Sie gehören in ihrer Sportart zu den Besten der Welt, finden aber häufig nicht die Beachtung, die sie verdienen. Sie sind die Schattenmänner und Schattenfrauen des Sports. SPOX widmet ihnen ein eigenes Format. Diesmal: Volleyball-Star Margareta Kozuch.
Sie war 2006 Hamburgs Sportlerin des Jahres und spielt in der stärksten Liga der Welt.
Für die deutsche Nationalmannschaft absolvierte die 22-jährige Außenangreiferin schon über 150 Länderspiele, holte Bronze beim Grand Prix, erreichte den vierten Platz bei der EM in Polen und gewann mit ihrem Klub den CEV-Cup.
Im Interview mit SPOX spricht Margareta Kozuch über die Außenseiterrolle ihrer Sportart in der deutschen Öffentlichkeit, Anlaufschwierigkeiten in Italien und eine Zukunft zwischen Hamburg, Japan und ihrer zweiten Heimat Polen.
SPOX: In Deutschland ist Volleyball leider keine große Nummer. Wie haben Sie da die EM kürzlich im volleyballverrückten Polen erlebt? Zumal Sie polnische Wurzeln haben und die Sprache verstehen...
Margareta Kozuch: Was das Turnier angeht, war es nicht spezieller als andere Turniere. Aber generell war es natürlich schön, die Sprache zu verstehen und zu sprechen. Ich habe mich ein wenig zuhause gefühlt. Generell war die Organisation des Turniers super. Zwar ist in Polen der Fußball auch populärer, aber im Volleyball ist hier schon einiges los. Es wäre ein Traum, wenn das auch in Deutschland irgendwann so sein könnte.
SPOX: Sie waren direkt nach dem verlorenen Spiel um Platz drei sehr enttäuscht. Können Sie mit ein bisschen Abstand positiv auf die EM und ihren vierten Platz zurückblicken?
Kozuch: So ganz verdaut ist es noch nicht, gerade wenn man sich vorstellt, dass wir mit einer Medaille hätten zurückkommen können. Aber insgesamt sind wir froh, dass wir ins Halbfinale gekommen sind. Das war schon schwierig genug.
SPOX: Im Halbfinale gegen Italien und im Spiel um Platz drei gegen Polen kamen jeweils weit über 10.000 Zuschauer. Welchen Eindruck hat die enorme Kulisse auf Sie und Ihr Team gemacht?
Kozuch: Es war für mich das erste Mal, vor so einer Kulisse zu spielen. Es war unglaublich. Ich hatte natürlich schon viel über die Atmosphäre in den polnischen Volleyball-Hallen gehört, trotzdem ist es immer etwas anderes, wenn man es selbst zu spüren bekommt. Wir konnten teilweise unser eigenes Wort nicht verstehen. Es war ein enormes Erlebnis.
SPOX: 2008 fehlten die deutschen Damen bei den Olympischen Spielen. Allgemein wird Ihrem Team eine gute Perspektive bescheinigt. Wie sehen Sie die Zukunft der Nationalmannschaft in Hinblick auf die WM 2010 in Japan und Olympia 2012 in London?
Kozuch: Ich denke, dass wir schon seit vier Jahren gut zusammenarbeiten. Zwar nehmen sich einige Spielerinnen zwischendurch immer wieder eine Pause und es kommen neue dazu, aber insgesamt ist der Kern der Mannschaft durchgehend gleich geblieben. Auch der Trainer arbeitet jetzt schon vier Jahre mit uns zusammen. Das macht sich allmählich bemerkbar. Der dritte Platz beim Grand Prix etwa ist ein Erfolg, den wir uns über die Jahre erarbeitet haben. Wir sind noch eine so junge Mannschaft. Da steckt noch viel Potenzial für die nächsten Jahre drin.
SPOX: Nicht nur Ihr Team, auch die deutschen Beachvolleyballer Julius Brink und Jonas Reckermann waren in diesem Jahr sehr erfolgreich. Glauben Sie daran, dass der Volleyballsport in Deutschland wieder mehr in den Fokus rücken kann?
Kozuch: Durch die Erfolge bei der EM kam letztlich auch das Fernsehen dazu. Ich denke, das ist ein großer Schritt. Natürlich müssen jetzt auch die Erfolge kommen, damit das Interesse erhalten bleibt. Das sind zumindest kleine Schritte auf dem Weg in den Fokus, die dem Sport helfen, an Popularität zu gewinnen.
SPOX: Die EM bekam in Deutschland wenig Sendezeit im Fernsehen, möchten Sie ein kurzes Plädoyer für den Volleyball und seine Fernsehtauglichkeit halten?
Kozuch: Mir macht es natürlich unglaublich Spaß, Volleyball zu gucken, weil ich - wie auch die meisten Leute, die ich kenne - einfach volleyballverrückt bin. Wir waren in Polen zwischendurch unterwegs und lernten andere Sportler kennen, die sagten, dass sie sehr gerne Volleyball gucken und es schade finden, dass von der EM so wenig übertragen wird und dass Volleyball ein interessanter Sport sei. Gut, die Regeln sind etwas kompliziert, aber die könnte man ja erstmal erklären.
SPOX: Sie mussten fünf Stunden nach Ihrem letzten EM-Spiel in der Nacht mit dem Bus zurück nach Deutschland fahren. Eine weitere Übernachtung oder einen Flug konnte der DVV nicht zahlen. Sind Sie neidisch auf andere Sportler?
Kozuch: Wir hatten dieses Jahr - aus Versehen - einmal einen Business-Flug. Das ist schon was anderes. Ich hoffe, dass jetzt Sponsoren auf uns aufmerksam werden, die uns unterstützen wollen. Es wäre schon angenehm, wenn man auf zum Beispiel auf einer Asienreise etwas mehr Komfort und Platz hätte. Wir sind ja alle auch so groß (lacht). Abgesehen davon muss ich zu der Heimreise sagen: Wir waren nach dem Spiel noch etwas essen und trinken und haben uns dann entschieden, dass wir direkt nach Hause fahren, da einige schon bald zu ihren Vereinen mussten und noch möglichst viel Zeit zu Hause verbringen wollten.
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SPOX: Auch für Sie persönlich war 2009 ein sehr erfolgreiches Jahr: Mit Ihrem Verein Novara gewannen Sie den CEV-Cup und wurden italienischer Vizemeister. Das Nationalteam holte vor der EM schon Platz drei beim Grand Prix und sie wurden als beste Punktesammlerin der EM ausgezeichnet. Hat das Jahr 2009 auch Ihre eigenen Erwartungen übertroffen?
Kozuch: Ich hatte keine großen Erwartungen. Das entspricht nicht meinem Naturell. Natürlich hat man Wunschvorstellungen, aber eigentlich bin ich eher der Typ, der Schritt für Schritt vorankommen will. Und da stand dieses Jahr eben als erstes die WM-Quali an, die wir unbedingt schaffen wollten. Die Zukunft kann man eh nicht kontrollieren, man muss immer im Hier und Jetzt trainieren und auf die nächste Aufgabe schauen. Im Nachhinein kann ich aber sagen, dass ich alle Ziele erreicht habe. Das war in den letzten Jahren nicht so.
SPOX: Sie spielen mit erst 22 Jahren bei Novara in der Nähe Mailands. Fühlen Sie sich wohl in Italien und wie klappte die Eingewöhnung mit 20 bei ihrer ersten Italien-Station in Sassuolo?
Kozuch: Das war ein Aufsteiger, der an mir interessiert war. Das erste Jahr ist immer etwas schwierig, vor allem wenn man die Sprache nicht beherrscht. Ich hatte auch keinen Sprachkurs und habe am Anfang viel Englisch gesprochen. Einige Spielerinnen in meiner Mannschaft konnten jedoch kein Englisch und so mussten wir zu Beginn mit Händen und Füßen kommunizieren, was natürlich für einen Mannschaftssport schwierig ist und anfangs Probleme bereitete. Aber es war auf jeden Fall die Erfahrung wert und ich habe nach ein paar Monaten angefangen, meine ersten Sätze zu bilden und Gespräche auf Italienisch zu führen.
SPOX: Ab dann waren Sie voll integriert?
Kozuch: Es wurde immer einfacher. Aber ich war nach einem Jahr trotzdem sehr froh, mal wieder durch meine Heimatstadt Hamburg zu laufen. Erst dann wurde mir eigentlich wieder bewusst, wie sehr man die Heimat vermisst. Es war das erste Jahr, in dem ich weg von zuhause war, das kannte ich vorher nicht. Nach dem Jahr war dann Novara an mir interessiert, worüber ich im Nachhinein sehr glücklich bin. Wir haben mit dieser Mannschaft sehr viel und gut trainiert und waren auch in der Saison super erfolgreich.
SPOX: Was vermissen Sie an Ihrer Heimatstadt Hamburg?
Kozuch: (lacht) Franzbrötchen. Hamburg ist eine sehr schöne Stadt, aber ich vermisse nichts Spezielles, sondern Hamburg als meine Heimat. Egal wo man ist, es zieht einen immer wieder nach Hause zurück.
SPOX: Worin besteht für Sie der große Unterschied zwischen der deutschen und der italienischen Liga?
Kozuch: Zunächst einmal gehen viel mehr Leute in Italien zum Volleyball. Dann ist die italienische Liga die stärkste der Welt. Beispielsweise spielt fast die ganze italienische Nationalmannschaft in einem Verein. Für den Titel hat es trotzdem nicht gereicht. Man muss hier für jeden einzelnen Punkt alles geben. Daran kann man wachsen.
SPOX: Gibt es denn eine Liga, in der Sie irgendwann gerne spielen würden? Es gab ja schon während der EM einige Gerüchte zum Thema Japan...
Kozuch: Es gab auch Angebote aus Asien, auch schon letztes Jahr. Ich bin eigentlich offen für alles. Man kann überall Erfahrungen sammeln - und nicht nur sportliche. Ich würde nichts ausschließen. Es wäre auf jeden Fall schön - nicht unbedingt jetzt, aber vielleicht in ein paar Jahren - wenn ich mal in Polen spielen könnte. Es wäre schön für mich, mal da zu spielen, wo ich eigentlich herkomme.
SPOX: Auf Ihrer Homepage heißt es: "Viele Möglichkeiten, Maggi mal nicht lachen zu sehen, gibt es wohl nicht..." Verraten Sie uns, wann Ihnen gar nicht zum Lachen zumute ist?
Kozuch: Das Wichtigste für mich ist die Gesundheit. Nicht nur meine, auch die meiner Familie und der Menschen um mich herum. Und wenn da was passiert, bin ich natürlich ernst. Ansonsten gibt es natürlich Stresssituationen im Alltag, aber meistens ist das Lachen schon da. Und wenn es mal nicht da ist, dann gibt es meistens auch einen triftigen Grund.