Carsten Lichtlein erlebte bei der Niederlage gegen Spanien einen schwarzen Tag. Vor dem Spiel gegen Schweden (20.30 Uhr im LIVETICKER) spricht der DHB-Keeper über den Wurf in das Gesicht von Steffen Weinhold, seine Rolle als Oldie der Truppe und die Zeitenwende in der HBL. Zudem lobt Lichtlein seinen Konkurrenten und Kollegen Andreas Wolff.
SPOX: Herr Lichtlein, wie erleben Sie die EM in Polen bislang unabhängig vom Ausgang der ersten Partie?
Carsten Lichtlein: Ich hatte vor dem Spanien-Spiel die Möglichkeit, ein bisschen durch die Stadt zu spazieren. Breslau ist wirklich sehr schön, auch wenn ich jetzt natürlich nicht so viel gesehen habe. Das ist nun mal so bei einer EM oder WM, da sieht man mehr Videos vom Gegner oder die Halle. Was die gesamte Organisation betrifft, sieht es bisher sehr positiv aus.
SPOX: Sportlich war der Auftakt leider nicht von Erfolg gekrönt. Wie fällt Ihr Fazit zur Pleite gegen die Spanier mit etwas Abstand aus?
Lichtlein: Es ist einfach schade, dass wir nichts Zählbares mitgenommen haben. Wir haben wirklich gut begonnen, konnten das Niveau aber nicht halten und machten leichte Fehler. In dieser schwachen Phase Mitte der ersten Halbzeit sind wir in Rückstand geraten, dem wir dann das restliche Spiel über hinterhergelaufen sind. Zum Schluss haben wir uns super zurückgekämpft, was wir unbedingt als positiven Aspekt für die kommenden Partien mitnehmen müssen. Der Angriff funktionierte teils sehr gut, es hat letztlich auch das Quäntchen Glück gefehlt.
SPOX: Die Situation, als Jorge Maqueda beim Freiwurf Steffen Weinhold den Ball ins Gesicht geworfen hat und dafür vom Platz gestellt wurde, sorgte für Aufregung. Wie haben Sie die Aktion wahrgenommen?
Lichtlein: Das war für mich völlig zu Recht eine Rote Karte. Es ist für mich eine ganz ähnliche Situation wie bei einem Siebenmeter, wenn der Torhüter stehen bleibt und dann den Ball ins Gesicht bekommt. Da gibt es auch Rot. Steffen hat sich nicht bewegt, ist nicht gesprungen, und bekommt dann einen ab. Das geht nicht.
SPOX: Trotzdem hat Vizepräsident Bob Hanning erzählt, dass sich der DHB dafür einsetzt, die Strafe als normales Foul zu bewerten und nicht als grobe Unsportlichkeit. Halten Sie das für richtig?
Lichtlein: Ich als Torhüter habe schon öfter mal einen Ball ins Gesicht bekommen und finde es okay, wenn es da Rot gibt mit den entsprechenden Konsequenzen. Aber gut: Wenn Bob sagt, dass wir das so machen, dann machen wir das eben so. (lacht)
SPOX: Gerade zum Turnierstart nimmt man sich als Spieler sehr viel vor. Ärgert man sich deshalb umso mehr, wenn der Auftakt misslingt, wie es bei Ihnen persönlich der Fall war?
Lichtlein: Logisch. Man nimmt sich viel vor, hat Videos studiert, weiß eigentlich, wo die Gegner hinwerfen. Und dann geht es gleich so los. Ein Ball rutscht mir durch, der andere geht mir durch die Beine. Wen man am Anfang keinen Ball erwischt, wird es als Torhüter immer schwieriger, ins Spiel zu kommen. Allerdings waren natürlich auch viele freie Bälle dabei. Trotzdem ist das kein Beinbruch für mich. Ich bereite mich jetzt normal mit der üblichen Videoanalyse auf das Schweden-Spiel vor und hoffe, dass es besser läuft.
SPOX: Sie sprechen die Leistung der Abwehr an. Bundestrainer Dagur Sigurdsson bezeichnete die Deckung direkt nach dem Spiel als teilweise sehr, sehr gut. Hanning sieht dagegen noch viel Luft nach oben. Was stimmt denn nun?
Lichtlein: In der zweiten Halbzeit fand ich unsere Deckung nicht schlecht. Da haben wir den Körperkontakt gesucht, haben auch mal Unterbrechungen zu Stande gebracht, wo die Spanier nicht mehr wussten, was sie machen sollen. So müssen wir das von Anfang an machen, das hat in der ersten Hälfte ein bisschen gefehlt.
SPOX: Andreas Wolff wurde bereits während der ersten Halbzeit für Sie eingewechselt. Wie hat er Ihnen gefallen?
Lichtlein: Er hat seine Sache für sein erstes Spiel auf so einem internationalen Parkett gerade in der zweiten Halbzeit sehr gut gemacht. Er hat wichtige Bälle pariert, als wir wieder rangekommen sind und die Chance bekamen, noch mehr zu verkürzen. Das haben wir leider nicht genutzt.
SPOX: Im vergangenen Jahr arbeiteten Sie gut mit Silvio Heinevetter zusammen. Wie läuft das jetzt mit Wolff?
Lichtlein: Wir gehen das ganz ähnlich an, da hat sich nicht viel getan. Ich verstehe mich mit Andi genauso gut, wie es mit Heine der Fall ist. Wir bilden ein gutes Gespann. Jetzt hoffe ich, dass wir gemeinsam unseren Teil dazu beitragen können, noch weit zu kommen.
SPOX: Die Mannschaft ist jung und unerfahren. Sie sind mit Ihren 35 Jahren der Oldie der Truppe. Hat sich dadurch im Vergleich zur WM in Katar Ihre Rolle noch einmal verändert?
Lichtlein: Nein, eigentlich nicht. Weder auf noch außerhalb des Spielfeldes, obwohl ich zum Co-Kapitän ernannt wurde. Schließlich hatten wir auch schon in Katar ein junges Team beisammen, damals war der Umbruch vielleicht sogar noch radikaler als er es gezwungenermaßen jetzt ist. Ich zieh mein Ding jedenfalls genauso durch wie immer, versuche den Leuten zu helfen, spreche viel mit der Abwehr und dirigiere so gut wie möglich.
SPOX: War es eigentlich keine Option, Sie als erfahrensten Mann im Kader sogar zum Kapitän zu machen?
Lichtlein: Es war absolut richtig, Steffen Weinhold dieses Amt zu übergeben. Meiner Meinung nach ist ein Torhüter nicht wirklich dafür geeignet, Kapitän zu sein, weil er dafür nicht genügend Möglichkeiten hat, um auf das Spiel direkt einzuwirken.
SPOX: Uwe Gensheimer, Patrick Wiencek, Paul Drux und Patrick Groetzki - darüber, wie bitter diese Ausfälle sind, muss man nicht mehr reden. Aber ist es nicht so, dass solche Ausfälle heute weniger schlimme Auswirkungen haben, als es noch vor einigen Jahren der Fall gewesen wäre?
Lichtlein: Das sehe ich auch so, ja. Das Reservoir an guten deutschen Spielern ist mittlerweile ein gutes Stück größer geworden.
SPOX: Ganz einfach deshalb, weil in der Bundesliga mehr auf junge deutsche Spieler gesetzt wird?
Lichtlein: Genau. Die Vereine vertrauen deutschen Spielern viel mehr als früher. Damals waren sie manchmal nur Lückenfüller. Eigentlich ist das eingetreten, was Heiner Brand früher immer gepredigt hat.
SPOX: Lassen Sie uns wieder über die anstehenden Aufgaben sprechen. Was erwartet die deutsche Mannschaft gegen Schweden?
Lichtlein: Man hat bei ihrem Sieg gegen Slowenien gesehen, dass sie eine sehr gute Abwehr spielen. Dafür ist in erster Linie die Abstimmung zwischen Tobias Karlsson und Mattias Andersson verantwortlich, die sich sehr gut kennen, weil sie gemeinsam in Flensburg spielen. Wir müssen uns also im Angriff einfallen lassen, wie wir sie knacken. Auf jeden Fall dürfen wir nicht wieder so leichte Fehler machen wie gegen Spanien. Pässe zum Gegner oder ins Aus sollten uns nicht passieren, sonst können die Schweden über ihre schnellen Außen leichte Tore machen. Wenn wir das verhindern bin ich guter Dinge, dass wir sie im 6 gegen 6 in den Griff bekommen.
SPOX: Die Ausgangslage ist für den Rest der Gruppenphase klar, oder?
Lichtlein: Zwei Siege sind Pflicht, das muss man so sagen. Wir müssen zusehen, dass wir mit zwei Punkten auf dem Konto in die Hauptrunde gehen. Dafür werden wir alles tun. Wir würden nach wie vor gerne den positiven Eindruck bestätigen, den wir letztes Jahr in Katar hinterlassen haben. Dort haben wir eine gute Rolle gespielt und wurden am Ende Siebter.
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