Hanning: "Olympia-Quali wäre eine Sensation"

Florian Regelmann
21. November 201121:49
Füchse-Macher Bob Hanning ist seit 2005 der starke Mann in Berlin Getty
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Bob Hanning hat aus den Füchsen ein Top-Team gemacht und sie von der zweiten Liga in die Champions League geführt. Im Interview spricht der 43-jährige Manager über Berlin, das DHB-Team, die umstrittene 48-Stunden-Regel, Silvio Heinevetters Zukunft und seine Liebe zu den New York Yankees. Ab sofort wird Hanning bei SPOX regelmäßig als Experte seine Einschätzungen zum Handball-Geschehen abgeben.

SPOX: Herr Hanning, Sie waren am Freitag persönlich auf der Beerdigung der Methe-Zwillinge, deren Tod ganz Handball-Deutschland erschüttert hat. Wie haben Sie die Trauerfeier ganz persönlich erlebt?

Bob Hanning: Es war eine sehr würdevolle Verabschiedung. Man hat wirklich gemerkt, dass die Handball-Familie doch zusammenhält. Es war ein sehr schönes, würdevolles Gefühl. Ich muss sagen, dass mir ihr Tod persönlich sehr nahe gegangen ist. Ich war noch nie so betroffen, wenn es nicht meinen engeren Familienkreis betroffen hat. Es hat mir schon sehr zugesetzt. Deswegen ist es auch wichtig und richtig, die Dinge ein bisschen sacken zu lassen und dann noch einmal zu reflektieren. Das sollte dann aber nach innen geschehen und ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.

SPOX: Es gab natürlich jetzt schon Stimmen, die einen respektvolleren Umgang mit Schiedsrichtern gefordert haben.

Hanning: Ich denke, dass für Schlussfolgerungen jetzt einfach noch nicht die Zeit gekommen ist. Wir sollten im Januar überlegen, ob es Dinge gibt, die wir gemeinsam verändern wollen. Aber man sollte den Tod von zwei Freunden nicht hernehmen, um zu politisieren. Es ist ganz normal, dass so ein tragisches Ereignis zum Nachdenken anregt. Aber man sollte erst den nötigen Abstand gewinnen und jeder sollte sich und sein Handeln dann selbst hinterfragen - aber nicht ein paar Tage nach der Beerdigung.

SPOX: Fakt ist, dass die Schiedsrichter in dieser HBL-Saison bereits ein großes Thema waren. Stichwort: 48-Stunden-Regel. In den 48 Stunden nach einem Spiel darf man die Refs nicht mehr kritisieren, sonst gibt es Geldstrafen. Viele Spieler haben sich darüber aufgeregt, kann diese Regel der Weisheit letzter Schluss sein?

Hanning: Meiner Meinung nach ist die 48-Stunden-Regel von uns nicht gut verkauft worden. Was wollten wir eigentlich damit erreichen? Wir wollten einen respektvolleren Umgang miteinander erreichen. Es war aber nicht gewollt, dass man plötzlich meint, nicht mehr kritisieren zu dürfen. Es geht darum, dass man erst mal reflektiert und dann darüber spricht. Das halte ich auch nach wie vor für richtig. Das heißt nicht, dass man nicht sagen darf, dass die letzten beiden Entscheidungen in einem Spiel fachlich falsch waren. Das ist nach wie vor erlaubt. Es geht ausschließlich um verbale Entgleisungen, um Respektlosigkeiten. Ich verbitte mir das von meinen Mitarbeitern in meinem Unternehmen. Und die Schiedsrichter haben in ihrem Ehrenamt auch das Recht, respektvoll behandelt zu werden. Trotzdem müssen sie sich weiter der Kritik stellen.

SPOX: Etwa ein Drittel der HBL-Saison ist vorbei. Sie haben schon sehr früh gesagt, dass die Meisterschaft für Sie bereits entschieden ist. Wenn man sieht, wie sich die Lage seitdem entwickelt hat, werden Sie Ihre Meinung kaum geändert haben, oder?

Hanning: Nein. Der HSV war ja böse auf mich, dass ich schon nach zwei Spieltagen gesagt habe, dass die Meisterschaft für mich zugunsten von Kiel entschieden ist. Aber das habe ich damals so gesehen und das sehe ich heute noch genauso. Unabhängig davon, dass der HSV wieder im Kommen ist und Per Carlen dort wirklich gute Arbeit leistet, habe ich persönlich an das Thema Meisterschaft einen Haken gemacht.

SPOX: In der NFL wird schon über eine mögliche Perfect Season der Green Bay Packers gesprochen. Halten Sie es für möglich, dass der THW nicht nur einfach Meister wird, sondern dass er nicht ein einziges Spiel verlieren wird?

Hanning: Nein, das glaube ich nicht. Die Belastung wird in Richtung EM noch einmal zunehmen. Was den DHB-Pokal angeht, würde ich mir wünschen, dass wir ihre Belastung am 14. Dezember diesbezüglich beenden. Wir wollen ihnen ja auch nicht zu viel zumuten. Aber noch mal zurück zur Frage: Verlustpunktfrei durch die Saison zu kommen, das geht nicht. Aber selbst wenn sie am Ende mit sechs Minuspunkten Meister werden, ist das im Handball wie eine Perfect Season. Es sind viele Faktoren, die Kiel in dieser Saison so stark machen. Ihre Langzeitverletzten, die sie zurückbekommen haben, sind im Prinzip wie neue Spieler. Und dann ist es ganz klar auch eine Reaktion auf die letzte Saison. Die wollen sie korrigieren, das merkt man ihnen eindeutig an.

SPOX: Wenn wir gerade schon beim US-Sport waren, Sie sind großer Fan der New York Yankees. Wie kommt's?

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Hanning: Ich war einmal drüben und habe mir ein Spiel live angeschaut, dann fliegt man noch mal rüber und schaut sich wieder Spiele an. Wie so etwas dann eben wächst. Dann kauft man sich einen Kulturbeutel der Yankees und immer so weiter (lacht). Ein bisschen verrückt eben. Die spielen natürlich noch mal in einer ganz anderen Welt als wir, wir bewundern sie auch in vielen Dingen. Ich bin absoluter Fan.

SPOX: Zurück zur Bundesliga. Der THW marschiert vorneweg, aber mit der Saison der Füchse können Sie auch mehr als zufrieden sein bis jetzt. Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus Berliner Sicht aus?

Hanning: Wir sind super glücklich mit dem, was wir bisher gezeigt haben. Wir hatten zwar auch Schwächephasen, wie in Göppingen und am Ende in Gummersbach, aber mit Ausnahme des desolaten CL-Spiels gegen Veszprem spielen wir eine überragende Saison. Unser Manko ist nur ein bisschen, dass wir es nicht schaffen, 60 Minuten Konstanz an den Tag zu legen. Dennoch: Wir sind unserem Traum, in der nächsten Saison wieder europäisch dabei zu sein, schon ein Stückchen näher gekommen. Wenn wir jetzt unsere Woche der Wahrheit in der Bundesliga mit dem Auswärtsspiel beim Bergischen HC und dem Heimspiel gegen die Rhein-Neckar Löwen gut überstehen, sind wir in Richtung Europapokal ganz weit vorne.

Hanning über einen möglichen Heinevetter-Wechsel, Romero und das DHB-Team

SPOX: 2005 erreichte Sie der Anruf mit dem Angebot aus Berlin. Hätten Sie damals daran geglaubt, sechs Jahre später in der Champions League spielen zu können?

Hanning: Nein, wirklich nicht, damit konnte man nicht rechnen. Für uns ist damit ein Traum in Erfüllung gegangen. Wir sollten jeden Moment genießen und das tun wir auch. Wir können uns aber auch realistisch einschätzen. Wir liegen vom Etat nicht in der Spitze, wir wissen deshalb auch, wie wichtig es ist, gute Charaktere in der Mannschaft zu haben. Auf Kontinuität zu setzen, den Blick auf das Machbare nicht zu verlieren und organisch zu wachsen.

SPOX: Eine der überragenden Füchse-Figuren ist auch in dieser Saison wieder Silvio Heinevetter. Wie sehen Sie die Chancen, dass er nicht in ein paar Jahren Nachfolger von Thierry Omeyer in Kiel wird?

Hanning: Es ist einfach so, dass man Verständnis haben muss, wenn Bayern München im Fußball ruft. Oder eben der THW Kiel im Handball. Es geht ja auch für einen jungen Menschen darum, dauerhaft in der Champions League zu spielen und Titel zu holen. Deshalb könnte man es ihm nie übel nehmen, wenn er mal wechseln würde. Ich fand es toll, dass Silvio nicht zu den Löwen gegangen ist. Weil es eine reine Geschichte des Geldes gewesen wäre, da hätte er viel mehr als bei uns verdienen können - da hätte ich mehr Bauchschmerzen gehabt als beim THW. Ich würde mich freuen, wenn er seine Karriere bei uns beendet, aber ich bin ihm auch nicht böse, wenn er sich für einen anderen Weg entscheidet.

SPOX: In der nächsten Saison wird er aber auf jeden Fall noch in Berlin spielen, richtig?

Hanning: Tausendprozentig ja. Es besteht kein Grund, dass er uns verlässt. Sonst hätte er den Vertrag nicht machen müssen, er wurde ja nicht dazu gezwungen. Er hat sich ja dabei etwas überlegt. Irgendwann werden wir dann in der nächsten Saison darüber reden und schauen, wie es aussieht. Wenn der THW ihn wirklich haben wollte, dann ist es auf jeden Fall keine Frage des Geldes. Sondern eine Frage, wie ich Titel holen kann. Er ist kein Geldsack, sondern ein sehr feinfühliger Mensch. Mit vielen Stärken, natürlich auch mit Schwächen. Er ist definitiv nicht geldgierig und er ist definitiv jemand, der sich alles sehr gut überlegt und auch heimatverbunden ist.

SPOX: Neben Heinevetter wird in Berlin auch viel über Iker Romero gesprochen. Vor der Saison wurde die Verpflichtung von einigen Leuten als PR-Aktion abgetan. Spüren Sie eine besondere Freude, wenn Sie jetzt sehen, welch starke Leistungen Romero schon gebracht hat?

Hanning: Es ist ja so: Wenn ich auf alles gehört hätte, was mir die Experten so geraten haben, dann wären wir in Berlin jetzt in der Regionalliga. Wenn überhaupt. Ich berate mich mit Menschen, die ich als Freunde empfinde und die nicht geil auf Schlagzeilen sind. Laen war nicht gut genug, Christophersen war nicht gut genug, jetzt war es Romero. Iker Romero ist der Mann für die besonderen Momente. Er ist kein Spieler mehr, der 60 Minuten spielen kann, aber er weiß, wie man gewinnt, wie man Titel holt. Er nimmt mit seiner positiven Art viele Menschen mit.

SPOX: Und er hatte sicher lukrativere Angebote.

Hanning: Ja. Er ist nicht des Geldes wegen zu uns gekommen, er ist aus Überzeugung gekommen. Er hat gesagt, dass sich Ex-Spieler von uns begeistert über den Klub geäußert haben und er auch deshalb gekommen ist. Was kann es für ein schöneres Lob geben, als wenn deine Ex-Spieler als Botschafter in der Handball-Welt so für dich werben. Iker Romero wird auf Jahre hinaus einer unserer großen Botschafter. Ich bin sehr dankbar und echt stolz, dass er bei uns Handball spielt.

SPOX: Lassen Sie uns abschließend noch kurz über die Nationalmannschaft sprechen. Die letzten beiden großen Turniere waren eine Katastrophe, beim Supercup hat es zuletzt auch nur Niederlagen gesetzt. Bei der EM in Serbien steht das Olympia-Ticket auf dem Spiel, haben Sie Sorge, dass es schief geht?

Hanning: Zuerst mal möchte ich sagen, dass ich sehr glücklich bin, dass wir Martin Heuberger als Bundestrainer haben. Aber: Auch er kann nicht über Wasser gehen. Für mich wäre die Olympia-Qualifikation eine Sensation. Ich rechne nicht damit, wäre aber natürlich begeistert, mich positiv überraschen zu lassen. Wenn es mit Olympia nicht klappt, hätte es den Vorteil, dass der Umbruch noch schneller erfolgen könnte. Alles andere, wie auch jetzt wieder bei der EM, läuft auf Kompromisse hinaus. Ich würde mich freuen, wenn es klappt, aber ich rechne wie gesagt nicht damit. Ich würde ein Scheitern auch nicht als Katastrophe ansehen. Klar, es wäre schade, aber damit müsste man nach den letzten Jahren eben leben.

Die Tabelle der Handball-Bundesliga