Bundestrainer Harksen und Czingon als Reformer

SPOX
10. Oktober 200814:20
SPOXGetty
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Ausgerechnet zwei alteingessene Trainer sollen beim krisengebeutelten Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) für frischen Wind sorgen: Herbert Czingon (56) und Rüdiger Harksen (54) sind nach der Entmachtung von Jürgen Mallow zu Leitenden Bundestrainern aufgestiegen.

Den Experten aus Mainz und Mannheim läuft allerdings - kaum im Amt - die Zeit schon davon. Bei den Weltmeisterschaften im August 2009 in Berlin kann sich der DLV kein Debakel wie bei den Olympischen Spielen in Peking mit nur einer Bronzemedaille leisten.

"Man kann nicht davon ausgehen, dass Rüdiger Harksen und ich Wundermittelchen haben. Und ich wüsste auch nicht, wie wir ein Strohfeuer entfachen sollen. Aber es gibt intern viel zu verbessern", sagte Czingon in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa.

Der frühere Leiter der Trainerschule in Mainz, seit 1978 in Diensten des DLV, hat das Stabhochspringen der Frauen in Deutschland stark gemacht und Spitzenathletinnen wie Yvonne Buschbaum betreut.Hürden-Coach Harksen, der zuletzt Vize-Europameisterin Kirsten Bolm trainierte, arbeitet seit 1984 für den Verband.

Czingon ist nun für den gesamten Sprung- und Wurfbereich zuständig, Harksen für Sprint und Lauf. Der bisherige Chefcoach Mallow kümmert sich als Sportdirektor vor allem um Organisationsfragen.

Bessere pschologische Vorbereitung gefordert

Ob der Leichtathletik nicht ein "Bernhard-Peters-Effekt" besser getan hätte? "Ich halte das für eine unwahrscheinlich gute Sache", sagte Harksen über die Arbeit des früheren Hockey-Nationaltrainers im Fußball (früher unter Jürgen Klinsmann und jetzt bei 1899 Hoffenheim), "aber Leichtathletik ist eine Individual-Sportart, das macht es viel schwieriger."

Dennoch hat Harksen bereits mit Hans- Dieter Hermann, Psychologe der Fußball-Nationalmannschaft, zusammengearbeitet und kennt Peters. "Eine bessere psychologische Vorbereitung", fordert auch Czingon, "damit unsere Athleten nächstes Jahr vor eigenem Publikum brillieren können."

Topleistungen meist nicht bei Top-Events

Dass viele DLV-Asse in der abgelaufenen Saison ihre Topleistungen meist bei nationalen Sportfesten gebracht haben und als es darauf ankam, leer ausgingen, will das neue Führungsduo ebenfalls ändern.

"Wir müssen uns international stellen. Die Athleten müssen Feuertaufen bestehen, wenn sie in Berlin vor 70 000 Zuschauern im Stadion und Millionen im Fernsehen bestehen wollen", sagte Harksen.

Dass die Deutschen zuletzt kaum noch in die Starterfelder der Golden League oder großen Grand Prix gelangt sind, will er nicht geltenlassen: Es gebe ja auch Grand Prix II-Veranstaltungen. "Einige müssen ihre Komfortzone verlassen", forderte er.

Austausch von Trainingsinhalten angestrebt

Die beiden Haudegen haben sich viel vorgenommen: die sportmedizinische Betreuung und die Rahmenbedingungen optimieren - und vor allem die interne Zusammenarbeit verbessern. So sollen Trainingsinhalte ausgetauscht werden.

Czingon vergleicht die 47 olympischen Disziplinen mit einem Betrieb wie im Zirkus: alle unter einem Dach. Doch er weiß auch: "Das ist ein Spannungsfeld, weil viele auch Konkurrenten sind." Deswegen kochen viele Heimtrainer ihr eigenes Süppchen.

"Verbesserungen im Kleinen"

"Das Training muss qualitativ und quantitativ besser werden", meinte Harksen angesichts der immer weiter wachsenden internationalen Konkurrenz. Bis 2012 haben sich die beiden Experten in ihrer neuen Funktion dem DLV verpflichtet.

Doch lange vor den Sommerspielen in London steht die WM im eigenen Land an. "Wir werden für Berlin nichts aus dem Boden stampfen können", befürchtet Czingon. "Wir können nur im Kleinen für Verbesserungen sorgen."