Nach dem Einzug ins WM-Halbfinale hat sich DHB-Vizepräsident Bob Hanning im Interview mit den deutschen Journalisten vor Ort zum Umgang des Verbandes mit Bundestrainer Christian Prokop geäußert.
Außerdem gehe es nun darum, die Sportart Handball dem Land auf dem Teller zu präsentieren.
Herr Hanning, wie erleben Sie Bundestrainer Christian Prokop in diesen Tagen?
Bob Hanning: Er ist menschlich hoch kompetent und ist jemand, der gemeinsam Großes erreichen möchte. Ich verfolge seine Karriere ja schon lange, weil ich aktiv daran beteiligt war, ihn als Spieler im Jahr 2000 zum HC Wuppertal zu holen. Er kam damals nach einer Verletzung aus Minden zu uns und konnte noch die letzten sieben Spiele bestreiten. Danach war klar, dass seine Laufbahn als aktiver Spieler verletzungsbedingt nicht weitergehen kann. Aber seine Kompetenz und sein Wissen waren damals schon herausragend.
Wie ging es danach weiter?
Hanning: Später habe ich ihn als Coach zu TUSEM Essen vermittelt, weil er den nächsten Sprung als Trainer machen sollte. Ich erinnere mich gut an die Gespräche mit Stefan Kretzschmar, als Prokop 2013 von Essen zum SC DHfK Leipzig wechselte. Überall hat er aufgebaut, überall hat er entwickelt. Deshalb war es keine zufällige Entscheidung, ihn zum Bundestrainer zu machen. Dahinter steckte die feste Überzeugung, dass wir mit ihm gemeinsam etwas erreichen können. Dass das jetzt aufgeht, freut mich umso mehr. Das ist allerdings ein Verdienst aller Beteiligter und nicht nur die vom Trainer.
Hanning über Strobels Ansprache an die Mannschaft
War am Montagabend die Erleichterung entsprechend groß, als der Halbfinaleinzug feststand?
Hanning: Naja, wir standen natürlich schon noch wegen Martin Strobel unter Schock. Die Ansprache, die er nach seiner Rückkehr aus dem Krankenhaus im Hotel an die Mannschaft gerichtet hat, hat mir die Tränen in die Augen getrieben. Das hat nachgewirkt, weshalb man jetzt nicht in erster Linie von Erleichterung sprechen kann.
Ist dieser Erfolg, den das DHB-Team momentan hat, planbar?
Hanning: Im Handball geht es um so viele Kleinigkeiten. Wir hätten gegen Kroatien auch verlieren können, dann am Mittwoch gegen Spanien auch und wären womöglich sogar nicht einmal berechtigt gewesen, die Olympia-Quali zu spielen. Wenn aber alle alles für den Erfolg tun - und das haben Trainer und Mannschaft getan - ist die Wahrscheinlichkeit, dass es funktioniert, größer. Das haben wir geschafft.
Dabei waren die Voraussetzungen mit dem Verhältnis zwischen Prokop und der Mannschaft nicht optimal, oder?
Hanning: Als wir die Entscheidung getroffen haben, dass wir an diesem Trainer festhalten, war ich felsenfest davon überzeugt, dass diese Entscheidung richtig ist. Das sieht man ja jetzt auch. Viel wichtiger aber war, dass ich davon überzeugt war, dass die Mannschaft den Intellekt und die Bereitschaft besitzt, das anzunehmen. Ihr sagt immer, der Trainer hätte sich verändert. Meine Entscheidungsgrundlage war aber immer: Traue ich der Mannschaft zu, sich darauf einzulassen und sich zu verändern. Weil ich der Mannschaft das zugetraut habe, haben wir das so gemacht.
Hanning über die deutsche Abwehr und Torhüter Wolff
Wie schafft es die Abwehr, immer wieder diese grandiosen Leistungen zu zeigen?
Hanning: Das frage ich mich manchmal auch. Man muss ehrlich sagen, dass diese Leistung in der Abwehr gegen Kroatien zwingend notwendig war, weil es bei der Chancenverwertung nicht zum ersten Mal in diesem Turnier gehapert hat. Wir haben nur eine Chance mit einem überragenden Rückzug, einer überragenden Deckung und einem überragenden Andreas Wolff im Tor. Aber da muss man ehrlich sein: Wolff war gegen Kroatien gut, aber sicherlich nicht überragend. Zu einem Weltklasse-Torhüter gehört aber auch, dass er den letzten, entscheidenden Ball hält. Und das hat er getan.
Ist es für einen Torhüter nicht teilweise auch schwierig, wenn er kaum Bälle auf den Kasten bekommt?
Hanning: Das ist schwierig, absolut. Weil wenn so eine starke Abwehr mal etwas durchlässt, sind das in aller Regel freie Würfe. Und dann ist es für einen Torhüter kompliziert, in ein Spiel hineinzufinden.
Man sagt ja, dass man mit einer starken Abwehr Titel holt.
Hanning: Offense wins Games, Defense wins Championships. Das ist einfach so. Wir haben immer gesagt, dass wir die beste Abwehr der Welt brauchen - und die haben wir gegen Kroatien gestellt. Damit kann man große Dinge erreichen.
Hanning: Müssen den Menschen Tugenden vorleben
Sie haben nach dem Einzug ins Halbfinale gesagt, dass sich jetzt Türen für den Handball öffnen. Können Sie das konkretisieren?
Hanning: Ich glaube, dass Handball überall schlummert. Man hat eine feste Fan-Gemeinde, dazu ein erweitertes Umfeld, das sich grundsätzlich für Sport interessiert. Und jetzt wird es durch den Einzug ins Halbfinale noch größer. Jeder bekommt mit, was abgeht, jeder findet es spannend. Es geht darum, den Menschen, die sich normalerweise nicht so für Handball interessieren, Kampf und Leidenschaft zu präsentieren. Es geht darum, Tugenden vorzuleben: 60 Minuten Action, 60 Minuten Schweiß und Tränen, Teamgeist. Das müssen wir rüberbringen. Das ist unser Sport, nahbar und bodenständig - wenn auch manchmal mit ein bisschen mit Gold besetzten Pullovern. (lacht) Im Ernst: Jetzt können wir den Handball Deutschland auf dem Teller präsentieren.
War es wichtig, Köln als Spielort zu bestimmen?
Hanning: Wichtig war, dass Präsident Andreas Michelmann sich nicht beirren lassen hat. Er hat gesagt, dass wir in die großen Städte gehen und fertig. Köln, Berlin, Hamburg und München - alles passt. Man kann schon jetzt sagen, dass das Konzept des Präsidenten aufgegangen ist.
Bedauern Sie es, dass das Finale nicht in Köln, sondern in Herning stattfindet?
Hanning: Offen gestanden, ja. Das ist der einzige Fehler dieser WM, den wir aber nicht zu verantworten haben. Wir haben schon am Montag beim Mittagessen mit dem IHF-Präsidenten Hassan Moustafa gescherzt und gesagt: 'Das hast du falsch gemacht.' (lacht)