Heiner Brand ist nun schon seit 1997 Bundestrainer der Handball-Nationalmannschaft. Man kann sich eine DHB-Auswahl ohne den 57-Jährigen fast gar nicht mehr vorstellen.
Im SPOX-Interview spricht Brand über den WM-Titel der Junioren-Nationalmannschaft, die Schwierigkeiten zu Beginn seiner Tätigkeit als Bundestrainer und seine persönliche Zukunft.
SPOX: Hallo Herr Brand, der WM-Titel der Junioren hat viele richtig begeistert. Wie haben Sie ihn erlebt und welche Bedeutung hat er für den deutschen Handball?
Heiner Brand: Zuerst einmal haben wir uns alle sehr gefreut, weil es eine Bestätigung für die gute Arbeit ist, die in den letzten Jahren im Jugend- und Juniorenbereich geleistet wurde. Es ist auch eine Bestätigung für die verantwortlichen Personen, dass sie erfolgreich arbeiten. Und vor Ort gab es für mich auch wieder manchen Fingerzeig, dass unsere Talente keinesfalls schlechter ausgebildet sind als in anderen Ländern. Das Gegenteil ist der Fall.
SPOX: Und obwohl sie gut ausgebildet sind, bekommen die Jungs in ihren Vereinen kaum Möglichkeiten zur Entfaltung.
Brand: Dass sie bis zum jetzigen Zeitpunkt in der Bundesliga noch nicht voll Fuß gefasst haben, würde ich noch als normal einstufen. Aber jetzt müssten sie eben dementsprechend gefördert und gefordert werden. Dann würden die meisten von ihnen sicherlich auch schneller in der Bundesliga mitmischen als es bislang der Fall war und sich dann im optimalen Falle für höhere Aufgaben empfehlen.
SPOX: Sie predigen seit Jahren, dass die Vereine mehr auf den deutschen Nachwuchs setzen sollen. Haben Sie das Gefühl, dass sich etwas getan hat?
Brand: Grundsätzlich würde ich schon sagen, dass es eine Veränderung, wenn auch eine kleine Veränderung, hin zum Positiven gegeben hat. Nicht bei allen Vereinen, aber bei vielen. Viele wissen inzwischen, dass es durchaus Erfolg versprechend ist, auf junge Spieler zu vertrauen. Es ist vor allem nicht nur wichtig, sondern für den deutschen Handball überlebensnotwendig, weil die Nationalmannschaft sonst auf Dauer nicht stark sein kann. Ich würde mich freuen, wenn sich diese Mentalität noch mehr durchsetzt.
SPOX: Wer den Erfolg der Junioren sieht, der könnte meinen, dass Deutschland auf lange Zeit auf jeden Fall zur Weltspitze gehören wird.
Brand: Da muss man aufpassen. Ganz sicherstellen kann man das nie. Aber wenn wir es schaffen, unsere genug vorhandenen Talente, die wir zweifelsfrei haben, schneller und besser an größere Aufgaben heranzuführen, dann ist die Wahrscheinlichkeit, Weltspitze zu bleiben, natürlich höher, als wenn wir das nicht gut hinbekommen.
SPOX: Gibt es Jungs aus der siegreichen Junioren-Truppe, die wir schon bald im A-Team sehen werden?
Brand: Am nächsten dran ist sicherlich Patrick Groetzki, der ja auch schon bei der EM-Qualifikation zwei Spiele gemacht hat. Dennoch ist es auch für ihn noch ein weiter Weg, weil er, wie alle anderen auch, leistungsmäßig noch ein Stückchen entfernt ist. Aber ich habe alle Jungs genau im Auge, so viel kann ich sagen. Nun geht es darum, dass sie im täglichen Geschäft nach vorne gebracht werden.
SPOX: Das nächste Highlight für Sie ist die EM in Österreich im nächsten Jahr. Von Titelgewinn bis Vorrunden-Aus scheint im Handball einfach alles möglich.
Brand: Da kann ich Ihnen nur Recht geben - die Dichte in der europäischen Spitze ist so wahnsinnig, dass ein gutes Turnier nicht automatisch zum Titel führt. Gerade in der aktuellen Situation, in der wir eine neue Mannschaft aufbauen. Man muss sich nur unsere Gruppe für Österreich anschauen. Schweden, Polen, Slowenien - da weiß jeder Bescheid, wie schwer das wird. Klar ist der Titel immer das Ziel, aber es kann auch mal ein Rückschlag kommen und deshalb ist für uns mit dieser Mannschaft in erster Linie wichtig, dass wir uns in der Spitze etablieren. Der fünfte Platz bei der WM war so gesehen schon ein großer Erfolg, diesen wollen wir bestätigen. Wobei wir dennoch immer den Willen haben, vielleicht ein Stückchen weiterzukommen.
SPOX: Und dann eben doch noch mal einen Titel holen, bevor Ihr Vertrag 2013 ausläuft.
Brand: (lacht) Dass es gar keine Enttäuschung wäre, wenn wir in den nächsten Jahren nichts gewinnen, das würde ich nicht sagen wollen. Aber oft hängt es an Kleinigkeiten. Mir kommt es auf die Qualität unseres Spiels an. Wenn die stimmt, kommen die Erfolge von alleine. In welchem Jahr sie kommen, kann ich nicht sagen, aber sie werden kommen. Das war bis jetzt immer so.
SPOX: Wer sind die Führungsfiguren in den nächsten Jahren?
Brand: Mit Mimi Kraus, Holger Glandorf und auch Pascal Hens, den wir unbedingt wieder brauchen, haben sich einige herauskristallisiert. Mimi musste nach der WM 2007 viele Rückschläge verkraften und hat sicher noch Steigerungspotenzial. Insgesamt sehe ich das Team nach der guten WM und der souveränen EM-Qualifikation auf einem guten Weg.
SPOX: Was ist mit einem Mann wie Henning Fritz?
Brand: Wenn Henning Fritz mit starken Leistungen auf sich aufmerksam machen kann, werde ich das sicherlich auch belohnen. Aber man muss auch ehrlicherweise sagen, dass es aktuell keinen Grund gibt, im Tor etwas zu verändern.
SPOX: Wie sieht es bei Christian Zeitz aus?
Brand: Zeitz hat erklärt, dass er nicht spielen will, aber im Augenblick wäre er ohnehin kein Kandidat für die Nationalmannschaft. Es ist nun mal so, dass er in der letzten Saison nicht mehr zu den besten Spielern auf halbrechts gehört hat. Ein Michael Müller ist an ihm vorbei gezogen.
SPOX: Obwohl Sie schon so lange im Amt sind, scheinen Sie immer noch unheimlich viel Spaß an Ihrem Job zu haben. Was genau bereitet Ihnen die größte Freude?
Brand: Der große Reiz meiner Bundestrainertätigkeit ist zum einen die Arbeit mit jungen Leuten. Und zum andern muss man sich immer neuen Herausforderungen stellen, so wie nach den letzten Olympischen Spielen. Wenn man dann ein neues Team aufbaut und die Fortschritte sieht, macht das viel Spaß. Wenn eine Mannschaft gut funktioniert, nicht nur vom Handballerischen, sondern auch was die Ausstrahlung angeht, wenn etwas nach außen rüberkommt und sie auch noch gut harmoniert, dann ist das für mich eine große Freude.
SPOX: Wenn Sie an Ihre Anfangszeit als Bundestrainer zurückdenken, wo haben Sie sich am meisten verändert?
Brand: Der größte Unterschied ist, dass ich nicht mehr dieses Unsicherheitsgefühl habe, das ich am Anfang spürte. Klar hatte ich meine Vorstellungen, wie man nach vorne kommt und Dinge bewegen kann, aber es war nicht einfach, weil ich die Spieler nicht kannte. Ich kannte sie aus der Bundesliga, aber nur aus der Distanz als Zuschauer. Es hat eine Weile gedauert, bis sich beide Seiten kennen gelernt hatten, dann wurde alles etwas einfacher.
SPOX: Ihr Vertrag läuft wie schon besprochen bis 2013. Ist eine erneute Verlängerung ausgeschlossen?
Brand: Ich gehe eigentlich davon aus, dass nach Vertragsende Schluss ist. Es sind aber noch dreieinhalb Jahre Zeit, wer weiß, was bis dahin passiert. Man sollte nicht zu frühzeitig endgültige Aussagen machen, aber nach jetzigem Stand gehe ich davon aus, dass dann Schluss ist.
SPOX: Und wie wäre es dann mit einem Trainer-Job bei einem Klub?
Brand: Auch da sollte man niemals nie sagen, aber aktuell kann ich mir das nicht vorstellen. Ich bin jetzt so lange Zeit Bundestrainer und ich weiß nicht, ob ich noch mal jeden Tag in der Halle stehen wollte. Aber es wäre sicher auch eine Herausforderung, mit internationalen Topspielern zusammenzuarbeiten. Wie ich auf eine Anfrage reagieren würde, kann ich nicht sagen.
SPOX: Auch wenn Sie es schon drei Millionen Mal gehört haben, muss ich Sie noch einmal auf DIE Szene der WM in Kroatien ansprechen. Sie wollten dem Schiri an den Kragen. Man konnte meinen, Sie seien es gar nicht gewesen.
Brand: (lacht) Doch. Leider war ich es. Das lässt sich nicht abstreiten. Ich habe zu der Aktion gestanden, auch wenn ich überhaupt nicht stolz drauf war. Ich habe für meine Emotionen zu 99 Prozent positives Feedback bekommen, aber ich persönlich fand es nicht ganz passend für mich. Ich habe mir vorgenommen, so etwas in Zukunft zu vermeiden.
Heiner Brand analysiert mit SPOX die Topteams der Bundesliga
Meistgelesene Artikel
Das könnte Dich auch interessieren

.jpg?quality=60&auto=webp&format=pjpg&width=317)

