Trotz herausragender Leistungen von Nikola Jokic war für die Denver Nuggets nicht mehr als die erste Playoff-Runde drin. Sind die Nuggets mit der Rückkehr der verletzten Leistungsträger direkt wieder ein Titelanwärter? Und wirft das Abschneiden einen Schatten auf Jokics Performance?
1. Warum war für die Nuggets bereits in Runde eins Schluss?
Nach dem Erreichen der Conference Finals in 2020 endete für die Nuggets die Saison zum zweiten Mal in Folge mit einer Enttäuschung. Nach dem Aus in Vorjahr per Sweep gegen den späteren Finalisten aus Phoenix gelang nun immerhin ein Sieg gegen Golden State. In beiden Fällen hatte der kurze Playoff-Auftritt seine Gründe. Erneut fehlte in Jamal Murray der Co-Star von Nikola Jokic, dieses Mal kam sogar noch Michael Porter Jr. hinzu (gleich mehr zu diesem Thema).
Auch im restlichen Kader gab es immer wieder Wehwehchen, in Spiel 5 plagte sich sogar Jokic mit Oberschenkelproblemen herum (auch er wenn er dies natürlich nicht als Entschuldigung gelten lassen wollte), Austin Rivers musste die Partie aus dem gleichen Grund bereits nach viereinhalb Minuten Einsatzzeit verlassen. Allzu viel gab der Kader ansonsten einfach nicht her, von der Bank erzielte der starke DeMarcus Cousins 19 der 23 Punkte, kein Reservist knackte die 20-Minuten-Marke.
Zudem war auch der Gegner nicht allzu schlecht. Rechtzeitig zum Start der Postseason waren alle Warriors-Stars verfügbar. Zwar kam Stephen Curry in den ersten vier Spielen noch von der Bank, das hielt ihn allerdings nicht davon ab, in durchschnittlich 30 Minuten 28 Punkte zu erzielen bei Splits von 50,0 und 40,4 Prozent.
In Kombination mit Klay Thompson, Jordan Poole als drittem Splash Brother und Draymond Green als Kopf der Mannschaft war das einfach zu viel für das Team aus den Rocky Mountains. FanDuel listet Golden State mit +300 derzeit gar als Favorit auf den Titel.
Dennoch muss lobend erwähnt werden: Nach den beiden recht deutlichen Niederlagen zu Beginn der Serie in San Francisco lieferten die Nuggets dem Favoriten drei spannende Begegnungen, neben dem Sieg in Spiel 4 stehen Niederlagen mit 5 und 4 Punkten Differenz zu Buche. Gewinnbar war die Serie unter den aktuellen Umständen realistisch betrachtet aber nicht. Zu erfahren ist der Warriors-Kader in Drucksituationen, zu wenig Entlastung gab es für Jokic. Das Defense-Rating von 121,9 war das schlechteste aller Teams in den Playoffs, in der Regular Saison war man zumindest noch im Mittelfeld gelandet (111,5).
Mit einer Bilanz von 48-34 hatte Denver die Saison auf Platz sechs im Westen beendet, mit einem besseren Endspurt (4-6) wäre zumindest Platz fünf vor Utah - vielleicht sogar der Heimvorteil - möglich gewesen. Ob die Chancen in einer Serie gegen die Dallas Mavericks deutlich größer gewesen wären, darf zumindest angezweifelt werden. In jedem Fall wäre dann spätestens in Runde zwei gegen den Top-Seed aus Phoenix ebenfalls Schluss gewesen.
Und auch wenn es zumindest vereinzelt Kritik an den personellen und taktischen Entscheidungen von Head Coach Michael Malone in der Warriors-Serie gab (zu viele Minuten für Jeff Green, keine Jokic/Cousins-Lineups, Gordon-Matchup gegen Curry), hat dieser gemeinsam mit seinem Superstar (nahezu) das Maximum aus den Möglichkeiten herausgeholt. Zudem gilt er als äußerst beliebt bei seinen Spielern. Doch auch er muss in der kommenden Saison wieder Ergebnisse liefern.
Golden State Warriors vs. Denver Nuggets: Die Serie im Überblick
Spiel | Datum | Uhrzeit | Heim | Auswärts | Ergebnis |
1 | 17. April | 2.30 Uhr | Golden State Warriors | Denver Nuggets | 123:107 |
2 | 19. April | 4 Uhr | Golden State Warriors | Denver Nuggets | 126:106 |
3 | 22. April | 4 Uhr | Denver Nuggets | Golden State Warriors | 113:118 |
4 | 24. April | 21.30 Uhr | Denver Nuggets | Golden State Warriors | 126:121 |
5 | 28. April | 4 Uhr | Golden State Warriors | Denver Nuggets | 102:98 |
2. Sind die Nuggets mit Murray und MPJ Titelanwärter?
Auch wenn andere Teams ebenfalls Ausfälle durch Verletzungen, Covid und aus anderen Gründen verzeichnen mussten: Stehen zwei deiner drei besten Spieler gar nicht (Murray) oder kaum (Porter Jr; neun Spiele in der Regular Season) zur Verfügung, ist das im Grunde nicht zu kompensieren - egal, wie außerirdisch sich der aktuelle und vielleicht auch zukünftige MVP präsentiert.
Malone jedenfalls sprach nach dem Playoff-Aus gegen Golden State umgehend - und das nicht zum ersten Mal - eine Kampfansage an die Konkurrenz aus. Ein Lineup aus Murray, Porter Jr. und Jokic sei "furchteinflößend", die Zukunft "definitiv strahlend hell". Laut ESPN Stats & Information kam das Trio vor der Murray-Verletzung 2020/21 auf ein Offensive Efficiency Rating von 123,9, das beste der gesamten Liga unter Trios mit mindestens 600 gemeinsamen Minuten.
Gleichzeitig schränkte er ein, dass Murray zum Start der Saison 2022/23 keinesfalls "er selbst" sein werde und es eine steinige Entwicklung zurück zur alten Form sei.
"Wir hatten das Gefühl, eine echte Chance zu haben, die Meisterschaft zu gewinnen", blickte Malone mit etwas Wehmut zurück auf die Vorjahre.
Schier unerschöpfliches Potenzial, aber ebenso endlos viele Fragezeichen - ein Dilemma, das nur mit der Zeit beantwortet werden kann. Neben Murray, der sich im April 2021 einen Kreuzbandriss zuzog und dessen Genesung länger als gedacht dauerte, gilt dies umso mehr für Porter Jr. Der äußerst begabte Offensivspieler, der im November 2021 bereits zum dritten Mal seit 2017 am Rücken operiert werden musste, legte 2020/21 seine Breakout-Saison hin (19 Punkte, 54,2 Prozent FG, 44,5 Prozent 3FG), ehe es einen erneuten Rückschlag gab.
Bereits im Februar ließ sein Agent Mark Bartelstein verlauten, dass Trainingseinheiten mit Kontakt zeitnah wieder möglich seien. Dass der 23-Jährige bis heute keine Minute zum Einsatz kommen konnte, ist zumindest kein allzu gutes Zeichen. Vor der Saison unterschrieb er einen ab 2022 gültigen Fünfjahresvertrag über 172,5 Millionen Dollar (145 garantiert, bis zu 207 mit Boni), weshalb die langfristige Gesundheit und sportliche Leistungsfähigkeit im Zentrum aller Entscheidungen der Franchise stehen wird.
Mit dem Trade für Gordon im März 2021, für den Denver Gary Harris, R.J. Hampton sowie einen 2025er Erstrundenpick zu den Orlando Magic schickte, dachte die Franchise, das fehlende Puzzleteil auf dem Weg zu einer Championship ergattert zu haben. Die ersten Eindrücke waren äußerst positiv, dann schlug das Verletzungspech zu. Mit der Vertragsverlängerung von Gordon - der Vierjahresdeal ist 92 Millionen Dollar schwer und läuft bis 2026 - steht der Kern der Zukunft. Und auch bei Jokic scheint die Marschroute klar (siehe Frage 5). Aber es gibt weitere Personalfragen ...
3. Welche Free Agents müssen gehalten werden? Was wird aus Cousins?
Eine der Feel-Good-Storys der ersten Playoff-Runde war der Auftritt von DeMarcus Cousins. Nachdem der oft verletzte und nach seinen Jahren bei den Kings nirgendwo so richtig angekommene Big Man die Saison noch in Milwaukee begonnen hatte, erarbeitete er sich über einen Zehntagesvertrag einen Kontrakt für den Rest der Saison. Nach 31 Punkten im März gegen die Rockets stellte er auch in den Playoffs seinen Wert unter Beweis.
In den Minuten mit Cousins erzielte Denver über die fünf Spiele gesehen 3 Punkte mehr als Golden State, die 19 Punkte in Game 5 waren sogar ein Playoff-Career-High für den 31-Jährigen. Auch wenn es sicherlich noch andere Gründe gab: Aber die Tatsache, dass die Nuggets seit dem Cousins-Debüt die Minuten ohne Jokic (662) nur noch mit -38 verloren statt zuvor mit -217 (in 823 Minuten), war kein Zufall.
Cousins habe nach eigener Aussage bewiesen, "dass ich hierher gehöre, dass ich in diese Liga gehöre". Coach Malone erklärte, dass er sich sehr für Cousins freue und stolz auf ihn sei, in der Kabine habe es eine innige Umarmung gegeben. In den kommenden Wochen werde nun darüber diskutiert, wie die Zukunft aussehen könnte - womöglich mit Cousins, der Unrestricted Free Agent wird.
Ohne die ganz großen Namen, aber mit einer langen Liste an Spielern gehen die Nuggets in die Free Agency. Facundo Campazzo, Vlatko Cancar, Markus Howard und Davon Reed können als Restricted Free Agents ab dem 29. Juni mit der Qualifying Offer belegt werden, die Forwards JaMychal Green (8,2 Millionen) und Jeff Green (4,5 Millionen) verfügen über Spieleroptionen. JaMychal Green dürfte angesichts seiner durchwachsenen Leistungen nirgends mehr verdienen. Jeff Green könnte auch über die Taxpayer Midlevel Exception gehalten werden (6,3 Mio.).
Regelmäßig zum Einsatz kamen auch Austin Rivers und Bryn Forbes, die Unrestricted Free Agents werden, in der Regular Season kam das Duo 22,1 beziehungsweise 17,4 Minuten zum Einsatz. Nach der Rückkehr von Murray sollten sie entbehrlich sein und nicht mehr als einen Minimumvertrag angeboten bekommen.
Apropos Murray: 2019 unterschrieb dieser seine Rookie-Extension, nun geht er in Jahr drei davon. Möglich wäre es, dass er diese vorzeitig um zwei Jahre und 85,9 Millionen ausdehnt. Dass die Nuggets dies derzeit anstreben, scheint allerdings unwahrscheinlich. Backup-Guard Monte Morris stellte seinen Wert in den Playoffs unter Beweis und ist bis 2024 günstig gebunden (27,4 Mio.). Ab 28. August könnte er für weitere drei Jahre und 42,2 Mio. unterschreiben.
Denver Nuggets: Die werdenden Free Agents
Spieler | Alter | Position |
Bryn Forbes | 28 | Guard |
Facundo Campazzo (RFA) | 31 | Guard |
Austin Rivers | 29 | Guard |
Markus Howard (RFA) | 23 | Guard |
Davon Reed (RFA) | 26 | Guard |
Vlatko Cancar (RFA) | 25 | Forward |
JaMychal Green (PO) | 31 | Forward |
Jeff Green (PO) | 35 | Forward |
DeMarcus Cousins | 31 | Center |
4. Wo müssen die Nuggets im Sommer nachbessern?
Vorneweg: Den Nuggets steht der eigene Erstrundenpick an Position 21 zur Verfügung, um Verbesserungen am Kader vorzunehmen. Der Pick kann erst am Draft-Day getradet werden, zukünftige First Rounder gehen bereits an Oklahoma City und Orlando: Der OKC-Pick ist Top-14-geschützt in 2023, 2024 und 2025. Frühestens zwei Jahre später geht ein Top-5-geschützter Pick nach Orlando.
Weitere Anpassungen am Kader macht die finanzielle Lage extrem schwierig. Neben den Lakers, Nets und Warriors sind die Nuggets das einzige Team mit drei Max-Spielern im Aufgebot. Alleine das Quartett Jokic, Murray, Porter Jr. und Gordon kassiert 114,9 Millionen in 2022/23, hinzu kommt unter anderem Will Barton mit 14,4 Millionen. Die Luxussteuer ist Stand jetzt bereits erreicht. Somit werden sich "Nachbesserungen" im Sommer größtenteils auf die Genesung der eigenen Stars beziehen.
Sollten die Eigentümer zustimmen, stünde zumindest noch die bereits erwähnte Midlevel Exception zur Verfügung. Die Nutzung würde allerdings zusätzliche Luxussteuern in Höhe von 14 Millionen Dollar nach sich ziehen. Kleiner Blick nach vorne: Unterschreibt Jokic seine Supermax-Extension, die ihm 2023/24 43,8 Millionen pro Jahr zusichern würde, hätten die Nuggets für vier Spieler bereits 132 Millionen verplant in dieser Saison.
Auf der Suche nach ein wenig externer Unterstützung sollte sich der Blick der Nuggets auf die Positionen Center und Small Forward richten. Ob die beiden Greens bleiben, ist offen. Eine defensive Alternative zu Jokic und eventuell Cousins ergäbe Sinn. Während der Backcourt steht, wird es auf dem Flügel hinter Barton und Gordon schnell recht dünn. Sollte sich über Minimalverträge oder die Exception niemand finden, könnte auch später auf dem Buyout-Markt zugegriffen werden.
5. Wirft das frühe Aus ein Schatten auf Jokics MVP-Case?
NEIN! Dafür reicht allein schon ein Blick auf die On/Off-Zahlen. Diese sind aus Sicht der Spieler, die nicht Nikola Jokic heißen, dramatisch. Steht der Serbe auf dem Feld, erzielte Denver auf die Saison gesehen durchschnittlich 11,3 Punkte mehr als der Gegner (laut Cleaning the Glass), ohne ihn sind es 8,2 Punkte weniger. Dies entspricht einem Unterschied von 19,5 Punkten!
Laut ESPN Stats & Information ist er der erste Spieler, der es in einer Saison auf 2.000 Punkte, 1.000 Rebounds und 500 Assists gebracht hat. Niemand vor ihm hat im Schnitt 25 Punkte, 13 Rebounds und 7 Assists aufgelegt, seit 1973 hat kein Spieler sein Team in Punkten, Rebounds, Assists, Steals, Blocks und der Field-Goal-Quote angeführt. Unfassbar!
Aber natürlich geht sein Einfluss weit über die reinen Zahlen hinaus. Einzig ihm war es zu verdanken, dass es die gebeutelten Nuggets überhaupt in die Playoffs geschafft haben und den Warriors zumindest einen Kampf lieferten. Coach Malone bezeichnete ihn folglich nach dem Aus als "Krieger" und teilte gegen die Kritiker aus, die er nicht verstehe. "Ist er perfekt? Nein. Aber er hat eine teuflische Saison gespielt und beeinflusst das Spiel auf so vielen verschiedenen Wegen. Hoffentlich wird er wieder MVP. Er hätte es sich verdient."
Weiteres Lob blieb selbstverständlich auch nicht aus, ob von Cousins ("Neben Westbrook wahrscheinlich der am wenigsten respektierte MVP der Liga"), Warriors-Coach Steve Kerr ("Jokic ist einfach albern") oder Draymond Green. "Ich habe ihm dafür gedankt, dass er mich besser macht. Es ist eine Ehre und ein Vergnügen, gegen jemanden zu spielen, der so talentiert ist. Normalerweise sind diese talentierten Jungs soft, er ist aber ganz weit von soft entfernt", sagte dieser.
Die Warriors richteten ihren kompletten Matchplan auf Jokic aus, in der Box-and-One-Defense widmete sich Klay Thompson einzig und allein der Verteidigung von Jokic. Kerr bestätigte, dass das Small-Ball-Lineup der Warriors primär dem Zweck diente, Jokic in der Defensive zu beschäftigen und ihn so müde zu machen.
Jokic wiederum wusste die Respektsbekundungen durchaus zu schätzen, blickte aber wie gewohnt nüchtern auf das Geschehen. Er schere sich nicht darum, wer ihn kritisiert, habe für jeden Gegner Respekt und generell keinen Einfluss auf Dinge außerhalb seiner Einflusssphäre. Wie er den MVP-Gewinn feiern wolle? "Ein wenig Musik, Bier, Freunde um mich herum. Wahrscheinlich so, wie es jeder machen würde", sagte er.
Zudem bestätigte er, sich "schnellstmöglich" in seine Heimat Serbien verabschieden zu wollen, ein Angebot zur Vertragsverlängerung bei den Nuggets zu maximalen Bezügen würde er "natürlich" akzeptieren. "Aber das entscheide ich nicht. Ich mag die Organisation und die Leute, die hier arbeiten. Ich habe eine gute Beziehung zu jedem, vom Besitzer bis zum Equipment-Manager."
Vieles in der Zukunft der Nuggets sei offen und von der Gesundheit abhängig. "Haben wir Talent? Ja. Können wir etwas erreichen? Wahrscheinlich. Sagen wir es so: Überall in der Liga werden Super-Teams gebildet und sie haben keinen Erfolg. Wir müssen gemeinsam arbeiten, das ist die einzige Sache. Wir haben die Spieler und die Puzzleteile."
Nikola Jokic: Seine Stats in Regular Season und Playoffs
# | PTS | FG% | 3P% | FT% | REB | AST | STL |
Saison | 27,1 | 58,3 | 33,7 | 81,0 | 11,0 | 7,9 | 1,5 |
Playoffs | 31,0 | 57,5 | 27,8 | 84,8 | 13,2 | 5,8 | 1,6 |
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