NBA - 5 Fragen zum Playoff-Aus der Miami Heat: Die Expendables sinnen auf Revanche

Philipp Jakob
31. Mai 202210:13
Jimmy Butler will nächste Saison mit den Heat wieder angreifen.getty
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Für die Miami Heat ist die Saison nach einem aufopferungsvollen Kampf von Jimmy Butler nach sieben Spielen in den Ost-Finals beendet. Die Heat-Stars sinnen bereits auf Revanche, vielleicht sogar mit einem dritten Hochkaräter an ihrer Seite? Trennt sich Miami dafür sogar vom einstigen Kronjuwel?

Miami Heat: Warum hat es nicht für die NBA Finals gereicht?

Manchmal entscheiden Zentimeter über Sieg oder Niederlage. In den Playoffs 2021 war es der Schuh von Kevin Durant, der minimal zu lang war, nun war ein Dreier von Jimmy Butler ganz knapp zu kurz. 16 Sekunden vor dem Ende von Spiel 7 gegen Boston entschied sich Jimmy Buckets für einen Pullup-Dreier, der Miami die Führung gebracht hätte. Doch der Ball landete am Ring, wenig später war die Saison der Heat vorbei.

Wenn Butler nicht gewesen wäre, hätte sich der dreifache Champion womöglich schon früher in den Urlaub verabschieden müssen. Doch Miami kämpfte trotz Verletzungssorgen in von den beiden Defensiven geprägten Ost-Finals bis zum Schluss, beim 2-3-Rückstand verlängerte der teils überragende, teils ebenfalls angeschlagene Butler die Serie mit 47 Punkten. Vorerst zumindest.

Wenn die erste Enttäuschung des verpassten Comebacks in Spiel 7 erst einmal verflogen ist, werden die Verantwortlichen in Miami auf eine äußerst erfolgreiche Saison zurückblicken können. Der Bubble-Run vor zwei Jahren, auf den 2021 ein bitteres Erstrunden-Aus per Sweep durch die Milwaukee Bucks folgte, war ganz offensichtlich doch kein Ausreißer.

Stattdessen setzte sich die Franchise in der regulären Saison auch ohne einen Spieler in einem der drei All-NBA Teams an die Spitze der Eastern Conference (53-29). Die beiden Stars Butler und Bam Adebayo verpassten einige Spiele - Letzterer wäre bei mehr Einsätzen ein vielversprechender Kandidat für den Award des besten Verteidigers gewesen -, dafür sprangen No Names wie Max Strus oder Gabe Vincent in die Bresche. Dieses Team strotzte nur so vor Heat Culture und war einfach nicht kleinzukriegen.

Erst recht nicht von den Atlanta Hawks in der ersten Playoff-Runde (4-1 Miami), Trae Young dürfte heute noch Albträume von dieser Serie haben. Auch gegen die Sixers setzten sich Butler und Co. durch, in sechs Spielen lösten sie das Ticket für die Ost-Finals. Dort rieben sich die Celtics und Heat gegenseitig auf.

Bei Miami musste zwischenzeitlich Tyler Herro (Leiste) passen, Kyle Lowry (Oberschenkel) war nur ein Schatten seiner selbst und auch vor Butler machten die Verletzungssorgen nicht halt (Knie). Die Heat trotzten all diesen Widrigkeiten und schnupperten am nächsten Finals-Trip. "Wir hatten eigentlich genug", sagte Butler nach dem Playoff-Aus, um direkt eine Kampfansage hinterherzuschicken. "Nächstes Jahr werden wir wieder in dieser Situation sein und dann werden wir es zu Ende bringen."

NBA Playoffs - Heat vs. Celtics: Die Serie im Überblick

SpielDatumUhrzeitHeimAuswärtsErgebnis
118. Mai2.30 UhrMiami HeatBoston Celtics118:107
220. Mai2.30 UhrMiami HeatBoston Celtics102:127
322. Mai2.30 UhrBoston CelticsMiami Heat103:109
424. Mai2.30 UhrBoston CelticsMiami Heat102:82
526. Mai2.30 UhrMiami HeatBoston Celtics80:93
628. Mai2.30 UhrBoston CelticsMiami Heat103:111
730. Mai2.30 UhrMiami HeatBoston Celtics96:100

Wie lange kann Playoff-Jimmy die Heat noch tragen?

Schon vor einigen Jahren hatte Warriors-Star Draymond Green recht gut auf den Punkt gebracht, welche Art von Spieler er bevorzugt. "Es gibt 82-Game-Players und dann gibt es 16-Game-Players." Draymond präferiert natürlich die "16-Game-Players". Soll heißen: Er will Spieler, die sich auf der großen Playoff-Bühne zuhause fühlen. Spieler, die auf dem Weg zur Championship, für die 16 Siege nötig sind, problemlos einen Gang höher schalten können im Vergleich zur Regular Season. Spieler, die unter dem größten Druck am besten abliefern.

Butler gehört sicherlich zu dieser Kategorie Spieler. Schon in den Finals 2020 ärgerte er die Lakers fast im Alleingang mit Auftritten für die Ewigkeit wie zum Beispiel einem 40-Punkte-Triple-Double in Spiel 3. In dieser Postseason knüpfte er daran an, nicht nur mit seinen beherzten Leistungen in Spiel 6 und 7 der Ost-Finals, wohlgemerkt gegen die beste Defense der Liga.

Insgesamt viermal knackte er in diesen Playoffs die Marke von 40 Zählern, Franchise-Rekord! Und das, obwohl LeBron James, Shaquille O'Neal oder Dwyane Wade ebenfalls das Heat-Trikot trugen. Letztlich hat nur LeBron in einem Playoff-Spiel für die Heat mehr Zähler erzielt (49) als Butler (47 in Spiel 6 vs. Boston). Nur Wilt Chamberlain hat in einem Elimination Game in fremder Halle mehr Punkte aufgelegt (50). Doch all das war noch nicht genug.

"Ich darf keine schlechten Spiele haben", meinte Butler selbstkritisch. Nach seiner Knieverletzung in Spiel 3 der Celtics-Serie ließ er in den beiden darauffolgenden Partien nur 6 und 13 Punkte folgen, Miami verlor beide Spiele. "Ich habe in ein paar Spielen wie Müll gespielt. Das hat die Serie entschieden." Indem er die Verantwortung auf sich nahm, nahm er gleichzeitig seine teils enttäuschenden Kollegen in Schutz.

Jimmy Butler hat bereits angekündigt: Nächste Saison ist wieder mit ihm und den Heat zu rechnen.getty

Bam Adebayo tauchte zu oft in den Ost-Finals ab beziehungsweise er schaffte es nicht, die Mismatches konstant auszunutzen. Der Big war dennoch neben Butler der einzige Heat-Spieler in Double-Digits über die Serie. Das macht deutlich, wie sehr Miami von Butler abhängig war. In der regulären Saison konnte er sich teils noch etwas zurücknehmen, da auch die Tiefe des Kaders einige Siege besorgte. In den Playoffs reichte das aber nicht mehr, da musste Butler liefern. Mit seinen mittlerweile 32 Jahren (zum Start der kommenden Saison wird er 33 Jahre alt sein) werden sich die Blessuren wie in Spiel 3 aber eher häufen.

Zumal Jimmy Buckets in der Zone und an der Freiwurflinie lebt, etwa die Hälfte seiner Punkte sowohl in der regulären Saison als auch in den Playoffs erzielte er in der Painted Area, sein Shooting gehört eigentlich nicht zu seinen Stärken. Irgendwann wird sein Körper dieser Belastung Tribut zollen, wie auch den vielen Minuten, die er in den entscheidenden Spielen für Miami sowie in seiner Vergangenheit unter Tom Thibodeau abriss. Zwar betonte Butler, dass er nächstes Jahr noch besser sein werde - und es ist diesem Arbeitstier auch durchaus zuzutrauen -, doch langfristig kann Butler die Heat nicht alleine tragen.

Können die Miami Heat im Sommer einen weiteren Star holen?

Die Heat können nicht viel mehr von ihrem Superstar verlangen als das, was er in diesen Playoffs zeigte. Zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren hat er die Heat bis an ihr Limit getragen, wird es also Zeit für prominente Unterstützung von außerhalb? Zumindest war Joel Embiid in der Postseason nicht allein mit seiner Mahnung: "Miami braucht einen weiteren Star."

Einem dritten Hochkaräter, vor allem einem weiterer Scorer neben Butler und Adebayo wäre Heat-Macher Pat Riley sicherlich ebenfalls nicht abgeneigt. Das Front Office ist bekannt dafür, gerne nach den ganz großen Namen im Sommer Ausschau zu halten und durchaus auch mal mit einem Trade zu überraschen. Die Ziele für diesen Sommer könnten auf die Namen Bradley Beal oder Donovan Mitchell hören.

Ersterer wird seinen Vertrag in Washington zwar aller Voraussicht nach verlängern, sollten beim 28 Jahre alten Scorer aber doch noch Zweifel aufkommen, werden die Heat laut The Athletic bereitstehen. Gleichzeitig soll Miami laut Bleacher Report die Situation von Donovan Mitchell bei den Utah Jazz nach deren erneut enttäuschendem Playoff-Aus ganz genau beobachten. Der dreimalige All-Star selbst soll nach Angaben von Sports Illustrated ebenfalls ein gewisses Interesse an Miami haben, sollte es für ihn in Utah nicht weitergehen.

Für solch einen Superstar-Trade braucht es allerdings auch ein entsprechendes Paket als Gegenwert. Der Vertrag von Duncan Robinson (noch vier Jahre und 74,4 Millionen Dollar), der durch seine defensiven Defizite teils komplett aus der Playoff-Rotation von Coach Erik Spoelstra fiel, müsste aus finanziellen Gründen ziemlich sicher integriert werden, da Miami ansonsten abgesehen von der wohl unantastbaren Big Three (Butler, Adebayo, Lowry) und Herro nur über Minimalverträge verfügt.

Ein Deal - für Beal wäre ein Sign-and-Trade vonnöten, Mitchell steht noch für vier Jahre und 134,9 Mio. Dollar unter Vertrag - könnte immerhin mit Erstrundenpicks schmackhaft gemacht werden. Miami kann den eigenen First Rounder in diesem Jahr (Nr.27), den 2023er, 2028er oder 2029er traden. Oder Miami macht das einstige Kronjuwel namens Herro auf dem Trade-Markt verfügbar.

Bekommt Tyler Herro eine Maximalverlängerung und welche Optionen haben die Miami Heat?

Der 22-Jährige galt am South Beach lange Zeit als unantastbar, das könnte sich mittlerweile aber geändert haben. Vor allem, wenn ein etablierter Star verfügbar werden sollte. Die Zukunft von Herro wird durch die anstehenden Verhandlungen über eine vorzeitige Vertragsverlängerung verkompliziert.

Um die eingangs erwähnte Frage direkt zu beantworten: Nein, Herro wird ziemlich sicher keine Maximalverlängerung (5 Jahre und 186 Mio. Dollar) bekommen. Zwar spekulierten zuletzt einige Insider gegenüber Bleacher Report, dass der 13. Pick im Draft 2019 und frisch gebackene Sixth Man of the Year solch einen Max-Deal fordern könnte, doch das erscheint sehr unrealistisch.

In der Argumentationskette von Herro werden sicherlich die Spiele 4 und 5 der Ost-Finals eine Rolle spielen, als Miamis Offense, insbesondere im Halbfeld, ohne die zusätzliche Shot-Creation des verletzten Herros arg schwächelte. Andererseits hatte er nun zum wiederholten Male in den Playoffs gegen gut vorbereitete Verteidigungen Probleme und er selbst kann defensiv attackiert werden.

Diese Schwachstellen werden einen Maximalvertrag für Herro wohl verhindern. Realistischer ist ein Deal in den Jaylen-Brown-Sphären, der vier Jahre und 106,3 Mio. Dollar erhielt plus leistungsbezogene Boni. Sollte es allerdings zu keiner Einigung kommen, könnten die Heat auch Herros Restricted Free Agency 2023 abwarten - oder eben im Laufe des Sommers nach einem Trade Ausschau halten. Nach einer Verlängerung wäre ein Trade unrealistisch, da sein neuer Kontrakt eine Poison-Pill-Provision beinhalten würde, was einen Trade teuer machen würde.

Miami Heat: Welche Optionen haben sie in der Offseason und Free Agency?

Herros neuer Vertrag ist aber nicht die einzige Entscheidung, die auf Miami in dieser Offseason zukommt. P.J. Tucker besitzt eine Spieleroption in Höhe von 7,4 Mio. Dollar für die kommende Saison. Sofern er diese nicht zieht, sollte er unbedingt gehalten werden. Definitiv Free Agents werden Victor Oladipo, Caleb Martin und Dewayne Dedmon.

Oladipo deutete in den Playoffs nach sehr langer, verletzungsbedingter Leidenszeit an, welches Two-Way-Potenzial weiterhin in ihm steckt. Auch wenn er die Höhen früherer Tage wohl nie mehr erreichen wird. Allerdings könnte er sich anderswo nach einer größeren Rolle umsehen. Auch Martin zeigte sehr gute Ansätze und spielte eine wichtige Rolle für die Heat, er wird im Gegensatz zu Oladipo Restricted Free Agent.

Ansonsten steht für Verstärkung nur die Midlevel-Exception (10,3 Mio.) zur Verfügung. Wer auch immer dafür kommt, nachdem Miami zweimal in Folge die Luxussteuer vermied, steuern sie nun wieder direkt darauf zu. Für kommende Saison stehen schon jetzt 135,7 Mio. Dollar in den Büchern (Salary Cap: 121 Mio., Luxussteuer: 147 Mio.), 96 davon gehen an Butler, Adebayo und Lowry. Es hatte sich nach dem vergangenen Sommer ohnehin schon angedeutet: Die Heat werden sehr bald sehr teuer - und alt.

War die Verpflichtung von Kyle Lowry ein Fehler?

Blickt man noch weiter in die Zukunft, dann findet man in den Heat-Büchern für die Saison 2023/24 gerade einmal vier Spieler fest unter Vertrag (Butler, Adebayo, Lowry und Robinson), die allerdings bereits knapp 126 Mio. Dollar auf sich vereinen. Allein Lowry verdient kommende Saison 28,3 Mio. und in der darauffolgenden Spielzeit (2023/24) in seinem letzten Vertragsjahr 29,7 Mio. Dollar. Dann wird er 38 Jahre alt sein.

Der Point Guard ist zweifelsohne ein perfekter Fit in der berühmt-berüchtigte Heat Culture, in Ansätzen war während der regulären Saison auch zu sehen, warum. Lowry legte 13,4 Punkte und 7,5 Assists im Schnitt bei einer Dreierquote von 37,7 Prozent auf. Wie gewohnt bekam Miami auch eine Menge gezogener Offensiv-Fouls für sein Geld.

Allerdings stand er nur in 63 Partien auf dem Court, bevor die Playoffs fast als Katastrophe endeten. Hartnäckige Oberschenkelprobleme ließen ihn acht der 18 Postseason-Spiele seines Teams verpassen, in den restlichen Partien war der Lowry vergangener Tage kaum mehr zu sehen. Stattdessen: 7,8 Punkte im Schnitt bei 29,1 Prozent aus dem Feld, dazu eine ungewohnte defensive Anfälligkeit, die teils auf fehlende Spritzigkeit zurückzuführen ist.

Das ist für einen heute 36 Jahren alten Guard, der unter allen aktiven Spielern auf Platz elf der absolvierten Minuten (36.305 Minuten in Regular Season und Playoffs zusammen) rangiert, nicht überraschend. Es ist allerdings ein schlechtes Zeichen für Miami, wenn Lowry schon zwei Jahre vor Vertragsende so abbaut.

"Das war ein verlorenes Jahr", erklärte Lowry. "Wenn du nicht um die Championship spielst, dann ist es immer ein verlorenes Jahr." Allerdings dürfen die Heat eben nicht allzu viele Jahre verlieren. In Person von Tucker (37 Jahre) - sollte er bleiben -, Lowry (36) und Butler (32) haben drei Fünftel der Starting Five die 30er-Marke bereits deutlich geknackt. Dieses Trio verbindet eine hervorragende Arbeitseinstellung, sie werden alles dafür tun, um kommende Saison wieder fit zurückzukehren. Nur macht der Körper auch wirklich mit?

Miami gab im Sign-and-Trade für Lowry im vergangenen Sommer Precious Achiuwa und Goron Dragic ab. Ihr Einfluss auf die aktuellen Playoffs wäre wahrscheinlich ebenfalls überschaubar gewesen, der Trade für Lowry war also nicht per se ein Fehler. Eher könnten sich die Verantwortlichen noch wegen des lukrativen Vertrags für den Veteranen in den Hintern beißen.