NBA-Kolumne Above the Break: Wie Giannis Antetokounmpo die Boston Celtics in Spiel 1 auseinanderschraubte

Ole Frerks
03. Mai 202209:31
Giannis Antetokounmpo nahm sein Team in Spiel 1 der Serie gegen die Boston Celtics auf seine Schultern.getty
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Giannis Antetokounmpo und die Milwaukee Bucks haben in Spiel 1 der Serie gegen die Boston Celtics ein Ausrufezeichen gesetzt. Kann der Champion die beste Defense der NBA auch ohne seinen zweitbesten Scorer aus dem Weg räumen?

9 von 25 aus dem Feld klingt nüchtern betrachtet nicht nach einem sonderlich guten Spiel, gerade für jemanden, der seit Jahren beständig über 50 Prozent seiner Würfe im Korb unterbringt. Das ist selbst dann noch der Fall, wenn wir es auf 9/24 nach unten korrigieren, schließlich war einer dieser offiziellen Fehlwürfe in Wirklichkeit ein Pass, zu sich selbst, über das Brett, logischerweise.

Es gibt keine Bezeichnung für so ein Play, deswegen ist es offiziell eine Fehlwurf/Offensiv-Rebound/Treffer-Kombination und inoffiziell eben ein "T-Mac" oder ein "Wie zum Teufel hat der das jetzt gemacht, war das Absicht?!". Sei's drum: Die Quote war nicht gut, darauf können wir uns einigen.

Auch die 14 Punkte in der Zone waren eher mäßig, bedenkt man, dass Giannis gegen die Bulls drei Spiele mit 20+ davon hatte. Die Celtics hatten einen soliden defensiven Game-Plan, beackerten ihn fast immer mit zwei, oft mit drei Verteidigern und halfen gut aus, insbesondere in Person von Robert Williams, der etliche Abschlüsse am Ring erschwerte, oder auch mit Marcus Smart.

Giannis traf 6/14 in der Zone und hatte nur 4 Fastbreak-Punkte, das sind zwei Faktoren, bei denen sich Boston nach Spiel 1 auf die Schulter klopfen darf, sind es doch beständige Punktelieferanten für Giannis. Kurzum: Es war kein Spiel für "nur rennen, springen und dunken", was frei nach James Harden bekanntlich Giannis' primäre Qualitäten sind.

Es war stattdessen ein Spiel für den besten Spieler der Welt, das in dieser Form vermutlich nur einer so hätte dominieren können, an beiden Enden des Courts. Denn, nur damit das klar ist: Es war eine beeindruckend dominante Vorstellung von Giannis Antetokounmpo. Eine Vorstellung, die den zuletzt so heißen Celtics durchaus Angst machen durfte.

Giannis Antetokounmpo: Die Lösung lautet ...

Giannis brachte die gefürchtete Defense der Celtics gleich in Spiel 1 in ein Dilemma und demonstrierte dabei die Entwicklung, die er über die vergangenen Jahre hingelegt hat. Es ist nicht so lange her, dass eine Mauer, wie Boston sie aufbaute, ihn aus dem Konzept gebracht hätte. Mittlerweile kann er das Spiel jedoch viel besser lesen und andere Lösungen finden, er muss nicht mit dem Kopf durch die Wand.

In Spiel 1 hieß die Lösung oft: Playmaking! Immer wieder traf Giannis gegen die Double- oder Triple-Teams der Celtics gute Entscheidungen, nutzte die extreme Aufmerksamkeit aus und zeigte eines der wohl besten Passing Games seiner Karriere (überhaupt hat er sich in dieser Saison hier massiv weiterentwickelt!).

Gerade in Transition war es überragend, wie er immer wieder die Schützen fand und dabei konsequent ausnutzte, dass Boston aus Angst vor Giannis' Scoring erst einmal versuchte, den Ring zu beschützen.

Die Bucks schicken in Transition aus gutem Grund immer zwei Schützen in die Ecken.nba.com/stats

Auch im Halbfeld bewahrte er überwiegend die Ruhe - er hatte fünf Ballverluste, das ist bei der hohen Usage indes nicht so schlimm - und erzwang kaum mal einen Abschluss, sondern fand auch aus der Not heraus noch den offenen Teamkollegen, wie in diesem Beispiel den bestens aufgelegten Jrue Holiday.

Gut, wenn man nicht stehen bleibt, Jrue!nba.com/stats

Giannis vs. Boston: Pick your Poison ...

Milwaukee schickte Giannis mehrfach in den Post und positionierte nur den besten Schützen (oft Grayson Allen) auf seiner Seite, sodass das Aushelfen zur ultimativen Pick-your-Poison-Situation wurde. Aushelfen und den freien Dreier riskieren? Oder beim Mann bleiben und Giannis in Isolation arbeiten lassen? Beides keine guten Optionen. Zumal Antetokounmpo eben fast immer realisierte, was die Defense ihm gab.

Es waren auch nicht bloß die Assists, Giannis spielte etliche Male den Pass vor dem Pass, der die Celtics erst in Rotation brachte. Milwaukee bewegte den Ball danach schnell und fand oft die offene Option, die Bucks wirkten darauf vorbereitet, wie viel Aufmerksamkeit Antetokounmpo von der gegnerischen Defense zuteil wurde.

Es ist ja auch logisch: Man kann Giannis nur als Team verteidigen. Blieb es an einem Spieler hängen, wie hier am aufopferungsvoll kämpfenden Al Horford, macht eben zumeist Giannis 2 Punkte oder geht an die Linie. Da lieber einen offenen Allen-Dreier, oder? Willkommen in der Welt jedes Coaches, der eine Serie gegen diesen Freak gewinnen möchte.

Horford macht es gut, aber ohne Foul geht's so trotzdem kaum ...nba.com/stats

Bucks: Offense mit viel Luft nach oben

In der ersten Hälfte ging der Plan der Bucks auch deshalb auf, weil die Schützen die Hälfte ihrer Dreier trafen (10/20). Das war in der zweiten Hälfte überhaupt nicht mehr der Fall (2/14), die Offense wurde dadurch zunehmend von den beiden Stars abhängig, dennoch wirkte es nie, als würde es gleich brenzlig werden.

Zum einen lag das an den Big Plays von Holiday und Giannis. Der Point Guard war im Prinzip er selbst und Khris Middleton in Personalunion, verteidigte sensationell und versenkte vorne wieder und wieder seine Würfe, gerade aus der Mitteldistanz. Antetokounmpo versenkte seinerseits zwei Midrange-Jumper, mehr Schaden richtete er aber in Korbnähe an.

Sein vorletzter Treffer war der besagte "T-Mac", der letzte war ebenfalls einer, bei dem er ein Stück weit schneller dachte als seine Gegenspieler und seinen Willen durchsetzte, ein Putback-Dunk. Dazu war er unheimlich aktiv als Screener und beschäftigte die Celtics-Defense auch dann, wenn er selbst nicht den Abschluss suchte.

Es war nicht überragend (4/12 FG in Halbzeit zwei), aber es reichte - denn zum anderen war Giannis auf der Gegenseite natürlich auch entscheidend mit daran beteiligt, dass die Celtics nie wirklich einen offensiven Rhythmus fanden. Der wahre Star der Bucks in diesem Spiel war die Defense, und ihr bester Spieler war auch dabei mittendrin.

Mickrige zehn Zweier versenkten die Celtics in dieser Partie - die zweitwenigsten in den Playoffs seit Einführung der Shotclock, nur James Hardens Rockets haben das 2017 einmal unterboten. Das ist nicht die Gesellschaft, in der Boston sich aufhalten will, den Bucks wiederum dürfte die gegnerische 10/34-Ausbeute (!) aus dem Zweipunktbereich bestens gefallen haben.

Milwaukee verrammelt den Korb besser als jedes andere Team, das ist über die vergangenen Jahre zur Norm geworden, so effektiv wie in diesem Spiel gelang dies aber selten. Giannis und Brook Lopez blockten gemeinsam fünf Würfe, bei unzähligen weiteren Abschlüssen schüchterten sie die Celtics ein oder brachten sie dazu, doch nochmal einen Pass zu spielen oder abzustoppen.

Giannis: Mehrere Rollen in der Defensive

Giannis füllte dabei wie so oft mehrere Rollen aus. Er war oft der Weakside-Roamer, wenn er neben Lopez auf dem Court stand, und rauschte für den letzten Contest heran (das hier war ein Goaltending, aber wer gewinnt, hat Recht!). Es hat seine Gründe, dass Bucks-Gegner in der Saison um fast 17 Prozentpunkte schlechter trafen, wenn Giannis in Korbnähe ihr nächster Verteidiger war.

Das nennt man wohl einen nba.com/stats

Er war auch selbst oft in der Drop Coverage, wenn Lopez auf der Bank saß, und flößte Bostons Schützen auch in dieser Rolle genug Respekt ein, da ein Closeout dieses riesigen und pfeilschnellen Über-Athleten eben doch nicht so viel Platz bietet, wie man denken könnte. Tatum muss diesen Wurf mit mehr Konsequenz nehmen und kann ihn treffen - ein leichter Wurf ist es dennoch nicht.

Boston Celtics: Wie sieht der Konter aus?

Die Eins-gegen-Eins-Defense gegen Bostons Perimeter-Stars wurde überwiegend von Holiday oder auch dem sehr guten Wes Matthews geschultert, die sich immer wieder durch Screens kämpften und insbesondere Tatum für alles hart arbeiten ließen. Ihre Aggressivität war indes auch nur deshalb möglich, weil eben durch Giannis und Lopez eine so elitäre Absicherung da war.

Die Celtics wirkten teilweise regelrecht geschockt, nach der unorganisierten Nets-Defense auf ein so gut vorbereitetes und aggressives Team zu treffen. Sie schafften es viel zu selten, die Bucks in Rotation zu bringen oder ihre weniger guten Verteidiger zu attackieren, sie leisteten sich unnötige Ballverluste, sie spielten einerseits überhastet und andererseits zögerlich.

Dass es anders geht, zeigten Aktionen wie diese. Es ist allerdings auch bezeichnend, dass Double Drag Screens noch vor der Mittellinie nötig sind, um sie zu initiieren, und dass es schon nötig war, dass Giannis wenigstens einmal einen Moment zu spät aushalf. Der Aufwand ist enorm, und tatsächlich war ansonsten fast jeder Celtics-Zweier in Spiel 1 ein Putback. Es war defensiv schlichtweg ein unglaublich starkes Spiel der Bucks.

Das war der einzige Nicht-Tip-In vom Time Lord in dieser Partie.nba.com/stats

Die Bucks-Titelverteidigung lebt

Es wird spannend zu sehen, wie Coach Ime Udoka reagiert und wie die Celtics versuchen werden, insbesondere die Drop Coverage konsequenter zu attackieren. Es wird Spiele geben, in denen sie mehr als 18/50 Dreiern treffen, aber sie dürfen sich nicht zu sehr davon abhängig machen. Es muss Möglichkeiten geben, mehr Schaden in Korbnähe anzurichten, Giannis vielleicht mehr vom Korb wegzuziehen, die Bucks-Defense generell vor ähnlich schwere Entscheidungen zu stellen, wie es auf der Gegenseite passiert.

Verloren ist für Boston natürlich noch nichts, für den Moment hat Milwaukee einfach einen sehr guten ersten Punch gelandet - und nach einer Serie, in der die Celtics ihrem Gegner körperlich klar überlegen wirkten, war von diesem Vorteil in Spiel 1 überhaupt nichts zu sehen.

Will man das auf einen Faktor herunterbrechen, dann natürlich auf Giannis. Der Greek Freak ist der eine Spieler, der physisch in der NBA jedem überlegen ist ... der ein Spiel mittlerweile aber längst nicht mehr nur dadurch dominieren kann. Der Hauptgrund, warum die Titelverteidigung der Bucks auch (vorerst) ohne Middleton am Leben bleibt.

Der aktuell beste Spieler der Welt. Der, und das ist das vielleicht größte Problem für Boston, natürlich auch noch besser spielen kann.

Celtics vs. Bucks: Die Serie im Überblick

SpielDatumUhrzeitHeimAuswärtsErgebnis
11. Mai19 UhrBoston CelticsMilwaukee Bucks89:101
24. Mai1 UhrBoston CelticsMilwaukee Bucks-
37. Mai21.30 UhrMilwaukee BucksBoston Celtics-
410. Mai1.30 UhrMilwaukee BucksBoston Celtics-
5*12. MaiTBDBoston CelticsMilwaukee Bucks-
6*14. MaiTBDMilwaukee BucksBoston Celtics-
7*16. MaiTBDBoston CelticsMilwaukee Bucks-