass: Vermutlich um den Grad der geistigen Verwahrlosung zu testen, den Spieler (respektive Funktionäre) während eines Fußballspiels erreichen, schickte Angelika Kallwass am Samstag zwei als Journalisten verkleidete Praktikanten nach München: Eine Art Rorschach-Test mit verbalen Tintenklecksen sollte nach dem 4:2 der Bayern gegen Wolfsburg Aufschluss geben. Die Probanden mussten dabei spontane Assoziationen zu verschiedenen Begriffen äußern. Testperson eins war Uli Hoeneß, der auf den Stimulus "zweite Halbzeit" mit dem Ausdruck "Herbstmeister" reagierte; die Replik auf "erste Halbzeit" dagegen lautete "Hausmeister".
Das war richtig und sogar ganz pfiffig, so spricht jemand, der gut schläft und wenig Schulden hat. Dann Proband zwei - Bastian Schweinsteiger: Zweite Halbzeit? "Aggressivität!" Aha, und erste Habzeit? Stierer Blick zum Himmel: "Weniger Aggressivität!" Ernüchterndes Ergebnis: Manager sind bessere Menschen, und Psycho-Tests gehören nicht in die Mixed-Zone.
3. Offen reden: "Bitte fragen Sie mich nicht, an welchem Körperteil es wie stark kribbelt!" So nölte Gladbachs neuer Coach Hans Meyer vor seinem Amtsantritt am Samstag gegen Karlsruhe. Warum denn nicht, fragt da der Kallwass-Konsument, ein Magengrummeln ist doch nicht verwerflich. Letztendlich war's dem Meyer Hans wohl peinlich - es kribbelte ihn nämlich weiter südlich. "Ich musste permanent zum Pinkeln", gestand er nach dem 1:0-Erfolg: "Und auf dem Trainerklo gibt's nur ein einziges Pissoir."
4. Antagonist: Als Kevin Kuranyi nach der Nullnummer gegen Bielefeld das Stadion verließ, sagte er nur stolzgeschwellt den einen Satz: "Mir geht es heute besser als gestern und schlechter als morgen." Vielleicht hat er das aufgeschrieben, auswendig gelernt und eisenhart geübt - er darf sich jedenfalls zu Recht als Philosoph abfeiern lassen.
5. Verschwörung: BVB-Torhüter Weidenfeller foult Hertha-Stürmer Raffael, Schiri Meyer pfeift Elfmeter. Eigentlich kein Fall für Kallwass, doch Dortmunds Mentalist neigt nicht zur Selbstkritik.
Stattdessen sprang Herr Weidenfeller auf und fuchtelte mit seinem Zeigefinger durch die Luft. Weil das nicht half, nahm er Herrn Meyer schließlich zärtlich in den Arm: "Ich hab' ihn sicher nicht berührt, Sie können mir ruhig glauben", heuchelte er flüsternd Kumpanei. "Und außerdem", so konspirierte Weidenfeller weiter: "Im Irak gibt's Massenvernichtungswaffen, und Anna Nicole Smith hat aus Liebe geheiratet." Vergebens! Meyer zeigte ihm erst Gelb und dann die kalte Schulter - und Herthas Cicero verwandelte zum 0:1.
6. Nebenjob: Weil Leverkusens Torwart Rene Adler als Gast im "Aktuellen Sportstudio" gestand, dass ihn die Medienbranche interessiere, wurde er dazu genötigt, einen Beitrag anzumoderieren. Hoffentlich macht er's so bald nicht wieder! Nicht dass wir den eigentlichen Moderator Michael Steinbrecher - die als Journalist verkleidete Frau Kallwass des ZDF - so sonderlich vermissen würden, aber Rene Adler spielt einfach zu gut Fußball. Immerhin versenkte er beim Torwandschießen stattliche vier Stück!
7. Hütchenspiel: Wie groß der Hut denn sei, den er nun vor seiner Mannschaft ziehen müsse, wurde Frankfurts Trainer Friedhelm Funkel nach dem 3:2-Erfolg in Cottbus ziemlich investigativ gefragt. Da lächelte der Mann beseelt: Das sei doch wirklich eine gute Frage, großes Kompliment! Umso unverschämter vom Herrn Funkel, dass er keine Antwort gab.
Oder auch, etwas gesalbter: "Mindestens so groß wie dieser eine Hut, wegen dem Prinz Charles einst seinem Rolls Royce eine hässliche und teure Haube aufmontieren ließ, damit die olle Camilla ihn auch beim Fahren tragen konnte (Bild berichtete)!"
Womöglich hätte er auch einfach sagen können: "Durchmesser zwofuffzig". Doch sein "elf Verletzte blablabla, erste Hälfte nicht blabla, zweite Hälfte schon blabla" - das passte ehrlich nicht zur Frage!
8. Frau Kallwass ist allgegenwärtig: Ach, übrigens - Torsten und Michael wollen sich nun doch noch mal mit Joachim treffen. Über alles reden. In Ruhe und so. Sat.1 überträgt live. Und wir tickern!
9. Grüße: Acht Jahre nachdem er wegen Kokain-Missbrauchs bei Bayer seinen Trainerjob verloren hatte, kehrte Christoph Daum am Freitag mit dem 1. FC Köln zurück nach Leverkusen. Alles kein Problem, alles super locker, versicherte Bayer-Sprachrohr Wolfgang Holzhäuser im Vorfeld: Die Vergangenheit sei schließlich "Schnee von gestern." Weil nun Herr Holzhäuser keinerlei Humor besitzt, von dem er oder die Seinen etwas wüssten, kann man den durchaus pikanten Spruch getrost als rhetorische Tollpatschigkeit verbuchen. Überhaupt sind die Witze über Daum und Koks wohl mittlerweile alle schon erzählt. Und so beschränken wir uns - ausnahmsweise - einfach darauf, dem FC-Coach zum 55. Geburtstag, den er just am Freitag feierte, einigermaßen herzlich zu gratulieren. Er beging ihn übrigens standesgemäß mit einer 0:2-Niederlage im Derby.
10. Ein Rätsel: Warum Bremen nun bereits das 20. Gegentor und schon das dritte nach einer Ecke schlucken musste, sei für ihn "ein Rätsel", sagte Werder-Boss Klaus Allofs nach dem 1:1 in Hannover. Weil die Lösung wenig schwer und noch weniger poetisch ist - sie lautet: Schlafmütze Boenisch geht apathisch ins Kopfballduell -, geben wir dem Leser noch ein neues Rätsel an die Hand. Es steht - meist auf Latein - oft als Inschrift an Sonnenuhren: Vulnerat omnes, ultima necat - auf Deutsch: Jede verwundet, die letzte aber tötet. Wer weiß, worum es sich dort handelt, soll es bitte unten posten.
Hersteller von Sonnenuhren, Absolventen humanistischer Gymnasien und Kevin Kuranyi sind aus Gründen der Fairness vom Wettbewerb ausgeschlossen...
11. Ein Wort noch zu den Bayern: Weil Werder Bremen neuerdings Ergebnisse erzielt, die irgendwie nach Fußball klingen, und Hoffenheim auch gegen Hamburg sicher steht, ist Bayern nun der wahre Borderline-Patient der Liga. Doch das schizophrene Hin und Her zwischen individueller Klasse und kollektivem Chaos ist durchaus recht unterhaltsam - und irgendwie sogar sympathisch. Nehmen wir zum Beispiel Lucio: Einmal umsichtiger Abwehrchef im Defensivverbund, dann wieder: personifizierter Ballverlust als Amokläufer in der Vorwärtsbewegung. Der Mann ist in sich selbst so sehr zerrissen, er könnte ganz allein zu "Zwei bei Kallwass" gehen. Und wäre er dabei nicht derart penetrant bigott - man könnte ihn fast lieb gewinnen.
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