Der Europa-Zug rollt noch nicht

Florian Regelmann
02. Oktober 201009:07
Einer der größten Momente in seiner Karriere: Martin Kaymer am ersten Abschlag Getty
Werbung

Katastrophale Wetterverhältnisse haben den ersten Tag des Ryder Cups im Celtic Manor Resort im walisischen Newport bestimmt. Aufgrund starker Regenfälle mussten die Matches früh unterbrochen werden, nachdem Europa zuvor einen guten Start erwischt hatte. Als die Matches am Nachmittag fortgesetzt werden konnten, übernahm die USA das Kommando, ehe wegen Dunkelheit erneut abgebrochen werden musste. Nur Martin Kaymer und Partner Lee Westwood halten aktuell eine europäische Führung.

SPOX

Dass es in Wales Anfang Oktober regnen kann, sollte man wissen. Die Wettervorhersagen waren schon während der Woche schlecht für den ersten Tag, aber dass es so schlimm kommen würde? Damit rechnete niemand.

Nachdem die Matches um 7.45 Uhr Ortszeit im strömenden Regen pünktlich begonnen hatten, war knapp zwei Stunden später Schluss. Abbruch. Zum ersten Mal seit 1997 in Valderrama musste der Ryder Cup unterbrochen werden. Und es war die richtige Entscheidung.

Wäre es ein "normales" Turnier gewesen, es wäre schon viel früher abgebrochen worden. Vielleicht hätte man auch gar nicht angefangen. Der Platz war schon sehr früh absolut unspielbar - auch die bewundernswerte Arbeit der Groundskeeper konnte nicht verhindern, dass der Twenty Ten Course unter Wasser stand.

Was danach kam? Warten. Warten. Und nochmal Warten. Die Spieler überbrückten die Zeit mit der Playstation (Tiger Woods 2011) oder sie schliefen einfach. Erst nach über sieben Stunden Pause hatte sich das Wetter um 17 Uhr Ortszeit soweit verbessert, dass die Matches fortgesetzt werden konnten. Zur Freude der tausenden Fans, die die ganze Zeit tapfer ausharrten.

Nach etwa zwei Stunden Golf kam dann die Dunkelheit, die einen erneuten Abbruch erforderte. Die erste Session wird nun am Samstag beendet. Nach einer Änderung des Spielplans wird es danach eine zweite Session mit 6 Foursome-Matches geben, gefolgt von einer dritten Session (2x Foursomes und 4x Fourball) und den 12 Einzeln zum Abschluss.

Durch das Einsparen einer Session hoffen die Verantwortlichen, dass der Ryder Cup wie geplant am Sonntagabend beendet werden kann. Problem: Die Wettervorhersage für Sonntag ist schlecht, so dass es weiter möglich ist, dass der Ryder Cup zum ersten Mal in der Geschichte ein Montagsfinish erleben wird.

Fakt ist, dass spätestens am Montagabend um 18.43 Uhr Ortszeit (Sonnenuntergang) der Sieger feststeht. Denn die Regel besagt, dass dann das Team gewonnen hat, das zu diesem Zeitpunkt führt. Alle Matches, die noch laufen, würden dann geteilt.

Die Matches des Tages

Fourballs:

Lee Westwood/Martin Kaymer vs. Phil Mickelson/Dustin Johnson: EUR 1 auf nach 12

Die Atmosphäre war atemberaubend, als Westwood und Kaymer am 1. Tee erschienen. Der Regen störte die europäischen Fans nicht im Geringsten. Sie verwandelten den Abschlag mit ihren Gesängen ("There is only one Martin Kaymer") in ein Fußballstadion.

Nachdem Westwood mit seinem Abschlag das Fairway gefunden hatte, war es dann soweit: Kaymers erster Schlag im Ryder Cup. Die Knie waren sicher wacklig, aber Kaymer meisterte die Aufgabe bravourös und traf das Fairway.

Leider musste der PGA Champion danach aber doch feststellen, dass der Ryder Cup mit nichts zu vergleichen ist. Kaymer wirkte sichtlich nervös und spielte uncharakteristisch schwach.

Das ganze Adrenalin, das er fühlte, spielte ihm oft einen Streich. Schon den zweiten Schlag an der 1 verzog er nach links. Zwar lochte er einen tollen Putt zum Par, aber es gab ihm trotzdem keine Sicherheit.

An der 3 und 6 schlug Kaymer seinen Abschlag ins Wasser - er kämpfte sichtlich mit sich. Nur dank der ausgezeichneten Leistung von Westwood lag Europa in diesem Match in Führung, als zum ersten Mal abgebrochen werden musste.

Als es am Nachmittag weiterging, tauchte der wahre Martin Kaymer auf. Ganz langsam fand er zu seiner Form und spielte ab der 9 bärenstark. Mit Birdies an der 9 und 11 war es nun Kaymer und nicht mehr Westwood, der dafür sorgte, dass Europa vorne blieb.

Dass das US-Duo nach zwischenzeitlich klarem Rückstand (3 down) wieder ins Match zurückfand, lag vor allem an Mickelson, der nach ganz vielen schwachen Schlägen plötzlich heiß lief (Birdies an der 9, 10, 11). An der 12 verpasste Kaymer ganz knapp ein Birdie, dann kam die Dunkelheit.

Rory McIlroy/Graeme McDowell vs. Stewart Cink/Matt Kuchar: USA 2 auf nach 11

Europa erwartet, dass McIlroy und McDowell dieses Match gewinnen - aber bisher werden sie ihrer Favoritenrolle nicht gerecht.

McDowell hat ein Birdie auf dem Konto, ein enttäuschender McIlroy noch gar keines. Auf US-Seite geht es Kuchar zwar genauso, aber er hat einen überragenden Cink (5 Birdies) an seiner Seite.

Ian Poulter/Ross Fisher vs. Steve Stricker/Tiger Woods: All Square nach 10

Das erwartet enge Match. Woods steuerte zwei Birdies an Par-5-Löchern (2/9) für sein Team bei, machte aber auch einige schlechte Schläge und wirkte häufig unzufrieden mit seinem Spiel.

Bei den Europäern wird ein solider Fisher vom emotionalen Poulter getragen, der mit zwei gelochten Birdie-Putts für lauten Jubel sorgte. Als man eigentlich schon nichts mehr sah, lochte Poulter an der 10 zum Birdie, um das Match auszugleichen.

Luke Donald/Padraig Harrington vs. Bubba Watson/Jeff Overton: USA 1 auf nach 8

Zwei Rookies im wichtigen vierten Match rausschicken? Und dafür FedEx-Cup-Sieger Jim Furyk und Hunter Mahan (im letzten Ryder Cup unbesiegt) draußen lassen? US-Captain Corey Pavin wurde für seine Wahl stark kritisiert, aber bis jetzt geht sein Plan auf. Watson und Overton sind als Birdie-Maschinen bekannt und wurden ihrem Ruf an den ersten beiden Löchern gerecht.

Overton lochte einen Monster-Putt aus der Senke an der 1 - und Watson zog mit einem Birdie an der 2 nach. Donald und Harrington spielten nur solide, es dauerte bis zum achten Loch, ehe sie durch Donald zu ihrem ersten Birdie kamen.

Reaktionen:

Colin Montgomerie (Captain Europa): "Wir hatten einen guten Start, aber die zwei Stunden am Nachmittag sind jetzt zugunsten der Amerikaner ausgegangen. Aber es ist alles eng. Morgen früh haben wir eine sehr wichtige Session, um das Momentum wieder auf unsere Seite zu holen."

Martin Kaymer: "Am ersten Tee zu stehen war ein Moment, den ich in meiner Karriere nie mehr vergessen werde. Allein wenn ich daran denke, bekomme ich Gänsehaut. Ich habe einen guten Abschlag gemacht, das war wichtig für mich. Die Fans waren fantastisch. Wenn du ein bisschen lächelst, bekommst du es tausend Mal zurück."

Corey Pavin (Captain USA): "Ich bin zufrieden, wie mein Team zurückgekommen ist. Ich bin sehr stolz auf die Jungs. Die Änderung des Formats ist eine sehr gute Idee."

Der Star des Tages: Stewart Cink. Als Corey Pavin bei der Eröffnungszeremonie sein Team vorstellte und Cink vergaß, war das Gelächter groß. Nach Cinks Vorstellung an Tag 1 wird ihn sein Captain bestimmt nicht mehr so schnell vergessen. Der ehemalige British-Open-Sieger lochte einen Putt nach dem anderen und war mit 5 Birdies der eindeutig beste Spieler auf dem Platz. 11 Löcher hat er mit seinem Partner Matt Kuchar absolviert, 10 Mal zählte Cinks Ergebins. Er ist dabei, die nordirische Traumpaarung aus Rory McIlroy und Graeme McDowell im Alleingang zu besiegen.

Die Gurke des Tages: Der Regenanzug des US-Teams. Was ist wichtig an Regenbekleidung für den Ryder Cup? Modisch sollten sie sein, dachte sich Pavins Frau Lisa, die sich um die Kleider kümmerte, also bekamen die US-Regenanzüge Streifen am Arm und dem linken Bein. Dazu wurde "USA" und der Name des Spielers auf den Rücken gedruckt, weil man ja sonst auch nicht weiß, wer es ist... Aber was ist eigentlich mit Funktionalität? Diesen Aspekt hatte die USA irgendwie vergessen. Ob ihre Regenanzüge schick waren, ist fragwürdig. Fakt ist, dass sie Wasser nicht abhielten. So kam es zum peinlichen Moment, dass ein Offizieller der PGA of America ins Merchandise-Zelt gehen und neue Regenanzüge für Spieler und Caddies kaufen musste. Die passen jetzt zwar nicht so richtig, haben verschiedene Farben und das Europa-Logo, aber hey, man kann nicht alles haben. Watergate mal anders.

Die Lehren des Tages: Der Europa-Zug ist noch nicht wie von Captain Montgomerie erhofft ins Rollen gekommen. Das Ziel war es, möglichst früh viel "Blau" auf das Scoreboard zu bringen. Sprich: In vielen Matches in Führung zu gehen.

Am Anfang gelang dies auch, aber dann bekam am Nachmittag immer mehr Team USA das Momentum. Europa führt aktuell nur in einem Match. Kein Wunder, denn die Amerikaner haben als Team doppelt so viele Birdies auf dem Konto (14:7).

Es ist zwingend notwendig aus europäischer Sicht, dass Westwood und Kaymer ihr Match nach Hause bringen. Beide ergänzen sich wie erwartet perfekt. Zog Westwood am Anfang lange seinen nervösen Partner mit, fand dann Kaymer zu seinem Spiel und wurde immer stärker. Es ist gut möglich, dass Westwood und Kaymer alle Matches zusammen bestreiten werden.

Die Änderungen im Format bedeuten, dass ab der nächsten Session alle 12 Spieler immer zum Einsatz kommen werden. Ein Aspekt, der aufgrund der größeren Tiefe im Team tendenziell ein Vorteil für Europa sein sollte.

Aber Vorsicht: Die USA präsentieren sich wie erwartet stark. Jedes Match ist eng. Ganz entscheidend wird sein, wer am Samstagmorgen als Sieger aus der ersten Session kommt.

Tiger vs. Rory: Wales würde explodieren