Für ihn zählt nur Gold, doch es läuft nicht rund: Bei Johannes Vetter herrscht ausgerechnet vor dem Speer-Showdown in Tokio große Ratlosigkeit.
Johannes Vetter legte die Stirn in tiefe Falten, die Augen aufgerissen, fast ein bisschen erschrocken. "Harte Qualifikation", schrieb der Offenburger dazu bei Instagram. Das Foto war ein bisschen gestellt, aber es passte trotzdem zu Vetters Auftritt in der Speerwurf-Qualifikation - mit der Betonung auf Qual.
"Es ist, wie es ist. Ich kann es gerade nicht ändern und muss das Beste daraus machen", sagte Vetter, nachdem er alles andere als souverän ins Finale am Samstag (13.00 Uhr MESZ) eingezogen war. Ausgerechnet jetzt, bei seiner Goldmission, scheint der 28-Jährige zu schwächeln.
Mit 82,04 und 82,08 m hatte Vetter, der Topfavorit, die klare Nummer eins der Welt, am frühen Morgen in Tokio die zum direkten Einzug in die Entscheidung geforderten 83,50 m zunächst klar verfehlt. Erst im letzten Versuch klappte es mit 85,64 m ein bisschen besser. Von der kraftvollen Leichtigkeit des Sportsoldaten, der Ende Mai 96,29 m geworfen und im Vorjahr mit 97,76 m die zweitbeste Weite der Geschichte erzielt hatte, war aber wenig zu sehen.
"Es kam heute auf die direkte Qualifikation an, die habe ich geschafft", sagte der merklich angefressene Vetter hinterher im Bauch der Arena: "Aber seit den Wettkämpfen vor Olympia ist ein bisschen der Wurm drin. Ich kriege nicht das richtige Timing hin, dass ich sage, da passt alles, und dann knallt es da vorne." Bei den zwei Wettkämpfen vor dem Abflug nach Japan schaffte Vetter "nur" 85,25 und 86,48 m, zuvor waren ihm bei sieben Meetings in Serie Würfe über die 90-Meter-Marke gelungen.
Vetter: "Was soll ich jetzt unruhig werden?"
Bis zum Showdown um Gold werde er mit seinem Trainer Boris Obergföll nach Auswegen suchen, mit dem auch für die Fußball-Nationalmannschaft zuständigen Sportpsychologen Hans-Dieter Herrmann will er ausführlich telefonieren. Denn "im Kopf", sagte Vetter in der ARD, sei "relativ viel los".
Für das Finale versprach Vetter: "Vollgas - so wie immer." Panik werde nicht aufkommen. "Was soll ich jetzt unruhig werden?", fragte er. Sein Traum von Gold lebt nach wie vor - besser war in der Qualifikation ja auch nur der Inder Neeraj Chopra (86,65). Julian Weber (Mainz) schaffte es als Sechstbester (84,41) in den Medaillenkampf, Rio-Olympiasieger Thomas Röhler (Jena) fehlt in Tokio verletzt.