DHB-Gegner im Check: Dann könnte es schon gegen Island eng werden

Florian Regelmann
19. Januar 201914:04
Aron Palmarsson ist der Superstar im Team Islands.getty
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Deutschland startetmiteinersehrgutenAusgangslage in die WM-Hauptrunde in Köln, jetztwartenmitKroatien und SpanienaberzweiechteSchwergewichte und dazueingefährliches Team aus Island.

Worauf gilt es zu achten? Welche Spieler stehen im Fokus? SPOX hat die kommenden DHB-Gegner während der Vorrunde in München beobachtet. Eine Analyse.

Island (0:4-Punkte, 52:63-Tore - DHB vs. Island, 20.30 Uhr im LIVETICKER)

So lief die Vorrunde: Der Vorrunden-Spielplan meinte es nicht gut mit Island. In den ersten beiden Spielen ging es gleich gegen die Powerhouses Kroatien und Spanien, ein 0:4-Start war quasi vorgezeichnet. Aber: Island präsentierte sich vor allem in einem überragenden Auftaktspiel gegen Kroatien stark und lag sogar neun Minuten vor dem Ende noch vorne, ehe die Kroaten das Spiel in der Schlussphase auf ihre Seite zogen (31:27).

Nach einer klaren Niederlage gegen Spanien (25:32) erledigte Island die Pflichtaufgaben gegen Bahrain (36:18) und Japan souverän (25:21), auch wenn man sich gegen das Team von Dagur Sigurdssson phasenweise durchaus schwer tat. Im Endspiel um Platz drei in der Gruppe fighteten die Isis Mazedonien um Kiril Lazarov dank einer starken zweiten Halbzeit nieder (24:22) und lösten so verdient das Hauptrunden-Ticket.

Aron Palmarsson ist der Superstar im Team Islands.getty

Die bisherigen Erkenntnisse: Das Team von Coach Gudmundur Gudmundsson befindet sich im Umbruch. Viele junge Spieler bestreiten ihr erstes großes Turnier, es wird von einem 3-Jahres-Plan gesprochen.

Superstar Aron Palmarsson (FC Barcelona) führt das Team als Captain an, war gegen Kroatien (7 Tore) und in der Anfangsphase gegen Spanien absolut überragend, ehe er im restlichen Verlauf der Vorrunde im Abschluss etwas schwächelte (19 Tore nach der Vorrunde/59 Prozent Quote). Aber: Wenn es wichtig wurde, konnte sich Gudmundsson auf Palmarssons Regie (17 Assists) verlassen. Ein wichtiges Tor erzielen, einen entscheidenden Siebenmeter rausholen - es läuft gerade in der Crunchtime natürlich so gut wie alles über den ehemaligen Kieler.

Einen herausragenden Eindruck hinterlässt bislang Arnor Thor Gunnarsson. Der Rechtsaußen vom Bergischen HC steht in der Torjägerliste der WM aktuell mit 31 Toren gemeinsam mit Uwe Gensheimer auf Rang zwei, nur Dänen-Superstar Mikkel Hansen traf öfter (35). Gunnarssons Quote (84 Prozent) ist sogar noch etwas besser als die von Gensheimer (76 Prozent), als erster Siebenmeter-Schütze ist er zudem auch eine ziemlich sichere Bank (12/15). Mazedonien schoss Gunnarsson mit 10 Treffern praktisch im Alleingang ab.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist Torhüter Bjorgvin Pall Gustavsson, der sich nach schwachem Start ins Turnier steigern konnte (35 Prozent gehaltene Bälle nach der Vorrunde) und schon sieben Siebenmeter parieren konnte. Also aufgepasst, Uwe Gensheimer!

Island ist ein gefährlicher Gegner. Erwischt Palmarsson einen der Tage, an dem er einfach mal alles ins Tor hämmert und ein Spiel alleine gewinnt, könnte es brenzlig werden. Aber ganz klar: Gegen Island muss das deutsche Team zum Start in die Hauptrunde gewinnen, wenn der Zug Richtung Halbfinale weiterfahren soll. Es ist für Deutschland perfekt, mit einem Spiel gegen den schwächsten Hauptrunden-Gegner starten und sich so für die Schlachten gegen Kroatien und Spanien in eine Top-Position bringen zu können.

Player to watch: Gisli Thorgeir Kristjansson (THW Kiel). Der 19-Jährige ist ein kommender Star, ein Spielmacher der Zukunft im Welthandball, sonst hätte der THW den Sohn von Legende Kristjan Arason nicht verpflichtet. Dabei hätte sich Kristjansson auch für Fußball entscheiden können, bis zur U17 war er auch dort Nationalspieler.

Kristjanssons Ausbeute in der Vorrunde (nur 4 Tore/36 Prozent Quote) war im Abschluss nicht besonders, sein Spiel ist naturgemäß noch etwas wild, aber wenn er neben seinem Idol Palmarsson auf der Platte steht, ist Island eindeutig am gefährlichsten. Kristjanssons Auge zeigen seine 13 Assists, damit hat er genauso viele Vorlagen auf dem Konto wie Deutschlands bester Mann in dieser Kategorie (Fabian Wiede).

"Es ist ein Traum, jetzt in Deutschland vor so vielen Fans gegen Deutschland spielen zu dürfen. Ich weiß noch, wie ich 2007 als kleiner Junge in Island vor dem Fernseher saß und Mimi Kraus und Co. gesehen habe. Das war unglaublich. Warum sollen wir Deutschland nicht ärgern können? Wenn wir unseren besten Tag erwischen, ist alles möglich", sagt Kristjansson im Gespräch mit SPOX.

Kroatien (4:0-Punkte, 54:46-Tore - DHB vs. Kroatien, Mo., 20.30 Uhr im LIVETICKER)

So lief die Vorrunde: Was Berlin für das DHB-Team war, war München für die Kroaten. Es war im Endeffekt bislang eine Heim-WM, die Stimmung im letzten Vorrundenspiel beim sehr beeindruckenden Erfolg gegen Spanien (23:19) war fast schon Zagreb-like.

Nach dem Auftaktsieg gegen Island (31:27) hatten die Kroaten keine Mühe gegen Japan (35:27), der klare Sieg gegen Mazedonien (31:22) angeführt von einem starken Domagoj Duvnjak war dann ein erstes kleines Ausrufezeichen. Gegen Bahrain (32:20) hatten die Kroaten die Gelegenheit, dem zweiten Anzug Spielpraxis zu verschaffen.

Die bisherigen Erkenntnisse: Ja, auch Kroatien befindet sich im Wandel, nach der enttäuschenden Heim-EM (Platz 5) sind einige Stars wie beispielsweise Ivan Cupic nicht mehr dabei. Igor Vori hat seine Karriere beendet und die Rolle des Teammanagers übernommen. Aber die Kroaten haben dennoch eine brutal stark besetzte und titelreife Mannschaft am Start, das hat die Vorrunde eindeutig gezeigt.

Die Abwehr muss sich vor der deutschen sicher nicht verstecken. Die Spanier entnervten die Kroaten mit der Umstellung auf eine 5-1-Deckung komplett und entschieden in dieser Phase mit einem 5:0-Lauf innerhalb von fünf Minuten letztlich das Spiel.

Kapitän Duvnjak (15 Tore/56 Prozent Quote) ist der klare - auch emotionale - Anführer und unglaublich heiß auf den WM-Titel, das spürt man in jeder Aktion des Kielers. Der Rückraum der Kroaten ist nicht nur wegen Duvnjak spektakulär besetzt. Auf halbrechts muss PSG-Star Luka Stepancic (19 Tore, 66 Prozent Quote) zwar praktisch durchspielen, daneben kann Coach Lino Cervar aber mit Duvnjak, dem genialen Spielmacher Luka Cindric (Kielce) und Igor Karacic (Vardar Skopje) munter durchwechseln, ohne an Qualität zu verlieren.

Karacic (21) und Duvnjak (20) sind von allen Spielern der Hauptrunden-Teams die besten Assistgeber. Gegen Spanien profitierte dann häufig Zeljko Musa (Magdeburg) am Kreis. Bester Werfer der Kroaten ist nach der Vorrunde wenig überraschend Rechtsaußen Zlatko Horvat (23 Tore, 82 Prozent Quote, 8/8 gegen Spanien), der vom Siebenmeter-Punkt und im Tempogegenstoß eine Maschine ist.

Und dann ist da noch Legende Lino Cervar auf der Bank. Der 68-Jährige gehört in die Kategorie Trainer, die man das ganze Spiel lang beobachten möchte. Als Manuel Strlek gegen Spanien statt Ruhe reinzubringen einen risikoreichen Pass übers ganze Feld versuchte und dieser misslang, schimpfte Cervar sicher zwei Minuten lang ununterbrochen in die Richtung Strleks. Wenig später fand sich Strlek auf der Bank wieder und Backup David Mandic übernahm.

Domagoj Duvnjak ist der unumstrittene Leader des kroatischen Teams.getty

Player to watch: Marin Sego (Pick Szeged). Bei einer kroatischen Handball-Nationalmannschaft steht Mirko Alilovic im Tor. Jahrelang war das eigentlich Gesetz, aber jetzt ist Alilovic tatsächlich nicht mehr dabei. Wer jetzt gedacht hätte, dass Kroatien im Tor ein Problem bekommen würde, der sieht sich nach den Eindrücken der Vorrunde total getäuscht.

"Sego! Sego!"-Sprechchöre hallten immer wieder durch die Münchner Olympiahalle. Der 33-Jährige hielt gerade gegen Spanien bärenstark und ist bislang der nötige Rückhalt für die Kroaten (37 Prozent abgewehrte Würfe). Auch positiv: Sein Vertreter Ivan Stevanovic hat in seiner limitierten Einsatzzeit sogar noch einen besseren Wert (39 Prozent) und liegt wie Sego in den Top 10 des Turniers.

Spanien (2:2-Punkte, 51:48-Tore - DHB vs. Spanien, Mi., 20.30 Uhr im LIVETICKER)

So lief die Vorrunde: Der amtierende Europameister startete mit deutlichen Siegen gegen Bahrain (33:23) und Island (32:25) sehr souverän ins Turnier, ehe der Auftritt beim wenig überzeugenden 26:22 gegen Japan (zur Pause stand es sogar 10:11) erste Zweifel über die Form der Spanier aufkommen ließ. Auch gegen Mazedonien mühte sich Spanien eine Halbzeit lang extrem ab, zeigte dann aber, was diese Mannschaft eigentlich ausmacht.

Dank einer überragenden Abwehr ein Ballverlust nach dem anderen forcieren und den Gegner mit einem Lauf im wahrsten Sinne des Wortes überrennen. Gegen Mazedonien dauerte es nach der Pause nur schlappe fünf Minuten, schon wurde per 7:1-Lauf aus einem 13:12 ein 20:13. Game over. Am Ende stand ein lockerer 32:21-Sieg zu Buche. Das war typisch Spanien. Im so wichtigen Kracher gegen Kroatien wurde das Team von Coach Jordi Ribera dann aber selbst Opfer eines Laufs. Die 19:23-Pleite sorgt dafür, dass Spanien jetzt im ersten Hauptrunden-Spiel gegen Frankreich schon mit dem Rücken zur Wand steht.

Die bisherigen Erkenntnisse: Der etatmäßig erste Rückraum der Spanier besteht aus Captain Raul Entrerrios (FC Barcelona) auf der Mitte, Alex Dujshebaev (Kielce) auf halbrechts und Joan Canellas (Szeged) auf halblinks. Klingt extrem stark, war in der Vorrunde aber größtenteils eine Enttäuschung.

Vor allem auf halblinks funktioniert wenig bis nichts. Ribera versuchte es mit Daniel Sarmiento, er versuchte es mit Daniel Dujshebaev, aber niemand zündete. Bemerkenswert: Von allen Hauptrunden-Teams hat Spanien aus 9 Metern die schlechteste Quote (gerade mal 41 Prozent). Zum Vergleich: Bei Dänemark sind es 61 Prozent.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Quote von außen trotz eines insgesamt sehr starken Ferran Sole (26 Tore, 10/10 Siebenmeter) schwach ist (18/36) und auch das gefürchtete spanische Spiel über den Kreis noch nicht in Fahrt kommen will. Star Julen Aguinagalde hat im gesamten Turnier erst 8 Tore geworfen.

Aber: Die Deckung um den Weltklasse-Innenblock mit Viran Morros und Gedeon Guardiola steht und solange bei den Spaniern die Deckung steht und sie darauf basierend ihr Tempospiel (schon 36 Fastbreak-Tore) aufziehen können, haben sie in jedem Spiel die Chance auf den Sieg. Spanien darf man nicht abschreiben. Es wäre nicht verwunderlich, wenn Entrerrios und Co. in der Hauptrunde alle Spiele gewinnen und noch ins Halbfinale kommen.

Spanien baut auf den Innenblock mit Viran Morros und Gedeon Guardiola.getty

Players to watch: Gonzalo Perez de Vargas/Rodrigo Corrales. Die Spanier haben eines der besten Torhüter-Duos der WM und gehen damit anders um als das deutsche Team. Es gibt keine klare Nummer eins, Rodrigo Corrales (PSG) und Gonzalo Perez de Vargas (FC Barcelona) haben in der Vorrunde abwechselnd die Spiele begonnen.

Perez de Vargas war beim Sieg gegen Mazedonien der Mann des Spiels (18 Saves) und ersetzte gegen Kroatien nach der Pause einen glücklosen Corrales. Es ist davon auszugehen, dass er auch im jetzt so entscheidenden Spiel gegen Frankreich beginnen wird. Wenn Perez de Vargas im Kasten steht, ist für jedes Team, das ohne Torwart spielt, Vorsicht geboten. Während viele Keeper bei Würfen ins leere Tor keine gute Quote haben, ist Perez de Vargas hier extrem selbstbewusst und sicher, das hat er in der Vorrunde in München gezeigt.