Die New York Yankees sind an den Boston Red Sox in der American League Division Series gescheitert. Die Gründe für das frühe Aus in den MLB Playoffs 2018 sind vielschichtig, lassen sich aber auf ein paar zentrale Punkte reduzieren. Ein alter Masterplan rückt nun wieder in den Fokus.
Gegen kein anderes Team fällt den Yankees und seinen Anhängern eine solche Pleite schwerer als gegen die Red Sox, den Erzrivalen. Doch das ist fast schon nebensächlich, wenn man bedenkt, dass New York sich für diese Saison auf die Fahne geschrieben hatte, den finalen Schritt zu machen, der ihnen letztes Jahr nach sieben Spielen der ALCS noch verwehrt geblieben war: das Erreichen der World Series.
In diesem Jahr ist stattdessen schon eine Runde früher Schluss. Und auch wenn es eng war in weiten Teilen dieser Serie, so wirkte der ultimative Ausgang fast schon konsequent.
Die Yankees waren für viele das vielleicht am wenigsten beeindruckende 100-Siege-Team überhaupt. Klar, sie gewannen 100 Spiele, was nicht wahnsinnig vielen Teams im Baseball gelingt. Doch gerade in der zweiten Saisonhälfte vermittelte das bloße Auge einen anderen Eindruck. Seien es die 34 Passed Balls, die Catcher Gary Sanchez trotz verletzungsbedingt verkürzter Einsatzzeit fabrizierte - oder dessen generell schwache Schlagleistung. Oder die zahlreichen Base-Running-Fehler, die sich gerade Rookie Gleyber Torres leistete.
Der Amerikaner spricht gerne von "Lack of Hustle", den Spielern fehlte scheinbar die nötige Intensität auf dem Platz. Alles ging recht gemütlich vonstatten. Bemerkenswert: Obwohl die Yankees die meisten Homeruns aller Zeiten schlugen und die zweitmeisten Runs insgesamt produzierten, waren sie mit Runners in Scoring Position lediglich Durchschnitt. Zu oft verkrampften die überwiegend jungen Hitter in diesen großen Situationen. Zudem war zumindest das Starting Pitching der Yankees bestenfalls wacklig.
New York Yankees: Bekannte Problemen kommen zum Vorschein
Tendenzen, die über eine lange Saison vielleicht nicht so tragisch sind, die aber in einer kurzen Serie im Oktober brutal zum Vorschein kommen können - und kamen!
Schon in Spiel 1 kamen alle bekannten Probleme zum Vorschein: Der Starter (J.A. Happ) versagte (2+ IP, 5 ER) und die Offense stockte - 1-7 mit RISP. In Spiel 3 das Gleiche: Starter (Luis Severino) unterirdisch (3+ IP, 6 ER) und keine Offense (0-4 mit RISP, 5-31 insgesamt). Spiel 4? Natürlich dasselbe: Schwacher Starter (CC Sabathia: 3 IP, 3 ER) und kaum Offensive (1-5 RISP, 5-30 gesamt).
Erschwerend hinzu kam die schier anämische Vorstellung von Manager Aaron Boone. Der Rookie, der vor allem für seine Nähe zu den jungen Spielern und seine Affinität zur Analytik geholt wurde. Er und Alex Cora von den Red Sox waren die ersten Rookie-Manager, die nach 100-Siege-Saisons in den Playoffs aufeinandertrafen. Cora machte einen guten Job, das heißt, er stand seinem Team nicht (massiv) im Weg.
Boone, der in der Saison ein ums andere Mal zu lange auf seinen jeweils aktuellen Pitcher vertraute und im Zweifel mitunter ein oder zwei Batter zu spät zur Auswechslung schritt, gelobte in der Postseason aggressiver vorzugehen, um etwaige Meltdowns zu verhindern. Wie etwa Vorgänger Joe Girardi, der im letztjährigen Wildcard Game nicht lange fackelte und Severino schon im ersten Inning aus dem Spiel nahm - und damit essenziell das Spiel rettete.
Schlafwandelnder Aaron Boone erschwert Situation für Yankees
Boone hingegen schlafwandelte eher durch die Spiele. In Spiel 1 war es früh ersichtlich, dass Happ, sonst als Red-Sox-Killer bekannt, nicht viel im Tank hatte. Dennoch ließ er ihn nach einem schwachen und einem guten Inning im Spiel und erlaubte es ihm, noch zwei weitere Runs zu verschulden, die letztlich den Unterschied ausmachten.
In Spiel 3 dann dauerte es im Grunde einen Pitch - ein unplatzierter Fastball mittig über der Platte -, um zu erahnen, dass Severino an diesem Abend nicht er selbst war. Severino kam zwar ohne Run aus dem ersten Inning, seine drei Flyouts waren allerdings allesamt laut - zwei der drei Bälle wurden hart und mit einer Exit Velocity von über 100 Meilen pro Stunde von Statcast gemessen.
Im zweiten Inning gingen die Sox mit 1:0 in Führung, erneut kämpfte Severino mit seiner Location und wurde teils hart geschlagen - das Lead-Off-Single schlug Rafael Devers mit 115,7 MPH. Von den 14 Bällen, die die Red Sox gegen Severino ins Spiel brachten, wurden sieben hart geschlagen. Die Zeichen waren also für alle zu sehen: Severino ist nicht gut drauf!
Bullpen-Aktivität gab es keine und so durfte er nicht nur zwei weitere Runs im dritten Inning verschulden, er ging sogar mit null Bullpen-Aktivität fürs vierte Inning wieder raus. Severino lud die Bases und erst dann zog Boone die Reißleine - um mit Lance Lynn den wohl ungeeignetsten Pitcher für diese Situation in seinem kompletten Arsenal zu bringen.
Lynn ist Starter und wenn man ihn schon als Reliever bringt, dann doch nicht mit geladenen Bases und keinem Out! Das Resultat war letztlich ein Sieben-Run-Inning, dass das Spiel komplett entschied. Und in Spiel 4 durfte dann CC Sabathia starten, der in diesem Jahr acht Mal nicht wenigstens fünf Innings komplettierte - bei 27 Starts.
Yankees: CC Sabathia einzige ernsthafte Option für Spiel 4
Er war die einzige ernsthafte Option, was wiederum die Kadertiefe auf dieser Position sehr gut unterstreicht. Vielleicht wäre ein Opener in dieser Lage sinnvoll gewesen? Sabathia startete und gab drei Runs im dritten Inning ab, was letztlich auch schon nahezu genug war für Boston.
Boone kann man nicht vorwerfen, dass er Sabathia oder die anderen Genannten hat starten lassen. Es ist ihm aber sehr wohl anzukreiden, dass er viel zu lange an ihnen festhielt. Und: Warum spielte eigentlich Neil Walker in Spiel 4 Third Base, während der beste Yankee-Rookie des Jahres, Miguel Andujar, auf der Bank schmorte?
Fragen, die das Front Office in nächster Zeit beschäftigen werden. Spannender wird jedoch die Herangehensweise an die Offseason. Denn nach diesem Misserfolg zum Schluss rückt der alte Masterplan wieder in den Vordergrund, der bereits seit ein paar Jahren kursiert und nun in die Tat umgesetzt werden könnte.
Die Stichpunkte: Altlasten loswerden, das Farmsysem stärken, verheißungsvolle Eigengewächse heranführen, die Payroll unter die Luxussteuergrenze bringen und als i-Tüpfelchen: auf dem Markt 2018/19 kräftig zuschlagen.
Stand jetzt wurde dieser Plan, auch wenn ihn niemand direkt bestätigen würde, akribisch durchgezogen. Inklusive dem Payroll-Part, denn erstmals seit Anbeginn der Luxussteuer zahlen die Yankees in diesem Jahr nicht drauf. Der Steuersatz für die kommende Saison wird somit reduziert, sollte dann die Grenze wieder überschritten werden.
gettyYankees: Namhafte Free-Agent-Targets auf dem Markt
Die Targets auf dem Markt sind indes eigentlich klar: Manny Machado, mindestens ein Frontline-Pitcher und - soll es richtig luxuriös werden - Bryce Harper. Wie das dann alles ins Mannschaftsgefüge passt, ist Stoff für einen anderen Tag. Doch das Ziel ist klar: Ein Team, das weiterhin nah dran ist an der Spitze, mit externen hochkarätigen Ergänzungen soweit zu verstärken, dass der ganz große Wurf, die World Series, wieder wahrscheinlicher wird.
Freilich signalisierte die Verpflichtung von Giancarlo Stanton im Vorjahr gewissermaßen schon eine kleine Abkehr vom Ursprungsplan, da er das Team auch medial wieder vollends zum Contender machte. Doch war es insgesamt immer noch ein Team, dass sehr jung daherkam und nach überraschend großem Erfolg im Vorjahr offenbar Probleme hatte, diesen angemessen zu verarbeiten.
New York Yankees: Die letzten 5 Jahre
Jahr | Platzierung AL East | Siege | Niederlagen | Siegquote | Playoffs? |
2014 | 2. | 84 | 78 | .519 | - |
2015 | 2. | 87 | 75 | .537 | Wildcard |
2016 | 4. | 84 | 78 | .519 | - |
2017 | 2. | 91 | 71 | .562 | ALCS (als WC) |
2018 | 2. | 100 | 62 | .617 | ALDS (als WC) |
Ein Phänomen, das im Baseball immer wieder auftritt und wahrlich keine Anomalie darstellt. Auch wenn die Yankees mit 100 Siegen ihr Vorjahresergebnis noch deutlich toppten.
Blickt man auf den Masterplan, dann sind die Yankees aber trotz des diesjährigen Rückschlags voll im Soll. Nun folgt der harte Part: Neue Stars zu holen - und dann die hohen Erwartungen zu erfüllen. Das Gerüst steht, nun muss das Dach drauf.
Dieser Artikel wurde ohne vorherige Ansicht durch die Major League Baseball veröffentlicht.