"Will keine Weltstars bei Laune halten"

Felix Götz
19. August 201516:00
Verstehen sich gut: Biegler (l.) bei einem Benefizspiel mit Stefan Kretzschmarimago
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Michael Biegler soll den krisengeschüttelten HSV wieder in ruhiges Fahrwasser lenken und mit der polnischen Nationalmannschaft bei der Heim-EM 2016 für Furore sorgen. Im Interview mit SPOX spricht Beagle über den radikalen Neuanfang in Hamburg, sein Image, sein Profil als Trainer, Pascal Hens und einen Spagat zwischen zwei Welten.

SPOX: Herr Biegler, ich fürchte, dass Sie es nicht mehr hören können, stelle die Frage aber trotzdem. Ihnen eilt der Ruf eines harten Hundes voraus. Dabei sehen Sie sich selbst anders, richtig?

Michael Biegler: Jetzt fangen Sie auch noch damit an. Diese Frage bekomme ich pausenlos gestellt. Ich beantworte Sie einfach nicht mehr. Oder zumindest nur so: Wir brauchen Regeln im Leistungssport, ich bereite meine Mannschaften ordentlich vor. Harte Arbeit ist dafür notwendig und normal. Das hat aber nichts damit zu tun, dass man ein harter Hund ist. Die Medienlandschaft hat eine Schublade für mich gefunden. Mir tut die nicht weh. Wenn man die Leute fragt, die mit mir arbeiten, kommt allerdings ein anderes Bild heraus.

SPOX: Anders gefragt: Warum sind Sie in der aktuellen Situation der richtige Mann für den HSV?

Biegler: Im Handball ist es wie beispielsweise auch im Fußball. Es gibt Trainer, die für bestimmte Situationen das passende Profil haben. Manche, die mit der Creme de la Creme im Kader immer um die Meisterschaft mitspielen. Manche, die eher etwas aufbauen. Ich bringe das richtige Profil für den HSV in der aktuellen Lage mit, deshalb wurde ich gefragt.

SPOX: Sie sind also der Typ Neuanfang?

Biegler: Ich glaube, ich kann gut etwas aufbauen, ein Team bilden, ihm ein Gesicht geben. Mich reizt einfach so ein Neuanfang, wie er in Hamburg gemacht wird. Solche Aufgaben nehme ich gerne wahr. Wenn Sie sich meine vorherigen Stationen anschauen, werden Sie feststellen, dass es sich dabei auch nicht um Vereine gehandelt hat, bei denen alles rund lief. Ich weiß, was man in solchen Situationen tun muss.

SPOX: Heißt das im Umkehrschluss, dass Sie nicht zwingend der richtige Trainer für ein Team wären, das mit den besten Spielern der Welt gespickt ist?

Biegler: Einen Neuanfang zu gestalten liegt mir zumindest eher, als irgendwelche Weltstars bei Laune zu halten. Das will ich nicht. Es gibt Dinge, die ich nicht kann. Aber die sind hier in Hamburg aktuell nicht gefragt. Ich denke, ich wäre der falsche Mann, wenn wir überlegen würden, ob wir nur einen Karabatic oder gleich beide kaufen sollen. Wenn das hier der Fall wäre, dann wäre ich überflüssig.

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SPOX: An einen Karabatic denkt in Hamburg derzeit niemand, der Neuanfang ist ziemlich radikal. Sie haben deshalb bislang kein konkretes Saisonziel genannt. Ist jetzt aber vielleicht nicht doch der richtige Zeitpunkt dafür gekommen?

Biegler: Nein, das geht doch jetzt auch noch gar nicht. Das wäre Kaffeesatzleserei. Wir sind immer noch in dem Prozess, eine neue Mannschaft aufzubauen, die bei Null startet. Wenn man ein Team hat, bei dem der Stamm klar steht, kann man ein Ziel ausgeben. Das ist bei uns aber nicht der Fall. Es gibt viele neue Spieler und mit mir einen neuen Trainer - das braucht Zeit.

SPOX: Zeit, die man - das brauche ich Ihnen nicht zu erklären - im Leistungssport selten bekommt.

Biegler: Das Zeitfenster ist eng, man hat Ansprüche und Wünsche. Das ist klar. Diesen Ansprüchen wollen wir gerecht werden, wir nehmen diese Herausforderung an. Ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind.

SPOX: Trotz des herben Dämpfers mit dem Aus in der ersten Pokalrunde gegen den Zweitligisten Nordhorn-Lingen?

Biegler: Die Fehlerquote war in dieser Partie einfach zu hoch. Alleine in der Verlängerung haben wir zwei Bälle einfach weggeworfen. Wir brauchen mehr Zug im Gegenstoß. Wir müssen die Zeit bis zum Bundesligastart nutzen, um uns dann fehlerfrei zu zeigen. Abgesehen davon hat sich die Mannschaft in der Vorbereitung aber gut präsentiert. Sie trainiert seriös, sie fightet, sie beißt. Sie versucht das umzusetzen, was man ihr mit auf den Weg gibt. Aber wie gesagt: Wir sind noch nicht so schlau, dass wir wissen, wo die Reise hingeht. Gerade in Krisensituationen muss sich eine Mannschaft erst einmal bewähren.

SPOX: Der Verein hat neun Abgänge und zehn Zugänge zu verzeichnen. Wie bewerten Sie den Ihnen zur Verfügung stehenden Kader?

Biegler: Er ist vielleicht individuell nicht auf allen Positionen spektakulär besetzt, aber interessant. Wir haben einige Arbeiter im Team und sehr unterschiedliche Spieler. Der Vorteil daran ist, dass man gut auf verschiedene Systeme reagieren kann.

SPOX: An wen denken Sie, wenn Sie von interessanten Spielern sprechen?

Biegler: Brozovic am Kreis beispielsweise, der mit Sicherheit eine gute Entwicklung in der Bundesliga nehmen wird. Oder auch Mortensen. Drasko Nenadic war eine wichtige Verpflichtung, um die Abwehr zu schließen. Dazu kommen die, die schon da waren.

SPOX: Gerade bei denen ist die Ausgangslage aber kompliziert. Johannes Bitter ist nach seiner Leistenverletzung noch nicht wieder richtig fit, ebenso Hans Lindberg nach seinem Nierenriss.

Biegler: Zunächst einmal jammere ich nicht über Ausfälle oder personelle Engpässe, das habe ich bei meinen Stationen davor auch nicht gemacht. Ich versuche Lösungen zu finden. Dennoch sind wir sehr glücklich, dass Hans Lindberg nach seinem sehr schweren Unfall immer mehr zurückkommt und Jogi Bitter nach seiner langen Pause auch. Für Pascal Hens gilt nach seiner ebenfalls langen Pause das gleiche.

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SPOX: Sie haben Pommes angesprochen. Er geht wahrscheinlich in die letzte Saison seiner Karriere. Wie wichtig ist er noch für Hamburg?

Biegler: Pascal Hens hat eine unglaubliche Vita, hat fast alles erreicht. Für mich ist er im deutschen Handball neben Heiner Brand und Kretzsche die dritte Strahlkraft. Alle kennen ihn, auch über den Handball hinaus. Damit ist er für unseren Verein ein Aushängeschild, ein Vorreiter. Sie müssten mal erleben, wie er umlagert wird, wenn wir irgendwo auf dem Dorf Testspiele machen. Diese Stellung ist ihm aber ohnehin sicher. Wenn es nur darum ginge, könnte er direkt aufhören.

SPOX: Um was geht es dann? Was erwarten Sie von ihm in der kommenden Spielzeit?

Biegler: Es gab ein Gespräch zwischen uns, in dem wir eine Art Deal aushandelten. Ich finde, er sollte sportlich auf einem hohen Niveau abtreten, alles andere fände ich schade. Und diesen Anspruch hat auch er. Daran arbeiten wir.

SPOX: Die Außendarstellung des HSV war in der jüngeren Vergangenheit mitunter schlimm. Ist es zunächst das Wichtigste, wieder ein besseres Bild nach außen zu tragen?

Biegler: Ohne zurückblicken zu wollen ist es natürlich so, dass wir eine gewisse Seriösität und Konstanz an den Tag legen müssen. In Hamburg kommen nach wie vor viele Zuschauer zu den Heimspielen, die wollen wir mitnehmen, ihnen möglichst viele Feste bieten. Dazu ist es nötig, eine Mannschaft zu haben, die hart und gemeinsam arbeitet.

SPOX: Ein Fragezeichen steht dabei hinter Ihrer Doppelfunktion als HSV-Coach und als Nationaltrainer Polens. Bis zu Ihrer Vertragsunterzeichnung beim HSV verging viel Zeit. Waren Sie sich etwa selbst nicht sicher, ob beides unter einen Hut zu bekommen ist?

Biegler: Dass es so lange gedauert hat, war keine Zockerei. Erst musste die polnische Föderation, dann der HSV, überlegen, ob man den Trainer Biegler in dieser Konstellation haben will. Der musste sich dann entscheiden. Es verging so viel Zeit, weil man sich einig werden musste, in welcher Konstellation das funktioniert. Nun gibt es klare Absprachen.

SPOX: Sie zweifeln also nicht, ob es nicht doch zu viel werden könnte?

Biegler: Ich machte mir vorher reichlich Gedanken. Wochenlang, jeden Tag. Alles ist wohl überlegt. Ich hatte genügend Zeit alles abzuwägen, alles zu organisieren.

SPOX: Ideal ist eine Doppelfunktion aber trotzdem selten, oder? Auch wenn Sie nach der EM als Nationaltrainer aufhören.

Biegler: Ich bin wahrlich kein Freund von Doppelfunktionen. Erst recht nicht, wenn sie in der Außendarstellung nicht vertretbar sind. Davon gibt es viele, an denen sich kaum jemand stört. Aber eine Doppelfunktion als Nationaltrainer Polens und beim HSV gehört für mich nicht dazu. Ich bin schließlich nicht Nationaltrainer eines Landes und trainiere gleichzeitig in der Liga dieses Landes. Zudem handelt es sich um einen überschaubaren Zeitraum, der gut planbar ist. Für Dujshebaev beispielsweise ist es anstrengender, trotzdem gibt es keine Diskussionen. Er trainiert Ungarn und mit Kielce noch einen Klub, der in der Champions League vertreten ist.

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SPOX: Für die Polen scheint mir die Situation schwierig, weil sie ihren Trainer "teilen" müssen, obwohl mit der EM 2016 im eigenen Land ein absolutes Highlight ansteht.

Biegler: Der Prozess bei den Polen ist weit fortgeschritten, alles ist sehr gut vorbereitet. Ich muss nicht mehr über die Dörfer tingeln und mir ein Jugendtraining anschauen um zu verstehen, was, wann, warum passiert. Das habe ich bereits in den letzten zweieinhalb Jahren mit meinem Co-Trainer erledigt. Das Programm in Richtung EM ist längst fertig, das Paket steht.

SPOX: Und die Vorbereitung leidet nicht?

Biegler: Die polnischen Spieler bereiten sich zunächst in ihren Vereinen vor, ab dem 14. Dezember wird die Mannschaft dann zur Vorbereitung auf die Europameisterschaft in Hamburg sein. Ich werde natürlich trotzdem auch zuvor schon in Polen sein, zum Beispiel um mir ein Vorbereitungsspiel von Kielce anzuschauen. Selbst das schaffe ich. Ich bin völlig entspannt, was diese Arbeit angeht.

SPOX: Was meinen Sie genau?

Biegler: Der Kader für die EM steht doch quasi schon. Da kommen kaum neue Spieler dazu, wir haben in Polen eben nicht so viele Spieler zur Auswahl. Junge Spieler haben sich schon empfohlen und werden das auch weiterhin tun können. Aber denen gehört erst nach der EM die Zukunft. Dann werden sie ihren Weg gehen.

SPOX: Was dürfen wir denn generell von der EM in Polen erwarten?

Biegler: Der Handball-Sport wird begeistert gefeiert werden. Die Organisation wird gut sein, in allen Hallen wird eine Mordsstimmung herrschen. Es wird super.

SPOX: Wenn Sie schon kein Saisonziel für den HSV ausgeben: Verraten Sie uns dann zum Abschluss wenigstens, wer deutscher Meister wird?

Biegler: Flensburg muss durch die Verpflichtungen den Anspruch haben, ganz vorne mitzumischen. Aber ich bezweifle, dass der deutsche Meister am Ende nicht THW Kiel heißen wird.

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