NBA Above the Break - 10 Vorhersagen zur Saison: Der neue Giannis-Deal ist ein gutes Zeichen für die Liga

Ole Frerks
16. Dezember 202009:35
Giannis Antetokounmpo hat für fünf weitere Jahre bei den Milwaukee Bucks unterschrieben.getty
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Die neue NBA-Saison beginnt in der Nacht auf den 23. Dezember - zu diesem Anlass kehrt auch die NBA-Kolumne Above the Break zurück. Zum Saisonstart geht es anhand von zehn Vorhersagen zu Luka Doncic, den Milwaukee Bucks, einem potenziellen Game-Changer-Trade und vielem mehr quer durch die Liga.

So komisch das klingt, die Saison 2020/21 steht in den Startlöchern und wird Dienstagnacht - gefühlt zwei Wochen nach dem Ende der Finals - mit dem folgenden Double-Header beginnen: Erst spielen die Brooklyn Nets gegen die Golden State Warriors, dann kommt es zum Los Angeles-"Klassiker", der in den ersten Jahrzehnten des gemeinsamen L.A.-Daseins nie ein Klassiker war.

Allein diese beiden Spiele, diese vier Teams bringen genug Zündstoff und Storylines mit, damit sind sie aber bei weitem nicht die einzigen. Im Sinne einer etwas anderen Saisonvorschau hangeln wir uns daher heute an einigen Thesen durch die Liga vor einer so noch nie dagewesenen Ausganssituation.

Eins vorweg: Corona wird die Saison natürlich beeinträchtigen, auf einigen vorhersehbaren und wohl noch mehr unvorhersehbaren Arten und Weisen. Hier ins Blaue zu spekulieren, ist jedoch weder zielführend noch sonderlich unterhaltsam. Deswegen konzentrieren wir uns heute aufs Sportliche! Und ab dafür.

Nr. 1: Die Vertragsverlängerung von Giannis ist gut für die Liga

Nun hat er es doch getan: Giannis hat den größten Vertrag der NBA-Geschichte unterschrieben, nach anderthalb Jahren voller Gerüchte und Planungen anderer Teams, ihn irgendwie aus Milwaukee loszueisen. Finanziell ergab diese Entscheidung von Anfang an am meisten Sinn; aus sportlicher Sicht wiederum hat Antetokounmpo den Bucks durch die späte Unterschrift einen Gefallen getan.

Mit (unter anderem) den Toronto Raptors und den Miami Heat agierten schließlich die beiden Teams, die die Bucks in den vergangenen beiden Jahren aus den Playoffs warfen, in der Offseason eher passiv, weil sie sich den Platz für Giannis nicht kaputtmachen wollten. In etwas abgeschwächter Form galt das auch für die Mavericks.

Dass Giannis nun bei den Bucks unterschrieb und im Vertrag sogar noch ein saftiger Trade-Kicker von 15 Prozent vereinbart wurde, ist ein gutes Zeichen. Vor allem für die Bucks, aber auch für die kleinen Märkte - und die Liga als Ganzes. Es ist nicht "gesund", wenn schon Jahre vor dem Vertragsende über Abgänge spekuliert wird oder wenn jeder der fünf bis zehn besten Spieler der Liga sich nur auf drei oder vier Märkte verteilt, wenn Gerüchte wichtiger werden als die sportliche Situation.

Balance wird es nie geben, das ist angesichts der geringen Zahl echter MVP-Kaliber auch unmöglich, aber die Tatsache, dass Spieler aus kleineren Märkten nach jeder Niederlage als erstes Fragen zu ihrer Zukunft beantworten müssen, nur weil man gewisse Unzufriedenheiten gewohnt ist, geht wohl ein wenig zu weit. Durch den neuen Deal kehrt zumindest in Milwaukee für eine gewisse Zeit Ruhe ein.

Giannis Antetokounmpo wurde in den letzten zwei Saisons jeweils zum MVP gewählt.getty

Nr. 2: Die Milwaukee Bucks experimentieren mehr denn je

Und das führt zu diesem (Wunsch-)Gedanken: Mehr Mut in Milwaukee! Zweimal in Serie stolperte das beste Team der Regular Season in den Playoffs über die eigene Rigidität, war nicht in der Lage, von dem Stil abzukehren, der die gesamte Saison über funktioniert hatte. Das bezog sich sowohl auf die Offense als auch die Defense.

Ein Beispiel ist die Drop-Coverage: Milwaukee hat hinreichend bewiesen, dass seine Defense in der Regular Season großartige Resultate produziert, wenn Giannis und Brook Lopez absinken und den Ring beschützen, auch wenn heiße Shooting-Nächte des Gegners gelegentlich mal ein Problem sein konnten. Als ein Team (Miami) diesen Stil jedoch gekonnt und immer wieder durch Two-Man-Action mit Bam Adebayo und Duncan Robinson oder Tyler Herro attackierte, fehlte schlichtweg das Gegenmittel.

Mit Giannis, Khris Middleton und vor allem auch Neuzugang Jrue Holiday haben die Bucks das Personal, das Pick'n'Roll auch mal zu trappen oder zu blitzen, Holiday tat dies an der Seite von Anthony Davis in New Orleans zeitweise bereits großartig - Milwaukee muss nicht komplett weg von seinem System, aber es muss zumindest solche zusätzlichen Komponenten installieren.

Offensiv verhält sich die Situation ähnlich. Holiday gibt Coach Bud eine gute neue Komponente und einen weiteren Creator. Einen klassischen Pick'n'Roll-Playmaker, der Giannis entlasten kann, haben die Bucks aber nach wie vor nur bedingt; D.J. Augustin bietet diese Komponente in der Regular Season, aber wohl nicht in den Playoffs. Es wurde Tiefe verloren, mehr denn je wird es also auf die Stars ankommen, und auf den Coach, der sie einsetzen will.

Die Bucks haben simple Adjustierungen wie die Spielzeit von Giannis in entscheidenden Spielen, aber auch solche taktischer Natur vor sich. Im besten Fall sehen wir einiges davon direkt zum Start der Saison, selbst wenn die Umstellung vielleicht ein paar Siege kostet. Denn was zählt - bei diesem Team - am Ende der First-Seed?

Nr. 3: Luka Doncic wird der jüngste MVP der Geschichte

Zugegeben: Die Tatsache, dass der Slowene mit dem einen oder anderen Kilo zu viel aus dem Urlaub zurückkam, spricht gegen diese These. Doncic hat aber schon in der Preseason gezeigt, dass er nicht lange braucht, um auf Betriebstemperatur zu kommen, von High Speed lebt sein Spiel ohnehin nicht.

Was für ihn spricht beziehungsweise sprechen wird:

  • Das statistische Resümee: Schon in der vergangenen Saison legte Doncic MVP-Zahlen (grob: 29, 9 und 9) auf. 20/21 dürften diese aus mehreren Gründen sogar steigen: Doncic kann gerade aus der Distanz wesentlich effizienter sein als vergangene Saison (31,6 Prozent), Dallas ist in diesem Jahr zudem besser aufgestellt, um ihm Platz zu schaffen und auch mal für leichte Abschlüsse in Szene zu setzen. Andererseits fehlt zu Beginn der Saison Kristaps Porzingis - zu diesem Zeitpunkt wird also besonders viel von Doncic' Produktion abhängen. Wie mag diese aussehen? 32, 11 und 9 vielleicht? Das können MVP-Zahlen sein.
  • Die Bilanz: Vergangene Saison kam Doncic an Giannis und LeBron auch deshalb nicht ran, weil die Bilanz seines Teams zu schlecht war. Dallas war offensiv zwar das stärkste Team der NBA und per Net-Rating das drittbeste Team im Westen, die Mavs verloren aber so viele knappe Spiele, dass am Ende "nur" 43 Siege heraussprangen. Nicht zuletzt dank Doncic dürfte sich diese Clutch-Bilanz bessern, schon in den Playoffs wirkte sein Spiel viel reifer. Dadurch werden automatisch mehr Siege herausspringen. Dallas kommt wohl nicht an die L.A.-Teams heran, das Cluster danach könnten die Mavs aber anführen - und eine Top-3-Platzierung könnte "reichen".
  • Junge Beine: Eins gehört zu der komprimierten 72-Spiele-Saison schließlich auch dazu: Die Belastung ist sehr hoch, gerade für die Teams, die lange in den Playoffs aktiv waren. In der Regular Season dürften daher einige MVP-Kandidaten zumindest etwas schonender auftreten (die Ü30-Fraktion: LeBron, Durant, Kawhi (technisch gesehen 29 Jahre alt)), ein sonstiger Dauerbrenner wie Harden ist derzeit ein Sonderfall (siehe unten). Doncic ist 21 Jahre alt und bisher nicht dadurch aufgefallen, sich irgendwelche Pausen zu nehmen. Das kann ihn in dieser Spielzeit mehr als sonst abheben, bleibt er verletzungsfrei.
  • Voter-Fatigue: Natürlich ist Doncic nicht der einzige junge Star. Davis ist 27, Giannis 26 Jahre alt. Ersterer ist aber nicht der wichtigste Spieler seines Teams, was, selbst wenn er eine bessere Regular Season spielt als LeBron, das Wählerverhalten beeinflussen kann. Antetokounmpo wiederum hat den Award eben die letzten beiden Jahre gewonnen. Es ist gut möglich, dass er auch kommende Saison der wertvollste Spieler ist - aber das war LeBron 2011 wahrscheinlich auch. Oder Jordan 1997. Oder Jordan 1993. Fakt ist, dass es beim MVP seit Larry Bird in den 80ern keinen Threepeat mehr gegeben hat. Auch bei Giannis kann sich eine gewisse Müdigkeit einstellen. Das Narrativ spielt eine Rolle.

Es ist gleichzeitig ein Fakt, dass in der modernen Ära der NBA abgesehen von Derrick Rose nie ein Drittjahresprofi MVP wurde, selbst LeBron musste sechs Jahre warten. Doncic hat aber zumindest statistisch zwei Jahre hingelegt, die es vor ihm in der modernen Ära noch nicht gegeben hat - besser auch als die ersten Jahre von Rose. Warum sollte da nicht noch mehr drin sein?

Nr. 4: James Harden bleibt mindestens bis zur Trade Deadline in Houston

Nicht in der Konversation auftauchen dürfte bis auf Weiteres der Spieler, der in den vergangenen vier Jahren mehr MVP-Stimmen erhalten hat als jeder andere, denn Harden hat seinem Team in der Offseason eher keine Gefallen getan. Die Frage ist, ob der 31-Jährige durch sein Verhalten und die singulären Trade-Forderungen nicht auch sein eigenes Blatt überreizt hat.

Dass Harden weg will, ist insofern verständlich, dass die Organisation unter Tilman Fertitta ein immer schlechteres Bild abgibt, allerdings hat Harden durch seine Forderung, Russell Westbrook für Chris Paul einzutauschen, nicht zuletzt selbst dazu beigetragen. Wie dem auch sei: Der Markt für den 2018er MVP scheint schlichtweg nicht so groß zu sein, wie er vielleicht selbst angenommen hatte.

Teilweise ist das vielleicht gewollt: Durch die Nennung insbesondere der Nets sollten andere Teams abgeschreckt werden. Andererseits hat Harden mindestens noch zwei Jahre Vertrag. Gäbe es ein Team, das sich sicher wäre, mit ihm innerhalb dieser zwei Jahre Meister werden zu können (etwa wie Toronto mit Leonard), würde es sich wohl nicht davon abschrecken lassen, dass es nicht auf einer von Shams Charania veröffentlichten "Wunschziele"-Liste steht.

Warum gibt es dieses Team (bisher) nicht? Harden gehört unbestritten zu den besten NBA-Spielern - aber er steht auch für einen bestimmten Stil, der nicht viele Kompromisse zulässt. Wer Harden jetzt holt, hofft entweder darauf, dass dieser sich an alte OKC-Zeiten erinnert und eine gewisse Anpassungsfähigkeit zeigt - oder ermöglicht Harden ein für ihn passendes Umfeld, bei dem sich alles seinem Isolations-lastigen Stil unterordnet.

Teams wie Miami, das von Harden genannt wurde, etwa sind nah dran am Titel und hätten theoretisch die Assets. Nur: Die eigens kreierte Kultur und Spielweise widerspricht der von Harden - ungeachtet dessen Verhaltens abseits des Courts - nahezu komplett. Wieviel fügt man hier also hinzu und wieviel nimmt man sich selbst durch einen solchen Trade?

Diese Kalkulation scheint derzeit nicht pro Harden auszufallen, auch nicht bei anderen Teams. Jetzt ist es vermutlich ohnehin zu spät dafür und besagte Teams dürften wie gehabt in die Saison gehen, um zu evaluieren, wo man wirklich steht. Vielleicht wird dann jemand wie Philly im Saisonverlauf nochmal aktiv, vielleicht aber eben auch nicht.

Harden ist ein überragender Spieler, vielleicht der beste Offensivspieler der Welt. So jemand kommt nahezu nie auf den Markt. Dass sich die Situation um seinen Trade-Wunsch so schwierig gestaltet, ist trotzdem kein Zufall.

Nr. 5: Nicht James Harden, sondern PJ Tucker landet in Brooklyn

Noch einmal nach Houston! Harden ist dort schließlich nicht der einzige unzufriedene Akteur, auch sein Teamkollege PJ Tucker ist frustriert ob der Situation. Speziell was seinen Vertrag angeht: Der Veteran geht in sein letztes Vertragsjahr, Wertschätzung in Form einer vorzeitigen Vertragsverlängerung wurde ihm bisher aber nicht gezeigt.

Vielleicht haben die Rockets Bedenken, dass der Forward die enorme Last der vergangenen Jahre bald einholen wird, schließlich ist er mittlerweile auch schon 35 Jahre alt. Das wäre gerechtfertigt, schließlich wissen die Rockets nicht, ob sie kurz vorm Rebuild stehen. Das könnte aber auch dazu führen, dass Tucker das Team bereits vor Harden verlässt.

Seine Vertragssituation ist nämlich überhaupt nicht kompliziert - 8 Mio. Dollar kann jedes interessierte Team matchen. Houston wird vermutlich Draft-Kompensation haben wollen, allzu hoch wird der ausgerufene Preis bei dem auslaufenden Vertrag eines Veteranen aber nicht sein. Es sei denn, interessierte Teams bieten sich gegenseitig hoch.

Bei Tucker gibt es wenige Bedenken, ob er in irgendein System reinpasst. Der Ex-Bamberger ist ein bärenstarker, vielseitiger Verteidiger, der den Dreier zumindest aus der Ecke sauber trifft, stets vollen Einsatz gibt und keine Ansprüche auf irgendwelche anderen Abschlüsse stellt. Das ist nahezu der perfekte moderne Rollenspieler.

Gerade im Osten dürften sich da einige Teams für interessieren. Boston etwa hat nun zwar Center, aber hinter den Jungstars Tatum und Brown kaum noch gestandene Flügelspieler, und eine saftige Trade Exception. Ein noch natürlicherer Fit wären die Nets.

Diese schielen zwar auf den "dritten Star", an Star-Power mangelt es jedoch nicht - eher an guten Rollenspielern, die ohne Ball in der Hand effektiv sind und verteidigen können. Ein Trade für Tucker statt Stars wäre nicht der beste Fantasy-, aber vielleicht der beste echte Basketball-Move.

Nr. 6: Die Warriors verpassen die Playoffs

Als Verlierer der Offseason standen die Dubs schon mit der Verletzung von Klay Thompson fest, auch wenn sich in der Zeit danach noch einiges verändert hat und Golden State unter anderem mit Kelly Oubre und Nr.2-Pick James Wiseman nachlegen konnte. Wahrscheinlich hat GM Bob Myers sogar das Maximum aus der Situation herausgeholt. Und trotzdem könnten auch die 2021er Playoffs wieder ohne die einstige Dynastie stattfinden.

Klar, mit Stephen Curry und Draymond Green stehen zwei künftige Hall-of-Famer zur Verfügung, gerade Curry wird sich für diese Saison nach dem Jahr Pause sehr viel vorgenommen haben. Auch um die beiden herum gibt es unwidersprochen Talent. Aber ob sich die vielen neuen Teile zu einem produktiven Gefüge zusammenfügen lassen, ist noch nicht klar.

Offensiv sollte zumindest in den Minuten von Curry stets eine gewisse Klasse gewährleistet sein. Oubre, Andrew Wiggins und auch Wiseman sind hochathletisch und potenziell Waffen im Fastbreak, weshalb Steve Kerr sicherlich versuchen wird, sein Team zum Laufen zu animieren. Gerade im Halbfeld werden sich die Dubs aber extrem von früheren Versionen unterscheiden.

Kerrs beste Teams lebten von individueller Klasse, Shooting sowie intuitivem Ball- und Player-Movement, die dafür nötige Spielintelligenz haben drei der fünf wahrscheinlichen Starter aber noch nicht unter Beweis stellen können. Eventuell entwickelt sich die Offense mehr hin zu Pick'n'Rolls mit Curry als Ballführendem, der seine Kollegen in Szene setzt, auch wenn das bisher selten Kerrs präferierter Spielzug war.

Das Problem dabei ist jedoch, dass Curry der einzige richtig gute Shooter dieses Lineups ist. Oubre und Wiggins können zwar Dreier treffen, hochprozentig haben das beide aber noch nie getan, zudem neigen sie jeweils zu schwierigen Würfen aus dem Dribbling statt Rhythmus-Würfen. Das ist eine Herausforderung ... mit dem besten Shooter der NBA-Geschichte AUF dem Court.

Und ohne ihn? Der aus Boston geholte Brad Wanamaker ist ein solider Backup, aber kein Playmaker. Das sind die anderen verfügbaren Spieler auch nicht; gerade Wiggins kann zwar zumindest für sich kreieren, ist dabei aber nicht der effizienteste Spieler. Draymond ist ein toller Passer, sein eigener Abschluss wird aber wenig bis gar nicht respektiert.

Defensiv wiederum hängt unheimlich viel davon ab, dass Green sein eigenes Niveau wieder auf 2019er Zeiten bringt, als er der wohl beste Verteidiger der Postseason war. Vergangene Saison war er meilenweit davon entfernt. Er und Curry sind gewissermaßen dafür verantwortlich, dass die neuen Spieler sich eingliedern, die Systeme lernen und eine gewisse Siegermentalität annehmen.

Das kann theoretisch alles funktionieren, wie erwähnt ist das Team keinesfalls talentlos. Im tiefen Westen können sich die Warriors allerdings speziell von Curry nahezu gar keine Pausen erlauben.

Nr. 7: Miami hat noch einen Trade vor sich

Ausnahmsweise etwas kürzer: Der Kader des Vizemeisters wirkt noch nicht ganz rund, was teilweise sicherlich der Jagd auf Giannis geschuldet war. Speziell die Position des Stretch-Vierers wurde nicht adäquat adressiert, will Miami das Kunststück der Vorsaison wiederholen oder 2021 sogar Meister werden.

Dass Jae Crowder für den Preis nicht gehalten wurde, ist verständlich, Mo Harkless ist gerade im Hinblick auf die Playoffs aber nicht die Lösung, und Andre Iguodala ist es in seinem jetzigen Alter auch nicht mehr. Höchstwahrscheinlich passiert hier noch etwas, auch die Heat könnten an Tucker interessiert sein, zumal sein Vertrag ihnen nicht die Flexibilität für die nächste Offseason nehmen würde.

Vermutlich kommt es den Heat hier entgegen, dass sie Meyers Leonard (genau deshalb) die volle Midlevel-Exception in Höhe von mehr als 9 Millionen Dollar gegeben haben. Das ist ein Gehaltsposten, mit dem sich in Trades gut arbeiten lässt.

Nr. 8: Kyle Lowry wird im Lauf der Saison getradet

... ODER er unterschreibt noch vor Saisonstart bis zum 21. Dezember eine Vertragsverlängerung, wie es in der vergangenen Saison schon gehandhabt wurde. Das ist aber zu bezweifeln, es sei denn, Giannis' Extension entwickelt sich bei den Raptors zum Dominostein.

Die Raptors haben in der Offseason allem Anschein nach eher einen Schritt zurück gemacht. Fred VanVleet wurde zwar gehalten, mit Ibaka und Gasol wurden jedoch die beiden wichtigsten Bigs verloren. Auch die Raptors schielten schon länger auf Antetokounmpo, den Masai Ujiri schon an dessen Draft-Abend unbedingt holen wollte.

Lowry geht deshalb (Stand jetzt) als 34-Jähriger mit einem auslaufenden Vertrag in die Saison. Sollten sich die Kanadier außerhalb von Kanada (also in Tampa Bay) in die falsche Richtung entwickeln, könnte sein Name gut in Trade-Gesprächen auftauchen, auch wenn seine 30 Millionen Dollar Gehalt nicht allzu leicht zu matchen sind.

Praktischerweise ist Lowry nämlich genau der Spielertyp, der mindestens drei Contendern noch fehlt beziehungsweise gut zu Gesicht stehen würde: Die Clippers, Bucks und Sixers könnten allesamt noch sehr gut einen bewiesenen, defensivstarken Pick'n'Roll-Playmaker brauchen, der in den Playoffs wichtige Würfe treffen kann.

Lowry ist (immer noch) gut genug, dass er bei all diesen Teams theoretisch das Titel-Rennen mitentscheiden könnte. Natürlich müssten sie einiges abgeben, um den wichtigsten Spieler in der Geschichte der Raptors-Franchise loszueisen, und gerade die Clippers und Bucks haben einen Großteil ihrer Chips schon abgegeben.

Ein auslaufender Vertrag wirkt sich andererseits nicht positiv auf den Trade-Wert aus. Das wahrscheinlichste Szenario bleibt, dass die Raptors unter Nick Nurse ein gutes Team bleiben und Lowry als Elder Statesman halten werden, doch es kann auch in eine andere Richtung gehen. Dass Ujiri gewisse Risiken nicht scheut (und auch Lowry schon mal fast getradet hätte), gehört schließlich auch zur Wahrheit.

Nr. 9: Curry legt in Philly mindestens 15 Punkte pro Spiel auf

Andere Spieler und Transaktionen wurden im Lauf der Offseason weitaus mehr diskutiert als der Trade, der Josh Richardson nach Dallas und Seth Curry nach Philadelphia brachte. Vielleicht auch deshalb, weil der Deal aus Sicht beider Teams nah am Volltreffer war und es wenig zu kritisieren gab - es gibt sie noch, die Win-Win-Trades.

Richardson ist im Vakuum aufgrund seiner Defensivstärke der bessere, weil komplettere Spieler. Curry allerdings ist der perfekte Fit für Philadelphia, das sich unter Daryl Morey innerhalb weniger Wochen zu einem viel runderen Basketball-Team entwickelt hat. Die Sixers sind nach wie vor nicht ohne Schwächen, ein weiterer Playmaker würde dem Team immer noch gut zu Gesicht stehen, aber es passt besser zusammen als 19/20.

Viel hat dabei mit dem Thema Shooting zu tun - und damit vor allem mit Curry. Über seine Karriere trifft der jüngere Bruder von Steph 44 Prozent seiner Dreier, einen so tödlichen Schützen hatten die Sixers seit J.J. Redick nicht mehr. Nur wenige Spieler sind so gut darin, die durch Stars entstehenden Freiräume durch kluge Bewegungen für die eigenen Zwecke zu nutzen.

Spieler wie ihn braucht es neben Spielertypen wie Joel Embiid und Ben Simmons, die beide am liebsten (oder nur) in Korbnähe agieren. Entsprechend verwirrend war es, dass Philly solche Spieler in den vergangenen Jahren nicht priorisierte - Morey hat das nun korrigiert, auch mit Spielern wie Danny Green oder Rookie Tyrese Maxey.

Curry ist klar der beste Shooter aus der Gruppe. Es wird spannend zu sehen, ob Doc Rivers ihn ähnlich wie Redick früher mit Embiid "koppelt"; Rivers ist seit Jahren bekannt dafür, viele Plays für seine Shooter laufen zu lassen, auch wenn diese nicht die Stars sind. Curry passt da perfekt hinein, und Philly kann sein größtes Defizit (die schwache Defensive) personell locker kaschieren.

Es wäre keine Überraschung, wenn Curry sein bisheriges Career High von 12,8 Punkten pro Spiel in der neuen Situation deutlich überbietet. Auch der deutlich ältere Redick legte in seinen beiden Philly-Saisons jeweils Karrierebestwerte auf.

Nr. 10: Die Los Angeles Lakers werden erneut Meister

Man kann bei der Bewertung der Lakers-Offseason aus verschiedenen Richtungen kommen. Positiv ist, dass sie ein in der vergangenen Saison offensiv sehr von LeBron abhängiges Team variabler gestaltet haben, dass sie vor allem in Dennis Schröder und Montrezl Harrell Scorer dazubekommen haben, die LeBron während der Regular Season mehr Entlastung geben können.

Negativ beziehungsweise fraglich ist, wie viel insbesondere Harrell dann in den Playoffs noch beitragen wird - und ob die offensiven Verbesserungen den Abfall in der Defensive übertrumpfen werden. Danny Green und auch Dwight Howard waren hier essenziell für ein Team, das sich vom Start weg vergangene Saison über die Defense definierte. Dieser Fokus, diese Geschlossenheit werden mit den neuen Spielern mindestens auf die Probe gestellt, auch wenn mit Marc Gasol natürlich noch ein bärenstarker Verteidiger verpflichtet wurde.

Die Wette auf die Lakers ist trotzdem relativ simpel: In einer Saison mit etlichen unvorhersehbaren Variablen spricht das für Los Angeles, was auch 2020 für sie sprach: Sie haben das beste Duo und den besten Spieler, so lange LeBron sein Niveau halten kann. Kein Team hat sich (bisher) so entscheidend verbessert, dass diese Aussicht nicht immer noch als Top-Argument gelten darf.

Vom heutigen Tag bis zum Start der Postseason allerdings ziehen natürlich auch noch einige Monate ins Land. Die Lakers sind nicht zwingend so unschlagbar, wie sie in den Bubble-Playoffs zeitweise aussahen, und einige Herausforderer haben potenziell noch Asse im Ärmel.

Es kann losgehen!