Die Minnesota Timberwolves sind in der Serie gegen die Memphis Grizzlies über das eigene Unvermögen gestolpert, trotzdem muss die Saison als Erfolg gelten. Wie geht es nun weiter? Vor allem der frühere All-Star auf der Eins steht dabei im Fokus.
Warum verloren die Timberwolves ihre Serie gegen Memphis?
Um es mit einem Wort zu beantworten: Dusseligkeit. Minnesota war nur der 7-Seed und damit keineswegs favorisiert, trotzdem hätten die Wolves die Serie gegen 2-Seed Memphis durchaus gewinnen können. Sie bewiesen nur ein schier unglaubliches Talent dafür, sich am Ende von Spielen selbst in den Fuß zu schießen.
In drei der vier Niederlagen verspielten die Wolves einen zweistelligen Vorsprung im letzten Viertel, das hat es so noch nie gegeben und das dürfte Minnesota noch eine ganze Weile verfolgen. Insbesondere in Spiel 3 war das eklatant, als die Wolves binnen eines Spiels zwei 20+-Punkte-Führungen verzockten und am Ende doch in die Röhre schauten.
Die erste Playoff-Teilnahme des Teams seit 2018 demonstrierte einerseits das große Potenzial der Truppe von Head Coach Chris Finch und andererseits ihre Unerfahrenheit. Anthony Edwards etwa hatte großartige Momente, nicht zuletzt seine 36 Punkte in Spiel 1, aber auch den folgenschweren Fehler am Ende von Spiel 5, als sein Spekulieren den Game-Winner von Ja Morant erst ermöglichte.
Fast noch extremer waren die Ausschläge bei Karl-Anthony Towns, der mehrere richtig gute Spiele zeigte und in anderen fast nur mit den Schiedsrichtern und seinen eigenen Emotionen beschäftigt zu sein schien. Bei D'Angelo Russell hingegen blieben die Ausschläge aus, seine Serie war grundsätzlich einfach nur enttäuschend.
Letztendlich stolperten die Wolves über ein gutes Team, vor allem aber auch über die eigenen Füße. Sie konnten Spiele nicht zu Ende bringen, weil ihnen die ordnende Hand und der Closer fehlte - und eben auch die Erfahrung, schließlich hatten die Leistungsträger mit Ausnahme von Patrick Beverley alle wenig bis keine Playoff-Luft geschnuppert.
"Ich denke, mit der Erfahrung, die wir alle dazu gewonnen haben, werden wir das Spiel kommendes Jahr weniger spielen und mehr denken. Ich denke, das wird zu mehr Siegen und weniger mentalen Fehlern führen", zeigte sich Towns im Anschluss hoffnungsvoll. Wohl nicht zu Unrecht.
Grizzlies vs. Timberwolves: Die Serie im Überblick
Spiel | Datum | Heim | Auswärts | Ergebnis |
1 | 16. April | Memphis Grizzlies | Minnesota Timberwolves | 117:130 |
2 | 20. April | Memphis Grizzlies | Minnesota Timberwolves | 124:96 |
3 | 22. April | Minnesota Timberwolves | Memphis Grizzlies | 95:104 |
4 | 24. April | Minnesota Timberwolves | Memphis Grizzlies | 119:118 |
5 | 27. April | Memphis Grizzlies | Minnesota Timberwolves | 111:109 |
6 | 30. April | Minnesota Timberwolves | Memphis Grizzlies | 106:114 |
Grizzlies: Wie fällt das Saisonfazit aus?
Selbst wenn gegen Memphis mehr drin gewesen wäre: Dass Minnesota diesen Punkt erreichte, ist ein Gewinn. Die Wolves waren eine der positiven Überraschungen der Saison, insbesondere mit einem 10-Siege-aus-11-Spielen-Lauf kurz nach dem All-Star Break warfen sie ihren Hut in den Ring als eins der aufregenden jungen Teams der Liga.
Towns war wieder mal All-Star, gewann den Dreiercontest und wird es aller Voraussicht nach auch wieder in ein All-NBA-Team schaffen, Russell spielte eine gute Regular Season, Edwards setzte auf sein gutes Rookie-Jahr einen drauf und wurde zu einem der unterhaltsamsten Spieler der Liga, auch wenn die Effizienz noch besser werden darf.
Minnesota fand zudem endlich eine solide defensive Identität, etwas, was ihnen in den Jahren zuvor nie gelungen war. Beverley und Jarred Vanderbilt waren dabei federführend, aber auch die eher limitierten Verteidiger Towns und Russell hatten ihren Anteil an (immerhin) Platz 13 beim Defensiv-Rating.
Minnesota holte 46 Siege in der Regular Season und zwei in den Playoffs - das hat diese Franchise in Kombination seit Kevin Garnetts MVP-Jahr 2004 nicht mehr geschafft. Man darf nicht vergessen: Wir sprechen hier nicht über die Lakers, sondern über die der Siegbilanz zufolge historisch mieseste NBA-Organisation. Dieses Jahr war ein riesiger Schritt nach vorne!
Darauf ausruhen kann und will man sich wiederum sicherlich nicht, denn in der kommenden Saison wird es auf einmal Erwartungen geben - und die können bekanntlich immer auch enttäuscht werden, zumal die Western Conference nicht unbedingt schwächer werden dürfte. Das Front Office muss seine Hausaufgaben erledigen.
"Wir müssen zwei Schritte vorwärts machen, während andere einen Schritt vorwärts machen", gab Sachin Gupta, der Executive VP of Basketball Operations, vor kurzem die Marschroute vor. Gupta muss selbst noch evaluiert werden, nachdem er seinen Posten im September unverhofft von Gersson Rosas übernahm, durch die gute Saison dürfte er aber genug Argumente auf seiner Seite haben, um weitermachen zu dürfen.
Dann geht es vor allem um eine Baustelle.
Grizzlies: Wie geht es mit D'Angelo Russell weiter?
Es war nicht wirklich überraschend, dass nur wenige Tage nach dem Playoff-Aus Gerüchte über die Verfügbarkeit des Point Guards die Runde machten. Russell enttäuschte schlichtweg auf ganzer Linie, kam gegen Memphis auf 12 Punkte im Schnitt bei 33 Prozent aus dem Feld, und auch von den defensiven Verbesserungen war äußerst wenig zu sehen.
Russell wirkte mit dem Tempo der Serie bisweilen so überfordert, dass Finch ihn am Ende von Spiel 6 tatsächlich auf die Bank beorderte und stattdessen den deutlich abgeklärteren Jordan McLaughlin spielen ließ. "Überhaupt nicht", antwortete Russell danach auf die Frage, ob er diese Entscheidung von Finch in Ordnung gefunden habe.
Für D-Lo kam diese schwache Serie zu einem ungünstigen Zeitpunkt, da es eigentlich um eine Vertragsverlängerung gehen sollte. In der kommenden Saison stehen ihm noch gut 31 Millionen Dollar zu, danach wird er Unrestricted Free Agent. Sollte es keine Einigung über ein neues Arbeitspapier geben, wäre es nur logisch, wenn Minnesota versucht, noch einen Gegenwert für ihn zu bekommen.
"Wir denken immer noch, dass der Fit großartig ist", sagte Finch zwar. "Seine Fähigkeiten, sein Playmaking, all das hat sich nicht verändert. Wir müssen nur vielleicht ein paar andere Strukturen finden, die das noch besser akzentuieren." Aber eigentlich sollte es ja die Rolle eines 30-Mio.-Playmakers sein, selbst zumindest für einen Teil dieser Strukturen zu sorgen.
Russell ist sportlich schlichtweg kein idealer Fit neben den beiden (wichtigeren) anderen Stars des Teams. Er kann ein guter Passer sein, neigt oft aber in den falschen Momenten zu Hero-Ball. Er kann schwierige Würfe treffen, aber er ist zu ineffizient, weil er simpel gesagt nur schwierige Würfe nehmen kann. Er ist langsam und kommt kaum mal zum Korb, deswegen sind sehr viele seiner Würfe schwierige Pullup-Jumper direkt am Verteidiger.
Nicht zuletzt ist Russell kein Floor General, ein solcher ist aber wohl von Nöten neben zwei Volume-Scorern wie Edwards und Towns. Gerade Towns ist als Big Man ein Stück weit auch davon abhängig, dass seine Teammates ihn "füttern". Und, bei aller Verbesserung: Angreifbar ist Russell defensiv weiterhin allemal, das haben die Grizzlies deutlich gemacht.
Der 26-Jährige bleibt ein sehr guter Freund von Towns, was die Lage sicherlich etwas komplizierter macht. Ein Abgang Russells ist deswegen auch keineswegs beschlossene Sache, vielleicht wird man sich einig. Vielleicht gibt es aber auch eine bessere Lösung auf dieser Position.
Was können die Timberwolves in der Offseason machen?
In erster Linie wird es bei den Wolves wohl um internes Wachstum gehen. Edwards wird im August erst 21 Jahre alt und ist eins der größten Talente der NBA, auch vom 21-jährigen Jaden McDaniels (überragend in Spiel 6) dürfen die Wolves einen weiteren Sprung erwarten. Es gibt allerdings auch Spielraum für einen größeren Trade.
Neben Russell geht auch Beverley (13 Mio.) ins letzte Vertragsjahr, Malik Beasley (15,6) ins vorletzte, allerdings ist das letzte Jahr eine Team-Option. Minnesota könnte also theoretisch mehrere große Trade-Pakete schnüren, zumal die Wolves in den kommenden Jahren all ihre Draft-Picks haben werden.
Generell ist das Team sehr flexibel aufgestellt, nur Towns, Edwards, Vanderbilt, McDaniels und Leandro Bolmero stehen über die kommende Saison fix unter Vertrag. Die Wolves werden zwar nie zur Free-Agency-Destination werden, finanzieller Spielraum kann aber natürlich trotzdem nie schaden.
Zumal es einige Baustellen gibt. Das Team ist relativ klein, was die Rebound-Monster aus Memphis gern ausnutzten. Die Bank ist nicht üppig besetzt. Ein defensivstarker Backup-Big wäre wertvoll. Dazu gibt es die offene Frage zur Point Guard-Position. Die nächsten zwei Offseasons dürften richtungweisend sein für Minnesota, denn Edwards spielt nur noch zwei Jahre auf seinem Rookie-Vertrag. Spätestens danach wird es teuer.
Können Towns und Edwards das Fundament eines Contenders sein?
Es ist zu früh, dies zu beantworten, in Minnesota wird man jedoch mit der Annahme operieren, dass sie es sein können. Alle Aktivitäten der Franchise der nächsten Jahre dürften darauf abzielen, ihnen ein perfektes Team an die Seite zu stellen. Towns kann in dieser Offseason eine vorzeitige Supermax-Vertragsverlängerung unterzeichnen, sofern er in einem All-NBA-Team landet; beides dürfte Realität werden.
KAT bleibt ein begnadeter Offensivspieler und hat mit nun 26 Jahren das wohl beste Jahr seiner Karriere hinter sich, insofern ist jede Unterschrift ein Gewinn für die Wolves - so gute Spieler verirren sich nicht oft nach Minneapolis, und wenn doch, dann bleiben sie oft nicht lange.
Towns hat seine Macken, er neigt bisweilen zu komischen Entscheidungen und lässt sich leicht provozieren, defensiv bleibt er eingeschränkt. Dafür will er für die Wolves spielen und in Minnesota gewinnen - das ist nicht so selbstverständlich, wie es klingt. Und im Idealfall ist er eines Tages trotzdem eher die Nummer zwei des Teams, neben Nummer eins Edwards.
Der Ant-Man ist der Upside-Spieler schlechthin, einer der athletischsten Spieler der Liga, der schon in seiner ersten Playoff-Serie (effiziente!) 25 Punkte pro Spiel auflegte und bisweilen defensiv Stops gegen Ja Morant generieren konnte - obwohl er das Spiel relativ offensichtlich noch lernt. Seine Wurfauswahl und sein Gefühl für das Spiel müssen sich bessern, aber sein bisheriger Fortschritt in der NBA gibt da schon Anlass zur Hoffnung.
Towns und Edwards sind für den Moment erstmal das beste und aufregendste Wolves-Duo seit Garnett und Stephon Marbury - die ein gutes Beispiel dafür waren, dass Talent alleine keinen Erfolg garantiert. Die Dynamik zwischen Towns und Edwards dürfte auch zwischenmenschlich sehr interessant bleiben, zumal Edwards' Spiel so viel kameratauglicher daherkommt.
Um ihr Potenzial abzurufen, haben beide Spieler und die Wolves an sich noch sehr viel Arbeit vor sich. Immerhin haben wohl alle Beteiligten verstanden, dass dieser erste Schritt in die richtige Richtung nicht automatisch den nächsten garantiert. Minnesota wird alles daran setzen, dass diese Saison nicht - wie die 2018er Spielzeit - zur Eintagsfliege verkommt.
Meistgelesene Artikel
Das könnte Dich auch interessieren

.jpg?quality=60&auto=webp&format=pjpg&width=317)

