Timo Glock fuhr jahrelang in der Formel 1, seit 2013 ist er für BMW in der DTM aktiv. Im Interview spricht der Hesse vor dem Saisonstart der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft über seine Erwartungen in diesem Jahr, Vor- und Nachteile der DTM und die Misere der Formel 1. Außerdem erinnert er sich an die harte Zeit nach dem Formel-1-Saisonfinale 2008.
SPOX: Herr Glock, Sie hatten bei den DTM-Testfahrten Anfang April einen Unfall und mussten anschließend ins Krankenhaus gebracht werden. Wie geht es Ihnen heute?
Timo Glock: Ich bin soweit fit. Das war an dem Tag selbst eigentlich auch kein Problem, ich sollte nur als Sicherheitsmaßnahme ins Krankenhaus, um zu checken, ob meine Wirbel noch alle in Ordnung sind. Das Auto war eh so beschädigt, dass ich an dem Tag nicht mehr fahren konnte.
SPOX: Ihr Teamkollege ist in diesem Jahr Marco Wittmann, mit dem Sie bereits in Ihrem Debütjahr die Garage geteilt haben. 2014 hat er die Meisterschaft gewonnen. Wie sehen Sie sich im Teamduell aufgestellt?
Glock: Marco hatte jetzt zwei sehr gute Jahre. Für mich ist er auf jeden Fall eine Messlatte und ich hoffe natürlich, dass ich mit ihm auf Augenhöhe kämpfen kann. Vielleicht kann ich sogar das eine oder andere von ihm lernen. Die DTM ist insgesamt so eng zusammen, da ist es echt schwierig, eine Prognose abzugeben. Mein Ziel ist es, im Gegensatz zu den letzten Jahren konstant in die Punkte zu fahren. Dann ist man eigentlich automatisch in den Top 10 oder sogar in den Top 5 dabei.
SPOX: Sie fahren seit 2013 in der DTM und waren in dieser Zeit für das BMW-Team MTEK unterwegs. Zur neuen Saison sind Sie zu RMG gewechselt. Warum dieser Schritt?
Glock: Das wurde von BMW so entschieden, da hatte ich keinen Einfluss drauf. Mir war aber klar, dass das irgendwann passieren wird, denn nach drei Jahren verändert man gerne mal die Fahrer-Team-Konstellation. Ich denke, für mich ist das ganz gut gelaufen. Es war eine tolle Zeit bei MTEK - und jetzt freue ich mich auf die Saison mit RMG.
SPOX: Wenn Sie auf Ihre bisherige DTM-Zeit zurückblicken: Gibt's dann den Daumen nach oben oder nach unten?
Glock: Daumen nach oben! Es gibt wenige Formel-1-Fahrer, die in der DTM Rennen gewonnen haben oder auf dem Podium standen. Ich habe es geschafft. Die Bilanz ist deswegen auf jeden Fall positiv, auch wenn ich mich natürlich noch verbessern muss.
SPOX: Zu dieser Saison gibt es eine bedeutenden Vorteil für Sie: BMW darf mit 7,5 Kilogramm weniger an den Start gehen als die Konkurrenz von Audi und Mercedes. Inwieweit wird sich das Kräfteverhältnis dadurch verändern?
Glock: Das Feld wird definitiv noch enger zusammenrücken. Fast jeder Fahrer hat die Möglichkeit, Siege einzufahren und um die Meisterschaft zu kämpfen. Das ist das große Plus an der DTM. Was allerdings noch fehlt: Die Autos brauchen noch mehr Leistung und weniger aerodynamischen Abtrieb. Dadurch könnte man deutlich besser überholen und die Rennen würden noch besser werden.
SPOX: Der bewegliche Heckflügel, das DRS, darf zudem nicht mehr beliebig oft pro Rennen verwendet werden. Stattdessen gibt es eine begrenzte Anzahl, die je nach Strecke variiert. Welche Auswirkungen wird das auf das Renngeschehen haben?
Glock: Ich glaube, das wird im Vergleich zum Vorjahr wenig ändern. Es ist in der DTM schwierig, in das Ein-Sekunden-Fenster zu fahren, sodass man da nicht viel taktieren wird. Wenn man die Chance aufs DRS hat, wird man es nutzen. Wir Fahrer hatten eine andere Idee und wollten das Ein-Sekunden-Fenster komplett weglassen. Dann hätte man DRS unabhängig vom Gegner frühzeitig benutzen oder sich aufheben können - das wäre ein gutes strategisches Tool gewesen.
SPOX: In der DTM scheint es momentan nur um Detailanpassungen zu gehen. Deutlich verbesserungswürdig ist die Formel 1, wenn man den zahlreichen Kritikern Glauben schenkt. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage der "Königsklasse des Motorsports" ein?
Glock: Die eine oder andere Regeländerung war nicht gut. Das missglückte Qualifying-Experiment zeigt das ja auch ganz gut. Es herrscht einfach unheimlich viel Unruhe und ich bin gespannt, wie sich die Formel 1 in Zukunft aufstellen wird. Ich glaube, man hat sich mit dem Motorenkonzept keinen wirklichen Gefallen getan. Die Autos sind immer noch zu leise und ich glaube, die Formel 1 hat dadurch ihre DNA verloren. Ihr Kern ist weg.
SPOX: Kurioserweise redet auch Chefpromotor Bernie Ecclestone seine Rennserie immer wieder schlecht. Die Fahrer hat er kürzlich als "Windbeutel" bezeichnet. Wie würden Sie solchen Vorwürfen kontern?
Glock: Gar nicht, weil Bernie Ecclestone seine Meinung jedes Wochenende ändert. (lacht) Erst war er happy, dass die Fahrer ihre Meinung äußern, dann auf einmal bezeichnet er sie als "Windbeutel". Mich würde das daher relativ wenig interessieren.
SPOX: Apropos "Windbeutel": Auf Ihrer Facebook-Seite sieht man einige Fotos von Ihrem Essen. Käsefondue, Schnitzel, Steak, Eis - alles ist mit dabei. Hat Ihr Team in Zeiten von maximaler Gewichtsersparnis nichts dagegen?
Glock: (lacht) Ich esse nun mal sehr, sehr gerne und meine Frau kocht gut. Wenn es etwas Leckeres auf den Tisch gibt, dann poste ich das auch. Nein, im Ernst: Ich esse gerne gesund und versuche schon seit einiger Zeit, ähnlich wie Nico Rosberg auf eine glutenarme Ernährung zu achten. Das gehört heutzutage dazu.
SPOX: Sebastian Vettel hat mal in einem Interview zugegeben, dass er nicht immer voll konzentriert im Rennauto sitzt, sondern auch mal an den Italiener am Abend denkt. Sie kennen Vettel ganz gut - passt das zu ihm?
Glock: Das überrascht mich nicht. (lacht) Zu seiner Red-Bull-Zeit hat er auch oft auf den Streckenleinwänden mitverfolgt, wer gerade die schnellste Runde fährt. Das kann ich mir also gut vorstellen. Ich kenne das auch. Wenn du gerade in einem Zweikampf bist, dann hast du natürlich keine Gedanken für etwas anderes. Wenn aber vor und hinter dir relativ wenig Trubel ist, gibt's auch mal einen abschweifenden Blick zu den Fans oder wo auch immer hin.
SPOX: In der Formel 1 sind Sie für Jordan, Toyota und Marussia bzw. Virgin an den Start gegangen und standen drei Mal auf dem Podium. Was sind - unabhängig von den großen Erfolgen - die schönsten Erinnerungen an diese Zeit?
Glock: Als Neuling in der Formel 1 war es bei Toyota in so einem großen Team natürlich sehr interessant. Das war eine lehrreiche Zeit. Im Kontrast dazu hat es mir aber auch in einem ganz kleinen Team mit einem geringen Budget viel Spaß gemacht. Ich möchte beides nicht missen.
SPOX: Neben Ihren Podiumsplatzierungen dürfte vielen Fans das Saisonfinale 2008 in Erinnerung geblieben sein. Lewis Hamilton, mit Regenreifen unterwegs, überholte Sie auf nasser Fahrbahn in der letzten Kurve und wurde so noch Weltmeister. Man hat Sie anschließend beschuldigt, ihn mit Absicht durchgelassen zu haben. Wie schwer war diese Zeit für Sie?
Glock: Das war schon hart. Es war schwierig zu verstehen, wie manche Leute das für ein abgekartetes Spiel halten konnten. Wie soll man so eine Story vor dem Rennen miteinander ausmachen? Woher hätten wir wissen sollen, dass es zum Schluss anfängt zu regnen? Das ist völliger Blödsinn. Meine Strategie ging auf. Ich habe für mich und mein Team nichts falsch gemacht. Draußen zu bleiben und nicht auf Regenreifen zu wechseln, war die richtige Taktik. Wir haben dadurch einige Plätze gewonnen. Jedes Mal, wenn es nach Brasilien geht, fällt zwar immer noch mein Name, aber ich bin schon lange darüber hinweg. Es ist passiert und ich kann es nicht ändern.
SPOX: Sie sind jetzt 34 Jahre alt. Haben Sie schon Pläne für die Zeit nach Ihrer aktiven Karriere? In der Vergangenheit waren Sie schon das ein oder andere Mal als TV-Experte zu sehen.
Glock: Ja, das ist auf jeden Fall etwas, was mir Spaß macht. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, wäre das sicher eine schöne Alternative.
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