"Ich wäre lieber Rockstar geworden"

Robert Seiwert
09. November 200916:11
Timo Scheider feierte beim Rennen am Hockenheimring die Titelverteidigung mit AudiGetty
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Timo Scheider ist seit seinem zweiten Titelgewinn auf dem Weg zum neuen Mister DTM. Sein Wort hat Gewicht, auch wenn es um die Meinung zum Einstieg ehemailger Formel-1-Fahrer geht. SPOX sprach mit Scheider über alles, was ihn an der Formel 1 und ihren Fahrern stört, Missverständnisse bei seinem Musikgeschmack und den besten Mario-Kart-Zocker der Familie.

SPOX: Ralf Schumacher ist schon da, David Coulthard hat angeblich Interesse, in die DTM zu kommen. Was halten Sie davon, dass immer mehr ehemalige Formel-1-Fahrer einsteigen?

Timo Scheider: Das tut mir weh. Das Ansehen ehemaliger Formel-1-Stars ist höher als das von Fahrern, die in der DTM aufgewachsen sind. Wir haben mit Fahrern wie Paffett, Ekström und Co. Leute, die man mehr ins Rampenlicht stellen könnte. Wir haben eigene Stars, die es verdient hätten, populärer zu werden bzw. zu sein.

SPOX: Warum dann dieser Hype um die F-1-Fahrer?

Scheider: Die Formel 1 genießt bei den Menschen eine viel höhere Präsenz und Akzeptanz als die DTM, deshalb sind diese Fahrer so wichtig. Ich glaube nicht, dass wir in den nächsten Jahren drum herumkommen, solche Leute in der DTM zu haben.

SPOX: Sind ehemalige Formel-1-Piloten ein Affront gegen die bestehenden DTM-Fahrer?

Scheider: Wir müssen hier realistisch bleiben. Solche Fahrer wecken nun einmal das Interesse der Fans. Wir können lange darüber diskutieren, ob es sinnvoller wäre, eigene Fahrer nach vorne zu bringen. Es hat sich allerdings gezeigt, dass ehemalige F-1-Fahrer die DTM in Sachen PR und TV-Quoten schneller nach vorne bringen. Und für junge DTM-Piloten ist es schon auch ein Ansporn, gegen große Namen aus der Formel 1 anzutreten.

SPOX: Im Gegensatz zur Formel 1 geht es in der DTM sehr familiär zu. Kann sich die F1 in der Beziehung eine Scheibe von der DTM abschneiden?

Scheider: Ich war dieses Jahr beim Formel-1-Rennen in Monza und habe Timo Glock besucht. Obwohl ich mich dort frei bewegen konnte, habe ich mich nicht wohl gefühlt. In Sachen Fannähe ist die DTM Vorreiter. Wenn man das aber in der F1 so durchziehen würde, würden die Fahrer wohl totgetrampelt werden. Die Formel 1 hat sich mittlerweile viel zu sehr vom Fan entfernt und verabschiedet. Ich glaube nicht, dass es da noch einmal einen Weg zurück gibt.

SPOX: Sie sind Rennfahrer durch und durch. Welche Motorsportart macht Ihnen neben der DTM am meisten Spaß?

Scheider: Ich bin begeisterter Supermoto-Fahrer. Ich betreibe diesen Sport schon seit einigen Jahren und habe auch zwei Motorräder zuhause. Die ersten Runden habe ich mit größtem Respekt und sogar etwas Angst gedreht. Danach habe ich mir aber gedacht: "Verdammt, ist das cool!"

SPOX: Cool war auch ihr zweiter Titelgewinn in der DTM vor wenigen Wochen. Sie sind erst der Zweite in der DTM-Geschichte, der seinen Titel verteidigen konnte. Lösen Sie jetzt Bernd Schneider als Mister DTM ab?

Scheider: So weit möchte ich mich noch nicht aus dem Fenster lehnen. Bernd Schneider ist mit Abstand der beste Tourenwagen-Fahrer aller Zeiten. Aber ich bin gespannt, wo mein Weg hinführt. Der Zeitfaktor in der DTM spricht für mich, mit Audi habe ich viele Möglichkeiten. Ob ich es schaffe, diese umzusetzen, ist eine andere Frage.

SPOX: Sie hatten eine wechselhafte DTM-Geschichte. Haben Sie zwischendurch mal ans Aufgeben gedacht?

Scheider: Ich habe immer gekämpft und niemals aufgegeben. In die DTM habe ich mein Herzblut gegeben und was ich anpacke, möchte ich auch richtig machen. Meine Motivation hat mich in den letzten Jahren mit Opel über Wasser gehalten. Egal, ob es um Platz neun oder zehn ging, ich habe immer versucht, meine Teamkollegen zu schlagen. Das hat mich immer ausgezeichnet, um auch Fahrer wie Aiello, Reuter oder Frentzen zu besiegen. Nur mit dem Wagen wäre ich sonst nicht konkurrenzfähig gewesen. Das hat man in Ingolstadt registriert, und dies ist auch der Grund, warum ich heute in einem Audi fahre.

SPOX: Also war es der unbedingte Siegeswille, der sie vorangetrieben hat?

Scheider: Richtig. Ich wollte beweisen, dass ich es kann. Ich wollte in einem Auto sitzen, das konkurrenz- und siegfähig ist. Das habe ich bei Audi gefunden. Dort bekomme ich auch die Wärme und familiäre Atmosphäre, die ich brauche, um zu gewinnen.

SPOX: Was halten Sie von einem Wiedereinstieg von einem oder mehreren Teams in die DTM?

Scheider: 2011 wird es in der DTM ein neues Reglement geben, bei dem alle wieder bei Null anfangen. Ich kann fast ein wenig verstehen, dass in den vergangenen Jahren Hersteller von einem Einstieg abgesehen haben, weil sie wussten, dass sie aus dem Stand nicht an das Niveau von Mercedes und Audi heranreichen. 2011 wird also ein ganz wichtiges Jahr für die DTM. Ich würde mich riesig freuen, weitere Hersteller begrüßen zu dürfen. Vermarktungstechnisch gibt es auf dem europäischen Markt nichts Besseres als die DTM.

SPOX: Der Einstieg von BMW wurde nach dem Abschied aus der Formel 1 zuletzt häufig diskutiert.

Scheider: Das muss BMW für sich entscheiden. In der DTM sind sie in jedem Fall herzlich willkommen. Ich würde es mir schon wünschen, dann hätten wir die Top 3 der deutschen Premiumhersteller zusammen. Auch über Traditionsmarken wie Alfa und Opel würde ich mich sehr freuen.

SPOX: Hätten Sie in ihrem Audi A4 DTM ein Radio, welche Musik würde da laufen?

Scheider: Einen speziellen Geschmack habe ich da nicht. Ich mag Rock, Pop, Hip-Hop und Rn'B. Meine Musikwahl hängt immer davon ab, in welchem Gefühlszustand ich mich gerade befinde.

SPOX: Aber man hört häufig von ihrer Leidenschaft für Schlagermusik.

Scheider: Das mit der Schlager-Geschichte bekomme ich einfach nicht mehr aus den Köpfen einiger Menschen heraus. Fälschlicherweise steht das sogar noch auf meiner Homepage. Das hat mir mein ehemaliger Fitness-Trainer angedichtet. Er hatte der Presse mal erzählt, dass ich Schauspieler oder Schlagerstar geworden wäre, wenn es mit dem Motorsport nicht geklappt hätte. Deshalb fragen sich die Leute manchmal, was für ein merkwürdiger Typ ich bin. Schlagerstar ist nicht so meins, Rockstar wäre mir schon lieber gewesen.

SPOX: Auf Ihrer Homepage haben Sie unter Hobbys "Mentaltraining" angegeben. Könnten Sie das etwas genauer beschreiben.

Scheider: Nach der Saison 2003 habe ich probiert, die Person Timo Scheider zu optimieren. Ich habe nach einer Möglichkeit gesucht, mich besser auf die Rennen vorbereiten zu können. Damals haben mich die Konzentrationsphasen vor den Rennen gestört. Durch einen Trainer habe ich dann verschiedene Übungen und Techniken erlernt, die mir die Mittel verschafft haben, mich optimal vorzubereiten. Das hat in den vergangenen Jahren den Unterschied bei mir ausgemacht. Ich komme damit super klar, obwohl es bestimmt einige Leute gibt, die sagen: "Der hat einen Totalschaden. Was hat denn der für ein Problem?"

SPOX: Sie haben bereits angekündigt, nach der Titelverteidigung das Versprechen einzuhalten, Ihre Verlobte Jasmin Rubatto zu heiraten.

Scheider: Genau, das hatte ich vor der Saison versprochen. Wenn der ganze Trubel nach der Titelverteidigung vorbei ist, werde ich mich in Ruhe hinsetzen und mir Gedanken über einen schönen Antrag machen. Einen Termin für die Hochzeit gibt es noch nicht, aber es passiert garantiert nächstes Jahr.

SPOX: Welches Auto wird denn das Hochzeitsauto?

Scheider: (lacht) Also so weit sind wir noch nicht. Ich habe noch keine Ahnung, aber das wird Jasmin dann sowieso zuerst erfahren.

SPOX: Können Sie denn wenigstens verraten, wer hinter dem Steuer sitzen wird?

Scheider: Ich sitze mit meinem Sohn auf dem Rücksitz und die Jasmin fährt. Sie hat das Racing ja auch im Blut.

SPOX: Ihr Sohn Loris ist auch schon auf der Rennstrecke unterwegs - tritt er vielleicht mal in Ihre Fußstapfen?

Scheider: Genau, er dreht schon seine Runden im Kart. Man sieht, dass er schnell lernt. Als Vater macht es Spaß, ihm dabei zuzusehen. Aktuell zieht es ihn allerdings eher auf den Fußballplatz. Das freut uns natürlich, weil es deutlich günstiger als Motorsport ist (lacht). Wir wollen dem Jungen alles ermöglichen, woran er Spaß hat und was ihm neue Emotionen und Leidenschaften aufzeigt. Auf dem Golfplatz waren wir auch schon und haben ein paar Bälle geschlagen. Wenn er etwas älter ist, werden wir sehen, wo sein sportlicher Weg hinführt.

SPOX: Also können wir uns schon einmal auf den nächsten Sportstar aus dem Hause Scheider freuen?

Scheider: Kann schon sein. Momentan würde ich sagen, dass es ganz danach aussieht.

SPOX: Wer ist in Ihrer Familie der beste Spieler bei Mario Kart auf der Wii?

Scheider: Das bin ich, weil ich damit bisher am meisten zu tun hatte. Aber Loris und Jasmin geben mir ordentlich Gegenwind. Beide sind beim Zocken ehrgeizig und jeder will der Beste sein.

SPOX: Sie setzen sich für viele soziale Projekte ein. Engagieren sich Sportler in diesem Bereich genug oder sollten sich manche ein Beispiel an Ihnen nehmen?

Scheider: Das ist eine Sache, mit der man erstmal umgehen können muss. Grundsätzlich kann man niemals genug helfen. Ich bin Botschafter der Stiftung "Wings for Life", die die Forschung zur Heilung von Rückenmarksverletzungen unterstützt. Zudem unterstütze ich die Vereine "Race-4-Kids" und "Stunde des Herzens". Benachteiligten Menschen zu helfen ist meine Motivation. Das gibt mir Energie und sorgt für Bodenständigkeit.