"Müller ist ein guter Linksverteidiger"

Adrian Fink
18. Dezember 202320:37
Kevin Assia nimmt beim FIFA Interactive World Cup 2016 in New York teil@KevinAssia10
Werbung
Werbung

Kevin Assia gehört zu den besten FIFA-Spielern der Welt und ist einer der 32 Teilnehmer beim FIFA Interactive World Cup in New York - dem wohl wichtigsten virtuellen Turnier des Jahres. Im Interview spricht der 21-Jährige über seine Einnahmen, Thomas Müller als Linksverteidiger und den bevorstehenden Trip in die USA. SPOX zeigt die Gruppenphase, sowie die Achtel- und Viertelfinals am 21. März und die Halbfinals sowie das Finale am 22. März LIVE und FOR FREE.

SPOX: Herr Assia, wie viele Stunden haben Sie heute schon FIFA gespielt?

Kevin Assia: Heute war es eine Stunde, aber generell variiert das von Tag zu Tag. Manchmal habe ich einfach keine Lust auf FIFA und spiele Call of Duty. Aber meistens spiele ich natürlich FIFA, durchschnittlich sind es so ein bis zwei Stunden täglich. Wenn ich mal ein Formtief habe, nehme ich mir einfach eine Auszeit und spiele eine Woche weniger. Das empfehle ich jedem. Wenn man dann wieder anfängt, hat man automatisch mehr Spaß.

FIFA-Geheimtipps vom Profi: Diese Spieler brauchst du in deinem Team

SPOX: Das hält sich ja in Grenzen. Spielen Sie überhaupt noch gegen Freunde oder haben da beide Seiten zu wenig Spaß dran?

Assia: Hauptsächlich spiele ich gegen meine Teamkollegen, weil die eher auf meinem Niveau sind. Nur so kann ich mich stetig verbessern. Wenn am Wochenende ein Freund vorbei kommt, spielen wir auch mal FIFA. Da ist der Leistungsunterschied aber groß. (lacht)

SPOX: Wo genau liegt der größte Unterschied zum Hobby-Spieler?

Assia: Profis haben eine gute Abwehr. Die meisten Hobby-Spieler haben in der Verteidigung Probleme und ziehen die Innenverteidiger zu früh raus. Ich persönlich gewinne meine Spiele in der Defensive.

SPOX: Obwohl es aussichtslos ist, wollen sich viele Hobby-Spieler mit den Besten der Welt messen. Wie kann man sich nach oben kämpfen?

Assia: Wir professionellen Spieler sind ein eingeschworener Kreis. Bei den Offline-Turnieren entstehen Freundschaften und es ist deshalb nicht so einfach, von außen dazu zu stoßen. Es gibt beispielsweise täglich Turniere, an denen Hobby-Spieler gar nicht teilnehmen können. Für Hobby-Spieler sollte die ESL (E-Sport-Liga, d. Red.) die erste Anlaufstelle sein. Wenn man dort Erfolge einfährt, kann man sich steigern. Wer sich online beweist, wird offline eingeladen.

SPOX: Sie haben es nach oben geschafft. Was hat sich für Sie verändert, seitdem Sie FIFA professionell spielen?

Assia: Man kann das mit den Fußballprofis vergleichen. Ich habe beispielsweise einen Manager, der sich um das Marketing, die Turnierteilnahmen und Sponsoren kümmert.

SPOX: Wie lange braucht man, um sich dieses Netzwerk aufzubauen?

Assia: Wenn man gute Leistung zeigt, geht das schnell. Ich habe mit FIFA 12 angefangen und mich ein Jahr später über Offline-Turniere für die Virtuelle Bundesliga qualifiziert. Mein Glück war, dass ich diese direkt im ersten Anlauf gewonnen habe - das ist bis heute mein größter Titel. Nach so einem Erfolg kommen die Sponsoren und Teams von alleine.

SPOX: Seitdem sind Sie in einem Team aktiv. Wie läuft der Team-Alltag ab?

Assia: Wir sind vier Spieler, die gemeinsam trainieren und teilweise auf den gleichen Turnieren unterwegs sind. Aber es gibt bei FIFA 16 keine expliziten Team-Turniere mehr. Deshalb konzentrieren wir uns auf unsere Trainings-Sessions, in denen wir zum Beispiel explizit Standards einstudieren. Außerdem nehmen wir unsere Spiele auf und analysieren uns im Anschluss gegenseitig.

SPOX: Passen Sie anhand dieser Analysen Ihre individuelle Taktik an?

Assia: Ich habe keine individuelle Taktik, aber ich gebe meinen Spielern schon gewisse Anweisungen. Meine Außenverteidiger sollen bei eigenen Angriffen zum Beispiel hinten bleiben. Solche Anweisungen machen in etwa zehn Prozent aus, aber genau diese Kleinigkeiten machen auf dem Niveau den Unterschied.

SPOX: Gehört zu diesen entscheidenden Nuancen auch das Einbinden von Tricks?

Assia: Absolut, ich persönlich trickse sehr viel - am liebsten mache ich den Übersteiger. Das kam aber erst bei FIFA 15 und FIFA 16, weil man - verglichen mit den älteren Versionen - mehr tricksen muss. Entscheidend ist, dass man den Gegner ins Leere schickt und mit einem gut getimten Trick sorgt man für einen Überraschungsmoment.

SPOX: Dementsprechend brauchen Sie technisch versierte Spieler. Welches Team wählen Sie im Normalfall?

Assia: Da ich am liebsten Cristiano Ronaldo steuere, nehme ich fast immer Real Madrid und mit dieser Wahl bin nicht alleine. (lacht) Hin und wieder spiele ich aber auch mit Bayern München, weil die Bayern eine starke Defensive haben.

SPOX: Stichwort Abwehr: Letztes Jahr hat ein Teilnehmer Thomas Müller als Linksverteidiger aufgestellt. Können Sie uns das erklären?

Assia: Also, ich persönlich stelle die Spieler so auf, wie sie auch in der Realität spielen. Aber es gibt auch FIFA-User, die ihre Aufstellung rein nach den Attributen der Spieler wählen. Thomas Müller ist so gesehen ein guter Linksverteidiger, weil er groß, schnell und robust ist.

SPOX: Neben einzelnen Attributen ist auch die Team-Taktik nicht unwesentlich. In welchem System schicken Sie Ihr Team auf den virtuellen Rasen?

Assia: Meine Lieblingsformation ist ganz klar die enge Route, also das 4-1-2-1-2. Normalerweise bleibe ich meinem System während eines Matches treu, aber wenn das Spiel auf der Kippe steht, stelle ich oft auf ein 4-2-3-1 um. Damit steht man kompakt und kann vielleicht noch den entscheidenden Konter setzen. Ich bin davon überzeugt, dass der Erfolg zu 60 Prozent vom System abhängt.

SPOX: Gibt es Systeme, die im professionellen Bereich gar nicht zum Einsatz kommen?

Assia: Ja, mit Dreierkette wird man im professionellen Bereich im Normalfall abgeschossen. Fünferkette spielt auch niemand, weil man damit automatisch hinten reingedrückt wird und das Spiel nicht selbst gestalten kann.

SPOX: Die Turniere werden sowohl auf der Playstation als auch auf der Xbox gespielt. Macht die Konsolenauswahl für Ihre Spielweise einen Unterschied?

Assia: Die Umstellung ist wirklich eklatant, das fängt schon beim Controller an. Ich spiele vorwiegend auf der Playstation, aber wenn ein großes Turnier wie der FIFA Interactive World Cup auf der Xbox ansteht, bereite ich mich deshalb auf dieser Konsole vor.

SPOX: Gibt es Elemente des Spiels, die Sie unabhängig von der Konsole verändern würden?

Assia: Die Ballannahme nervt mich bei FIFA 16 schon sehr - da verspringen die Bälle sehr oft. Abgesehen davon finde ich das Spiel aber sehr gelungen.

SPOX: Das klingt alles schon sehr professionell. Sehen Sie FIFA als Hobby oder Job?

Assia: Bei mir ist es ein Hobby. Natürlich kann man es als Nebenjob sehen und gut Geld verdienen, aber so ernst nehme ich es nicht. Trotzdem spiele ich viele Turniere und da ich noch Schüler bin, tut mir das Geld schon gut - für ein Turnier wie dem Interactive World Cup nehme mir natürlich frei. Das war auch kein Problem, weil die Schule sehr tolerant war. Sie haben mir viel Glück gewünscht.

SPOX: Wie viel Geld verdienen Sie durch Ihre Turnierteilnahmen?

Assia: Da die Preisgelder schwanken, variiert das stark. Ich hatte Monate, in denen ich bis zu 1.500 Euro verdient habe, aber es gibt viele Monate, in denen ich im dreistelligen Bereich bleibe. Bei den täglichen Online-Turnieren erhält man als Sieger um die 130 Euro, der Zweite etwa 80 Euro. Beim FIFA Interactive World Cup sind es natürlich andere Dimensionen: Der Gewinner bekommt 20.000 US-Dollar und wird zum Ballon d'Or eingeladen, der zweite Platz erhält 5.000 Dollar und an den dritten Platz gehen 1.000 Dollar. Der Rest geht leer aus. Aber da Anreise, Hotel und Rahmenprogramm bezahlt werden, lohnt sich die Teilnahme auf jeden Fall.

SPOX: In New York werden Sie nicht nur FIFA spielen. Wie sieht das Rahmenprogramm aus?

Assia: Ich bin insgesamt vier Tage dort und alle Teilnehmer haben im Vorfeld einen Plan erhalten, wie das Programm aussieht: Wir reisen viel und schauen uns die Stadt an, aber wir müssen uns auch mehrere Stunden Zeit für die Medien nehmen. Nach dem Turnier gibt es jedes Jahr eine After-Show-Party.

SPOX: Für Sie ist es die zweite Teilnahme an dem Turnier. Wie läuft die Qualifikation ab?

Assia: Eigentlich konnte sich jeder online qualifizieren, entweder auf der PS4 oder Xbox. Ich habe mich für die Xbox entschieden, wobei jeder Spieler 90 Spiele absolvieren musste. Von diesen 90 Partien muss man alle gewinnen, sonst hat man keine Chance. Wegen diesem gnadenlosen Qualifikations-Modus sind jedes Jahr neue Spieler dabei. 2016 haben es neben mir drei weitere Deutsche geschafft.

SPOX: Einige Teilnehmer kennen Sie bereits von anderen Turnieren. Wie ist die Stimmung zwischen den Spielern?

Assia: Der Umgang zwischen uns Spielern ist freundschaftlich. Allgemein sind wir immer fair - auch bei Niederlagen. Im professionellen Bereich weiß man, wenn man schlechter war und sagt das dem Gewinner auch. Sonst kann man sich auch nicht verbessern.

SPOX: Wie haben Sie sich im Vorfeld auf den FIFA Interactive World Cup vorbereitet?

Assia: Die Besonderheit bei diesem Turnier ist, dass nur mit Nationalmannschaften gespielt wird. Deshalb habe ich die letzte Woche nicht nur mehr trainiert, sondern mich speziell auf verschiedene Nationalmannschaften eingestellt. Insgesamt bin ich sehr gut vorbereitet.

SPOX: Sie kennen das Niveau bei dem Turnier. Welche Chancen rechnen Sie sich aus?

Assia: Mein Ziel ist es auf jeden Fall, die Gruppenphase zu überstehen. Jeder hat seine eigenen Stärken und Schwächen und mein Ziel ist es, meinem Gegner meine Spielweise aufzuzwingen. Das bedeutet, dass ich meine Gegner sehr tief empfange und versuche, mit Kontern zum Erfolg zu kommen. Da man nicht viele Möglichkeiten bekommt, muss man die wenigen Chancen nutzen. Ansonsten setze ich mich nicht unnötig unter Druck, sondern schaue von Spiel zu Spiel. Im Endeffekt kann man sowieso nicht mehr machen, als sein Bestes zu geben.

SPOX: Klingt ganz nach Wundertüte. Gibt es trotzdem übliche Verdächtige?

Assia: Es gibt zwar vier, fünf Leute, die jedes Jahr dabei sind und zum großen Favoritenkreis gehören, aber auch die Newcomer haben sich die Teilnahme verdient. Deshalb ist eine Prognose schwierig - Angstgegner habe ich sowieso nicht.