NBA Playoffs - 5 Fragen zum Aus der Phoenix Suns: (Letzte) Chance vertan?

Ole Frerks
16. Mai 202215:25
Devin Booker und Chris Paul konnten die Phoenix Suns gegen Dallas nicht retten.getty
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Die Phoenix Suns sind in sieben Spielen gegen die Dallas Mavericks ausgeschieden und konnten ihre überragende Regular Season so nicht krönen. Für den Vorjahresfinalisten steht nun eine Offseason an, die richtig teuer werden könnte - und die nach dem kläglichen Auftritt in Spiel 7 mit Sicherheit von viel Ärger geprägt sein wird.

Warum konnten die Suns Dallas nicht bezwingen?

Beste Bilanz der Liga, Coach of the Year, Vierter bei der MVP-Wahl, eins der besten Clutch-Teams der NBA-Geschichte - alles egal! Phoenix flog überraschend bereits in der zweiten Runde aus den Playoffs, gegen ein Team, das vor dieser Postseason seit 2011 überhaupt keine Playoff-Serie gewonnen hatte.

Dabei hatte alles nach Plan angefangen. Phoenix mühte sich schon in Runde eins etwas mehr als erwartet mit den New Orleans Pelicans ab, ging jedoch wieder fit(ter) in die zweite Runde und gewann die Spiele eins und zwei in dominanter Manier. Die Offensiv-Maschine brummte, hinten meldete man zunächst alle Mavericks ab, die nicht Luka Doncic hießen.

Doch das Blatt wendete sich, und wie. Phoenix konnte von den verbleibenden fünf Spielen nur noch Game 5 für sich entscheiden, zunehmend übernahm Dallas in der Defensive die Kontrolle. Phoenix hatte zuvor acht Playoff-Spiele in Serie mindestens 50 Prozent seiner Würfe getroffen, in den letzten fünf Spielen scheiterten sie jedes Mal an dieser Marke.

Chris Paul wird von Dallas kaltgestellt

Die Probleme der Suns begannen "an der Spitze", beim Point God höchstpersönlich. Chris Paul kam über die letzten fünf Spiele nur noch auf 9,4 Punkte, 5,8 Assists und 3,6 Turnover im Schnitt, die Defense von insbesondere Reggie Bullock machte ihm merklich zu schaffen, Berichten zufolge spielte wohl auch eine Verletzung am Oberschenkel eine Rolle.

Auch Devin Booker spielte keine gute Serie, über die letzten fünf Spiele kam er zwar noch auf 22 Punkte im Schnitt, allerdings bei schwacher Quote (42 Prozent). Er wurde fast immer geblitzt und fand kein Mittel dagegen. Beide Backcourt-Stars der Suns waren nicht in der Lage, die Offense wie gewohnt in die Hand zu nehmen, so wie es Doncic auf der Gegenseite immer mehr tat. Doch es war nicht nur der Slowene.

Jalen Brunson arbeitete sich in die Serie, auch die Rollenspieler wie Dorian Finney-Smith oder Maxi Kleber hatten immer wieder ihre Momente, in den Spielen 6 und 7 war dann auf einmal der zuvor enttäuschende Spencer Dinwiddie ein wesentlicher Faktor. Über die Serie wirkten die Mavs paradoxerweise auf einmal wie das tiefere Team, nicht mehr nur wie das Team, das den besten Spieler auf seiner Seite hatte.

Phoenix ging zur Unzeit die Puste aus

Am Ende war es auch eine mathematische Frage. Die Suns trafen 52 Dreier über die letzten fünf Spiele, bei den Mavs waren es 76! Es ist schwierig, eine solche Diskrepanz anderweitig auszugleichen, selbst für ein Team mit einem so ungewöhnlichen Wurfprofil (viel Mitteldistanz, wenig Dreier und wenig am Korb) für Phoenix.

Natürlich muss all das trotzdem nicht zu einer Vorstellung wie in Spiel 7 führen. Im wichtigsten Spiel der Saison traten die Suns schlichtweg peinlich auf, hatten von Anfang an nicht die Energie, um den frenetisch auftretenden Mavs auf Augenhöhe zu begegnen, und kamen in den ersten zwei Vierteln bloß auf ganze 27 Punkte.

Dass es schon zur Pause Buhrufe hagelte, war da fast schon folgerichtig. Die Suns spielten eine tolle Saison, das Ende hinterlässt jedoch einen bitteren Geschmack. "Wir haben heute unser schlechtestes Spiel der gesamten Saison gespielt", ärgerte sich Monty Williams. Das stimmte, aber im Prinzip setzte Spiel 7 auch nur einen Trend fort, der sich angekündigt hatte.

NBA Playoffs: Mavs vs. Suns - Die Serie im Überblick

SpielDatumHeimAuswärtsErgebnis
13. MaiPhoenix SunsDallas Mavericks121:114
25. MaiPhoenix SunsDallas Mavericks129:109
37. MaiDallas MavericksPhoenix Suns103:94
48. MaiDallas MavericksPhoenix Suns111:101
511. MaiPhoenix SunsDallas Mavericks110:80
613. MaiDallas MavericksPhoenix Suns113:86
716. MaiPhoenix SunsDallas Mavericks90:123

Wie geht es mit Deandre Ayton weiter?

Indem Dallas den Kopf der Schlange kontrollierte, wurde es auch für die Rollenspieler der Suns immer schwerer. Das galt insbesondere für Deandre Ayton, der nicht wie erhofft den Small-Ball der Mavericks bestrafte, sondern in vielen Spielen wirkungslos blieb, auch wenn seine Zahlen (16 Punkte, 8 Rebounds im Schnitt) solide aussahen.

In Spiel 7 kulminierten auch Aytons Probleme. Der Center spielte nur 17 Minuten und stritt während einer Auszeit mit Williams, danach stellte sich Ayton den Medienvertretern nicht. Williams hingegen sagte sehr knapp "das ist intern", auf die Frage, warum ein Teil seiner Big 3 nur so wenig gespielt hatte.

Für Ayton kommt dies zur Unzeit, schließlich geht es für ihn um den nächsten Vertrag. In der vergangenen Offseason wollten die Suns ihm keinen vorzeitigen Maximalvertrag geben, nun hat er in dieser Serie nicht unbedingt die besten Argumente gesammelt, warum sie das nun doch tun sollten.

Gleichzeitig ist der Spielraum der Suns limitiert. Einen Ersatz für Ayton könnten sie aufgrund der Gehaltsstruktur nicht bezahlen, verstärken könnten sie ihr Team dann nur in einem Sign-and-Trade, in dem viele Variablen passen müssen. Dass er den vollen Max (fünf Jahre, 177 Mio. Dollar) bekommt, wirkt dennoch unwahrscheinlich, wenn auch nicht unmöglich.

Es gibt auch noch andere Optionen. Ayton ist Restricted, Phoenix könnte ihn also ein fremdes Angebot "einholen" lassen und dieses dann matchen. Cap-Space haben die Magic, Pistons, Blazers, Spurs und Pacers.

Deandre Ayton: Bleibt er bei den Suns?

Auf diese Art und Weise könnte die Laufzeit höchstens vier Jahre und 131 Mio. betragen, zudem hätten die Suns keinen Einfluss auf Faktoren wie Spieler-/Team-Optionen oder die Verteilung des Gehalts über die Vertragsjahre. Eins der genannten Teams könnte die Suns mit einem gezielten Offer-Sheet und "front-loaded" Gehalt, also höheren Summen in den ersten Jahren, durchaus ärgern und tief in den Luxussteuerbereich bringen.

Ayton könnte auch sein Qualifying Offer in Höhe von 16,4 Mio. Dollar unterschreiben und dadurch nach einem Jahr Unrestricted Free Agent werden. Phoenix würde dadurch kurzfristig Geld sparen, aber vermutlich auch das beste Asset nach einem Jahr ohne Gegenwert verlieren. Ayton wiederum hätte das Risiko, durch eine Verletzung sehr viel Geld zu verlieren.

Vermutlich kommen beide Seiten irgendwie zusammen, weil die Alternativen für beide nicht allzu prickelnd sind. Und, auch wenn diese Serie nicht gut war: Ayton hat eigentlich eine sehr gute Saison gespielt, ist erst 23 Jahre alt, ist offensiv und defensiv sehr wertvoll. Er hat seine Schwächen, vor allem die Passivität, Spieler mit seinen Fähigkeiten sind dennoch rar.

Kompliziert ist das Ganze trotzdem, das bestätigte nach dem Spiel auch Booker. "Seine Vertragssituation ist zwischen ihm und dem Front Office. Mir geht es um ihn als Bruder. Darum, dass es ihm mental gut geht ... was auch immer passiert, wird passieren. Es ist schwer, so weit in die Zukunft zu blicken."

Was steht sonst in der Offseason an?

Ayton ist die Suns-Baustelle Nummer eins, ansonsten steht ein Großteil des Kaders noch bis mindestens 2023 unter Vertrag, neun Kaderplätze sind bereits besetzt. Von den eigenen Free Agents dürfte JaVale McGee Priorität genießen, der eine gute Saison als Backup-Center spielte. Phoenix kann ihm 7,2 Mio. Dollar Jahresgehalt anbieten.

Zudem stünde den Suns noch die Taxpayer Midlevel Exception in Höhe von 6,4 Mio. zur Verfügung, sowie natürlich Minimalverträge. Nutzen sie all diese Ressourcen und zahlen sie Ayton einen Maximalvertrag, würden die Suns und ihr notorisch eher geiziger Besitzer Robert Sarver laut ESPN Luxussteuern in Höhe von 77 Mio. Dollar zahlen müssen.

Das ist eine ganze Menge, allerdings sind die Suns eben auch im Win-Now-Modus, so lange Paul noch für sie spielt. Sarver hat bereits vergangenes Jahr angedeutet, dass er daher auch dazu bereit wäre, Luxussteuer zu zahlen. Ob die herbe Enttäuschung in dieser Serie ihn davon abgebracht hat, wird sich nun zeigen.

Suns: Winkt Booker der Supermax-Deal?

Abgesehen davon gibt es auch noch zwei wichtige Extension-Kandidaten. Zum einen ist da Booker, der ein All-NBA-Team erreichen wird und daher berechtigt ist, eine vorzeitige Verlängerung über vier Jahre und 211 Mio. Dollar zu unterschreiben, die im Sommer 2024 starten würde. Phoenix wird ihm diese ziemlich sicher vorlegen.

Zum anderen ist da noch Cam Johnson. Der Dritte beim Sixth-Man-of-the-Year-Voting wird entweder 2023 Restricted Free Agent oder verlängert jetzt vorzeitig. Die Suns werden ihn sicherlich gerne halten wollen, zumal Jae Crowder in sein letztes Vertragsjahr geht und nicht jünger wird, es ist aber auch eine Preisfrage.

Johnson kam zumeist von der Bank, hat aber auch abgeliefert, wenn er starten durfte. In 16 Starts in dieser Saison kam er im Schnitt auf starke 16 Punkte bei 49 Prozent aus dem Feld und 42 Prozent von der Dreierlinie, er deutete also an, dass er mehr kann. Johnsons Wurf ist elitär, (Rollen-)Spieler mit seinen Skills sind immer gefragt.

Gleichzeitig war er einer der Spieler, die von den Mavs (= von Doncic) defensiv immer wieder attackiert wurden. Gut möglich, dass Phoenix hier eher pokert und nicht wie im vergangenen Jahr bei Mikal Bridges gleich frühzeitig Nägel mit Köpfen macht.

War das die letzte Titelchance für Chris Paul?

Die wichtigste Frage räumte Paul nach dem Spiel direkt aus dem Weg. "Wir werden nächstes Jahr wieder hier sein", sagte der 37-Jährige. "Ich beende nicht morgen meine Karriere. Hoffentlich bin ich gesund, wenn es wieder losgeht. Aber ich werde weiter spielen."

Alles andere wäre auch schockierend gewesen. Paul verdient in den kommenden beiden Jahren noch rund 60 Mio. Dollar, für 24/25 halten die Suns zudem noch eine Team-Option. Das Ende war zwar schaurig, davor spielte Paul indes ja eigentlich eine sehr gute Saison und war noch in Spiel 2 dieser Serie überragend unterwegs.

Es ist schwer zu sagen, was der Hauptgrund dafür war, warum es dann so extrem schwierig für ihn wurde. War es die Defense der Mavs? War es der (laut Marc Spears) lädierte Quadrizeps? War es die Erschöpfung nach der langen Vorsaison und der kurzen Offseason? Oder vielleicht das Alter, oder ein Fall des "sich-zu-sicher-fühlens", das Paul und Booker nach Spiel 2 sehr offen zur Schau stellten?

Chris Paul hat sein MHD schon überschritten

Vermutlich spielte einiges davon eine Rolle, vielleicht auch noch andere Faktoren. Es ist im Prinzip unerheblich: Abgesehen von den 17/18er Houston Rockets hatte Paul nie ein besseres Team als diese Suns, gereicht hat es trotzdem (wieder) nicht. Und im Gegensatz zu vielen anderen Enttäuschungen in seiner bisherigen Karriere war Paul diesmal kein tragischer Held, sondern schlichtweg nicht gut in dieser Serie.

"Wenn man lange genug spielt und nicht gewinnt, werden sie bei jeder Niederlage sagen, dass dies deine beste Chance war", sagte CP3 im Anschluss zwar, aber in diesem Fall ist diese Einschätzung durchaus berechtigt. Paul hat sein Mindesthaltbarkeitsdatum eigentlich ja längst überschritten, so gut war so spät noch nie ein so kleiner NBA-Spieler.

Es wird von jetzt an eher bergab gehen für Paul, und selbst wenn er sein Niveau ansatzweise halten kann: Der Westen wird nächstes Jahr eher härter. Die Nuggets und Clippers dürften dann eher wieder eine Rolle spielen, die Warriors und Grizzlies existieren, nicht zuletzt gibt es da noch diesen Slowenen, dessen Blütezeit gerade erst anfängt.

Phoenix wird aller Voraussicht nach wieder mittendrin sein in der Verlosung. Die Suns haben eine elitäre Saison gespielt, das sollte nicht unter den Tisch fallen. Dieses Team ist immer noch sehr gut, sehr tief, sehr gut vorbereitet. Aber die Meisterschaften werden in der Regel von Superstars gewonnen ... und ein solcher ist Paul nicht mehr, nicht verlässlich über vier Playoff-Runden. Und Booker? Nun ...

Kann Devin Booker ein Team zum Titel führen?

Es war nicht die Serie für die "Booker Superstar"-Fraktion. Während der Saison beschwerte sich Booker, dass er trotz der Bilanz der Suns nicht MVP werden würde, obwohl es offensichtlich war, dass die drei Spieler, die vor ihm landeten, einen größeren Einfluss auf Sieg oder Niederlage hatten. In dieser Serie zeigte sich dann erst recht deutlich, dass ihm zu den absolut besten Spielern der Liga noch ein Stück fehlt.

Doncic, Fünfter im MVP-Voting hinter Booker übrigens, war in fast allen Belangen besser, ab Spiel 3 vermutlich sogar defensiv. Der Slowene war der bessere Scorer UND der deutlich bessere Playmaker, er übte eine Kontrolle über das Spiel aus, wie sie nur die wenigsten Spieler, eben die Superstars, ausüben können.

Und er löste verschiedene Coverages, alles, was die Suns ihm entgegenwarfen. Doncic bestrafte Drop Defense, er attackierte gegen Single Coverage, er setzte seine Teamkollegen ein, wenn das Double- oder Triple-Team kam, er nutzte jedes Mismatch gnadenlos aus. Es gibt in der Liga aktuell wohl keine Handvoll Spieler, die Dallas in dieser Serie zum Sieg hätten führen können.

Devin Booker: Das fehlt noch zum Superstar

Booker hingegen wurde in mehreren Spielen abgemeldet. Dallas blitzte ihn konsequent und wollte dafür sorgen, dass die anderen Suns sie bestraften, dadurch wurde phasenweise das gesamte Team aus dem Konzept gebracht. Booker blieb in drei der letzten fünf Spiele unter 20 Punkten, die Stinkbombe in Spiel 7 war nicht sein einziger enttäuschender Auftritt.

Es wäre unsinnig, die Niederlage an ihm festzumachen - dafür waren insbesondere Ayton und Paul zu schwach, dafür war Booker in den Spielen 4 und 5 zu stark, als er die Suns phasenweise fast im Alleingang trug. Richtig verlässlich war er jedoch nicht und ein Adjustment gegen Dallas' aggressive Defense war am Ende auch nicht zu sehen.

Die allerbesten Spieler beeinflussen auch die Spiele, in denen sie selbst nicht groß als Scorer auftreten. Diesen Punkt hat Booker noch nicht erreicht, zumindest nicht konstant, das ist quasi die finale Stufe. Und das ist der Punkt, den er wohl noch erreichen muss, wenn Phoenix den ersten Titel seiner Franchise-Geschichte einstreichen möchte.