Spätestens seit Samstag träumt das kleine Königreich Neuseeland endgültig von der dritten WM-Krone: Der Titelverteidiger stürmte bei der Rugby-Weltmeisterschaft in England und Wales mit einem furiosen 62:13 (29:13) in der Neuauflage des Endspiels von 2011 gegen Angstgegner Frankreich ins Halbfinale.
Dort wartet am kommenden Samstag der ebenfalls zweimalige Champion Südafrika. Im zweiten Duell stehen sich Neuseelands Erzrivale Australien und Argentinien gegenüber.
Die Fans des Inselstaats im südlichen Pazifik standen nach der Gala der All Blacks kopf. "So ein Viertelfinale habe ich noch nie gesehen. Das kann man nicht steigern, wenn wir weiter so spielen, holen wir den Cup", sagte beispielsweise Grant Collinge, ein glühender Anhänger aus Wellington
Mit diesem Urteil war er nicht alleine. Denn ein K.o.-Spiel mit 62 Punkten hat es bei einer Weltmeisterschaft noch nie gegeben. Gegen hoffnungslos unterlegene Franzosen ließ Neuseeland im Millennium-Stadium in Cardiff von Beginn an keinerlei Zweifel am Sieg aufkommen. Bereits zur Halbzeit war die Partie quasi entschieden, allein Topscorer Julian Savea legte drei der am Ende sieben neuseeländischen Versuche.
"Spieler jeder Größe können dieses Spiel spielen"
Savea erhielt nach dem Match vor 71.619 Zuschauern von seinem Coach ebenso ein dickes Lob wie der mit nur 1,82 m noch zehn Zentimeter kleinere Nehe Milner-Skudder. "Ist es nicht wunderbar für den Rugby-Sport, dass Spieler jeder Größe dieses Spiel spielen können?", fragte Steve Hansen und meinte zu Milner-Skudder: "Er ist ein kleiner Junge, er dreht sich auf einem Geldstück und hat ein angeborenes Feuer. Das ist gut."
Savea, zum "man of the match" gewählt, schwärmte nach dem Triumph über den WM-Zweiten: "Es ist eine große Ehre für mich, zu diesem Team zu gehören. Ich kann nicht ausdrücken, wie speziell es für mich ist." Jeder sei, so Savea, "on fire" gewesen, "ich bin stolz auf die Jungs".
Vor der Partie waren die Zweifel im Lager der Neuseeländer noch groß gewesen. Zu genau erinnerte man sich an packende Duelle in der jüngeren Vergangenheit, die auch gelegentlich verloren wurden. Auch im WM-Finale 2011 im eigenen Land mussten sich die All Blacks beim mühsamen 8:7 mächtig strecken.
Australien ringt Schottland nieder
Deutlich ausgeglichener war zuvor das erste Viertelfinale in Londons Rugby-Tempel Twickenham verlaufen. Fourie Du Preez legte fünf Minuten vor dem Ende den ersten Versuch für die Südafrikaner und avancierte beim 23:19 (12:13) gegen Co-Gastgeber Wales zum Matchwinner. Das Duell zwischen dem Vierten (Wales) und Fünften (Südafrika) der Weltrangliste war vor allem von Straftritten geprägt.
Auch am Sonntag erlebten die Fans in London beim Duell zwischen Australien und Schottland einen echten Krimi mit mehrfach wechselnder Führung.
Nach einem Versuch von Mark Bennet (74.) sah Schottland bereits wie der sichere Sieger aus, ehe Bernard Foley (80.) die Partie mit einem Straftritt in letzter Sekunde doch noch einmal zum 35:34 (15:16) drehte. Zuvor hatten die argentinischen "Pumas" etwas überraschend mit 43:20 (20:10) gegen das hoch eingeschätzte Irland gewonnen.