Deutschland startet mit dem Spiel gegen Uruguay (Fr., 18 Uhr im LIVETICKER) in Gizeh in die Handball-WM in Ägypten. Auf welchen Positionen ist das DHB-Team gut aufgestellt? Welche Bereiche bereiten Kopfzerbrechen? SPOX nimmt den 20 Mann starken Kader von Bundestrainer Alfred Gislason unter die Lupe.
Tor
Name | Verein | Länderspiele | Tore |
Andreas Wolff | KS Vive Kielce | 102 | 13 |
Johannes Bitter | TVB Stuttgart | 156 | 1 |
Silvio Heinevetter | MT Melsungen | 195 | 3 |
Gislason hat sich im Kasten auf eine klare Reihenfolge festgelegt: Wolff ist die "1A-Lösung", Bitter die "1B" und Heinevetter die "1C". Dabei hat Wolff bei den vergangenen Turnieren nicht immer restlos überzeugt.
Nach seinen herausragenden Leistungen beim EM-Triumph 2016 und einer starken WM 2017 zeigte der Torhüter vom polnischen Spitzenklub Kielce bei der EM 2018 und der WM 2019 lediglich ordentliche Vorstellungen. Bei der EM im vergangenen Jahr spielte Wolff dann sogar das statistisch schlechteste Turnier seiner DHB-Laufbahn (30 Prozent abgewehrte Würfe). Trotzdem: An einem guten Tag kann Wolff Spiele im Alleingang entscheiden.
Im Zweifelsfall steht mit Bitter ein zuverlässiger Backup parat. Der Weltmeister von 2007 überzeugte in seiner Rolle als Wolff-Vertreter bereits bei der EM 2020 und befindet sich auch aktuell in guter Verfassung, wie seine Statistiken aus der laufenden HBL-Saison zeigen. Mit 134 Paraden in 12 Partien belegt der 38-jährige Stuttgart-Keeper (31 Prozent abgewehrte Würfe) in diesem Ranking Platz zwei.
Mit Heinevetter ist ein weiterer sehr erfahrener Mann dabei. Kein Spieler im gesamten Kader hat mehr Länderspiele (195) auf dem Buckel. Einziges Manko: "Heine", der im Sommer von Berlin nach Melsungen gewechselt ist, musste sich in den vergangenen Monaten gleich mehrfach in Quarantäne begeben und konnte entsprechend nicht immer bestmöglich trainieren.
Fazit: Die Torhüterposition ist bärenstark besetzt, eine Bande von potenziellen Hexern. Wolff, Bitter und Heinevetter sollten und müssen für ein positives WM-Abschneiden aus deutscher Sicht einfach eine sorgenfreie Zone bilden.
Linksaußen
Name | Verein | Länderspiele | Tore |
Uwe Gensheimer | Rhein-Neckar Löwen | 188 | 919 |
Marcel Schiller | Frisch Auf Göppingen | 10 | 39 |
Gensheimer bleibt auch unter Gislason der Kapitän. "Er ist auf seiner Position einer der besten Spieler der Welt - und zwar schon lange. Es hat mich diese Saison sehr gefreut, dass er auch auf der Halbposition decken kann. Das kann für uns noch sehr wichtig werden", sagte der Bundestrainer.
Der 34-jährige Mannheimer belegt in der Torjägerliste der laufenden HBL-Saison mit 87 Treffern in 14 Partien und einer Quote von 71 Prozent Platz fünf. Zudem versenkte Gensheimer fast 83 Prozent seiner Siebenmeter.
Dass Schiller, der erstmals an einem großen Turnier mit dem DHB-Team teilnimmt, mehr als nur ein Ersatzmann für den drittbesten Torschützen der deutschen Länderspielhistorie ist, hat der Göppinger bereits eindrucksvoll bewiesen.
Der 29-Jährige erzielte im ersten der beiden EM-Quali-Spiele gegen Österreich, die beide Anfang Januar gewonnen wurden (36:27 und 32:20), elf Tore bei elf Versuchen. In der Bundesliga traf Schiller sogar 89 Mal in 14 Spielen (72 Prozent) und damit zwei Mal häufiger als Gensheimer - Platz vier der Torjägerliste.
Neben Gensheimer, Reichmann und Kastening hat die deutsche Mannschaft mit Schiller einen weiteren ordentlichen Siebenmeterschützen in ihren Reihen. Der Schwabe verwandelte für Frisch Auf in dieser Saison 47 (72 Prozent) und damit die meisten Strafwürfe der gesamten Liga.
Fazit: Mit Gensheimer und Schiller ist das DHB-Team auf Linksaußen hochkarätig aufgestellt. Gislason kann die Spielzeit etwas verteilen, um die Belastung für beide Spieler möglichst gering zu halten.
Rückraum links
Name | Verein | Länderspiele | Tore |
Fabian Böhm | TSV Hannover-Burgdorf | 43 | 70 |
Julius Kühn | MT Melsungen | 66 | 209 |
Paul Drux | Füchse Berlin | 94 | 176 |
Lukas Stutzke | Bergischer HC | 1 | 0 |
Kurz vor dem Abflug nach Ägypten haben Gislason und Christian Dissinger gemeinsam entschieden, dass sich der Mann vom mazedonischen Spitzenklub Vardar Skopje nicht in WM-Form befindet. "Christians Trainingspausen aufgrund mehrerer Quarantänen und einer eigenen Erkrankung waren insgesamt zu lang, so dass er nicht bereit für die Belastungen eines so langen Turniers ist", erklärte der Bundestrainer.
Für Dissinger rückte der 22-jährige Stutzke in den Kader, der auf internationalem Terrain ohne Erfahrung ist. Dass der BHC-Akteur viele Spielanteile erhält, dürfte ausgeschlossen sein.
Dennoch bleiben Gislason im linken Rückraum gute Optionen mit turniererfahrenen Spielern. Kühn (in dieser HBL-Saison 64 Tore, 62 Prozent) ist für seine brachialen Würfe aus der Distanz bekannt, Böhm (33 Tore, 52 Prozent) als jemand, der nach seinen Einwechslungen keine lange Anlaufzeit benötigt und unbekümmert aufspielen kann.
Und Drux (22 Tore, 59 Prozent), der auch als Spielmacher eingesetzt werden kann, hat seine großen Qualitäten in Angriff und Abwehr ohnehin schon häufig unter Beweis gestellt.
Fazit: Im linken Rückraum ist die deutsche Mannschaft insgesamt gut besetzt. Allerdings haben Kühn, Böhm und Drux bei den vergangenen Turnieren gezeigt, dass sie teilweise großen Leistungsschwankungen unterliegen.
gettyRückraum Mitte
Name | Verein | Länderspiele | Tore |
Philipp Weber | SC DHfK Leipzig | 33 | 85 |
Marian Michalczik | Füchse Berlin | 23 | 22 |
Juri Knorr | GWD Minden | 3 | 5 |
Wie schon bei der EM im vergangenen Jahr fällt auch diesmal Tim Suton (TBV Lemgo) aufgrund eines Kreuzbandrisses aus. Option Nummer 1 auf der Spielmacherposition wird Weber sein, der bereits in den beiden Spielen gegen Österreich starke Ansätze zeigte.
Der 28-Jährige brachte bei der EM 2020 durch tolle Einzelaktionen Schwung in den häufig statischen Rückraum und überzeugt auch in der aktuellen Spielzeit für Leipzig. Mit 47 Assists ist Weber siebtbester Vorlagengeber der HBL. Zudem erzielte er in seinen bislang 15 Spielen durchschnittlich 4,5 Tore.
Von Michalczik erhofft man sich beim DHB den nächsten Schritt, nachdem er im vergangenen Jahr bei der EM kaum Akzente setzte. Bitter: In der WM-Vorbereitung musste der Füchse-Spieler mehrere Tage pausieren, nachdem er im Training den Finger eines Abwehrspielers ins Auge bekommen hatte. Der 23-Jährige erzielte in der laufenden HBL-Saison bislang 14 Tore in zehn Spielen (56 Prozent) und bereitete 13 weitere Treffer vor.
Mit dem erst 20-jährigen Knorr steht zudem ein hochinteressanter Mann im DHB-Kader. Der gebürtige Flensburger verbrachte von 2018 bis 2019 ein Jahr in der Talentschmiede La Masia des FC Barcelona, wo er auch zu Einsätzen für die Profis in der ersten spanischen Liga kam.
Aktuell läuft das Ausnahmetalent für Minden auf, sein Wechsel im Sommer zu den Rhein-Neckar Löwen ist allerdings bereits beschlossene Sache. Kein Wunder: Seine Ausbeute von 35 Toren (55 Prozent Trefferquote) und 22 Assists in neun Bundesligaspielen 2020/2021 kann sich sehen lassen.
Fazit: Im Vergleich zur EM 2020, als Drux, Michalczik und Weber als Spielmacher dabei waren, kommt mit Knorr eine Option mehr dazu. Das Problem, dass Deutschland aktuell über keinen klassischen Strippenzieher auf allerhöchstem Niveau verfügt, ist seit mehreren Jahren bekannt. Wie schon bei den vergangenen Turnieren könnte die Rückraum-Mitte-Position somit die Achillesferse im deutschen Angriff sein.
Rückraum rechts
Name | Verein | Länderspiele | Tore |
Kai Häfner | MT Melsungen | 94 | 206 |
David Schmidt | Bergischer HC | 10 | 10 |
Antonio Metzner | HC Erlangen | 1 | 5 |
Exakt wie im vergangenen Jahr ist die Situation im rechten Rückraum aufgrund von Absagen beziehungsweise Verletzungen extrem angespannt. Fabian Wiede (Füchse Berlin) musste wegen Schulterproblemen passen, Franz Semper (SG Flensburg-Handewitt) mit einem Kreuzbandriss. Steffen Weinhold (THW Kiel) erklärte aufgrund der allgemeinen Corona-Situation seinen Verzicht.
Somit ist klar: Häfner, der als Nachrücker beim EM-Coup 2016 mit überragenden Leistungen seinen Durchbruch feierte, ist fast schon zum Abliefern verdammt. Die Form des Melsungen-Profis stimmt in dieser Saison bislang: In zehn HBL-Partien verbuchte er 53 Tore und 36 Assists bei einer Trefferquote von 52 Prozent.
Das gilt auch für Schmidt (57 Tore und 21 Assists in 15 Partien), der bei seinem DHB-Turnier-Debüt 2020 allerdings noch deutliche Anpassungsschwierigkeiten offenbarte. Der 27-Jährige neigt dazu, die eine oder andere Fahrkarte zu viel zu werfen.
Bleibt der 2,07-Meter-Riese Metzner, der erst in der EM-Quali gegen Österreich sein Länderspiel-Debüt feierte, dabei aber gleich mit fünf Treffern überzeugte. Gislason fühlt sich nach eigener Aussage bei der Spielweise des 24-Jährigen an Weltmeister Holger Glandorf erinnert.
Fazit: Im rechten Rückraum könnte das DHB-Team größere Probleme bekommen. Ob Häfner mit dem Druck klarkommt, gute Leistungen zeigen zu müssen, ist fraglich. Bei der EM 2020, wo er in wichtigen Situationen häufig hektisch agierte und schlechte Entscheidungen traf, ist ihm das jedenfalls nicht gelungen.
gettyRechtsaußen
Name | Verein | Länderspiele | Tore |
Tobias Reichmann | MT Melsungen | 95 | 297 |
Timo Kastening | MT Melsungen | 18 | 52 |
In der vergangenen HBL-Saison bis zum coronabedingten Abbruch 5,3 Treffer pro Partie erzielt, dazu eine herausragende EM 2020 gespielt: Kastening hat sich die Auszeichnung als Deutschlands Handballer des Jahres 2020 redlich verdient.
Auch in der laufenden Spielzeit können sich seine 4,3 Tore pro Partie bei einer Trefferquote von 77 Prozent sehen lassen. Kleine Info am Rande: Als DHB-Kabinen-DJ setzt der 25-Jährige zum Heißmachen auf Enter Sandman von Metallica.
Kastening wird voraussichtlich vor seinem Melsunger Teamkollegen Reichmann gesetzt sein. Der 32-Jährige, der zu den EM-Helden von 2016 zählt, erzielte in dieser Saison bislang 21 Tore in zehn Spielen.
Fazit: Auf Rechtsaußen ist das DHB-Team sehr gut aufgestellt. Die Außenpositionen dürften also keinerlei Probleme bereiten.
Kreis
Name | Verein | Länderspiele | Tore |
Johannes Golla | SG Flensburg-Handewitt | 13 | 31 |
Sebastian Firnhaber | HC Erlangen | 2 | 4 |
Moritz Preuss | SC Magdeburg | 6 | 6 |
Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek (beide Kiel) haben aufgrund der Corona-Situation abgesagt, Jannik Kohlbacher (Rhein-Neckar Löwen) kann wegen einer Ellbogenverletzung nicht in Afrika dabei sein. Am Kreis musste Gislason also komplett umdenken.
Im Angriff wird der Bundestrainer in erster Linie auf Golla setzen, der 2018 von Melsungen nach Flensburg wechselte und in der laufenden Spielzeit 30 Tore in acht Partien (80 Prozent Trefferquote) erzielte. Allerdings musste der 23-Jährige nach einem Mittelfußbruch lange pausieren.
Die zweite Offensiv-Option ist Preuss (18 Tore in 14 HBL-Spielen), der Golla zwangsläufig Pausen verschaffen muss. Allerdings plagte sich der 25-jährige Bayer in der finalen Phase der Vorbereitung mit einer Knieblessur herum.
Auch Firnhaber kann offensiv spielen, wie vier Tore pro Partie in dieser Saison beweisen. Allerdings wird er dringend in der Abwehr gebraucht.
Mittelblock
Name | Verein | Länderspiele | Tore |
Johannes Golla | SG Flensburg-Handewitt | 13 | 31 |
Sebastian Firnhaber | HC Erlangen | 2 | 4 |
Da neben Pekeler und Wiencek auch Finn Lemke (Melsungen) aus persönlichen Gründen seine Teilnahme abgesagt hat, ist nichts mehr vom Mittelblock der vergangenen Jahre übrig. Und dieser war eigentlich immer das Prunkstück der DHB-Auswahl.
Dass Golla auf höchstem Niveau agieren kann, hat er in Flensburg und bei der EM 2020, als er zur Hauptrunde ins Team rückte, nachgewiesen. Aber klappt das auch, wenn er gemeinsam mit Firnhaber die Hauptverantwortung tragen muss?
Golla und Firnhaber konnten sich kaum aneinander gewöhnen, bei den Quali-Spielen gegen Österreich packten beide für den Geschmack von Gislason noch etwas zu zart zu. "Die Abwehr bereitet mir das größte Kopfzerbrechen", sagte der Bundestrainer.
Fazit: Die hochkarätigen Ausfälle am Kreis und damit auch im Mittelblock sind nicht zu kompensieren. Sie sind die mit Abstand größte Baustelle im DHB-Team.
gettySchlussfazit
Im Tor und auf den Außenpositionen ist die deutsche Mannschaft hervorragend besetzt. Auch der linke Rückraum bietet keinen Grund zur ganz großen Sorge. Auf der Spielmacherposition bleibt das altbekannte Problem, während im rechten Rückraum und vor allem am Kreis und im Mittelblock der Schuh gewaltig drückt.
Bundestrainer Gislason muss kreative Lösungen finden und gemeinsam mit den Spielern einen besonderen Spirit und Teamgeist entwickeln, um die aufgrund der Absagen offensichtlichen Defizite zu kompensieren.
Handball-WM: Spielplan der deutschen Gruppe
Datum | Uhrzeit | Team 1 | Team 2 |
Fr., 15. Januar | 18 Uhr | Deutschland | Uruguay |
Fr., 15. Januar | 20.30 Uhr | Ungarn | Kapverden |
So., 17. Januar | 18 Uhr | Kapverden | Deutschland |
So., 17. Januar | 20.30 Uhr | Ungarn | Uruguay |
Di., 19. Januar | 18 Uhr | Uruguay | Kapverden |
Di., 19. Januar | 20.30 Uhr | Deutschland | Ungarn |