Nach einer Flut von Absagen schied Team USA bei der Weltmeisterschaft bereits im Viertelfinale aus und verpasste damit erstmals seit 2002 die Medaillenränge. Damals hatte sich der US-Kader im eigenen Land unsterblich gemacht - nur leider aus den falschen Gründen.
Es gibt so einige Parallelen zwischen diesem US-Kader und jenem aus dem Jahre 2002. Beide Teams litten darunter, dass zahlreiche Superstars ihre WM-Teilnahme absagten, beide beendeten eine Siegesserie von 58 Spielen. Damals wie heute endete ihre WM-Reise bereits im Viertelfinale - ohne Medaillen, dafür mit dem Spott der Öffentlichkeit.
Nach Niederlagen gegen Argentinien, Jugoslawien und Spanien belegte Team USA bei der Weltmeisterschaft 2002 einen desolaten sechsten Platz. Die US-Amerikaner hatten erstmals seit der Gründung des Dream Teams ein Pflichtspiel verloren, in dem NBA-Profis auf dem Parkett standen. Sie haben damit "Geschichte geschrieben", wie Ben Wallace es ausdrückte.
"Es war nicht die Art von Geschichte, die wir schreiben wollten, aber wir haben definitiv Geschichte geschrieben", so der spätere NBA-Champion. Doch wie kam es dazu, dass sich diese Mannschaft unsterblich machte?
Paul Pierce: Die Shaqs und Kobes fehlen
Obwohl die WM 2002 erstmals im Mutterland des Basketballs ausgetragen wurde, entschieden sich viele Superstars dazu, lieber die Sonnenstrahlen des Spätsommers zu genießen, als sich an Teams wie Jugoslawien aufzureiben. Shaquille O'Neal und Kobe Bryant ernteten noch die Früchte ihrer dritten Meisterschaft in Folge, Ray Allen und Jason Kidd mussten verletzt zurückziehen - von Kevin Garnett oder Tim Duncan keine Spur.
Eine NBA, die nach den glorreichen 90er Jahren in ein kleines Talent-Loch gefallen war, konnte diese Ausfälle nicht angemessen ausgleichen. So begab sich ein Kader zur WM, in dem lediglich drei Spieler zu diesem Zeitpunkt ein All-NBA Third Team erreicht hatten - Paul Pierce, Jermaine O'Neal und Reggie Miller. Der Pacers-Star hatte mit 38 Jahren seine besten Zeiten längst hinter sich gelassen und war wohl nur dabei, weil das Turnier in seiner Wahlheimat Indianapolis stattfand.
Natürlich handelte es sich nicht um eine absolute Gurkentruppe - Spieler wie Elton Brand, Baron Davis, Shawn Marion und Wallace sollten noch sehr erfolgreiche Jahre in der NBA verbringen - doch es reiste eben auch nicht die Creme de la Creme an.
"All die anderen Länder bringen ihre besten Spieler. Wir brachten ein Team mit einigen unserer besten, aber nicht denjenigen, die alle sehen wollten: die Shaqs, die Kobes", resümierte Paul Pierce nach drei Niederlagen gegen Argentinien, Jugoslawien und Spanien.
Der US-Kader bei der WM 2002
Nummer | Name | Position | Team | All-NBA-Teams |
4 | Michael Finley | G | Dallas Mavericks | |
5 | Baron Davis | G | New Orleans Hornets | 3rd Team (2004) |
6 | Andre Miller | G | Los Angeles Clippers | |
7 | Jermaine O'Neal | C | Indiana Pacers | 2nd Team (2004), 2x 3rd Team (2002, 2003) |
8 | Antonio Davis | C | Toronto Raptors | |
9 | Paul Pierce | F | Boston Celtics | 2nd Team (2009), 3x 3rd Team (2002, 2003, 2008) |
10 | Reggie Miller | G | Indiana Pacers | 3x 3rd Team (1995, 1996, 1998) |
11 | Shawn Marion | F | Phoenix Suns | 2x 3rd Team (2005, 2006) |
12 | Jason Williams | G | Chicago Bulls | |
13 | Ben Wallace | F | Detroit Pistons | 3x 2nd Team (2003, 2004, 2006) 2x 3rd Team (2002, 2005) |
14 | Elton Brand | PF | Los Angeles Clippers | 2nd Team (2006) |
15 | Raef LaFrenz | F | Dallas Mavericks |
Die Konkurrenz war "besser als gedacht"
Aber warum war die Dringlichkeit der US-Amerikaner so gering? Vermutlich, weil die meisten ihre internationale Konkurrenz nicht ganz ernstnahmen. So schrieb ESPN nach der Viertelfinalniederlage gegen Jugoslawien bezeichnend: "Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, war es auch noch ein Nicht-NBA-Spieler, der Team USA den letzten Dolchstoß versetzte". Die Rede war von Milan Gurovic, ein zukünftiger MVP in Jugoslawien und Serbien.
Zwar hatten sich einzelne Spieler wie Drazen Petrovic, Toni Kukoc, Detlef Schrempf oder ein gewisser Dirk Nowitzki in Nordamerika bereits einen Namen gemacht, doch sollte es noch ein paar Jahre dauern, bis der internationale Basketball so richtig im Bewusstsein der Amerikaner ankommen würde. "Sie waren einfach viel besser, als wir gedacht haben", gab Baron Davis nach der Niederlage gegen Argentinien zu.
Und wenn ein kleiner Hauch von Überheblichkeit in den Aussagen der Amerikaner mitschwang, konnte man es ihnen kaum verübeln - schließlich hatte Team USA seit der Gründung des legendären Dream Teams 1992 kein Pflichtspiel mehr verloren, in dem NBA-Profis angetreten waren. Bei dieser Weltmeisterschaft rächte sich diese Einstellung aber.
Isolations-Basketball als Offensivstrategie
Kurz nach der Jahrtausendwende wurde die NBA noch von Isolations-Basketball dominiert: Gib deinem besten Spieler den Ball und lass ihn einfach machen. Über Jahre war dies ein probates Mittel, da eine Zonenverteidigung in der NBA bis 2001 per Reglement nicht erlaubt war - jeder Verteidiger musste sich einem Offensivspieler zuordnen.
Wenn Michael Jordan also beispielsweise auf dem Flügel den Ball bekam, konnte sich sein gesamtes Team auf der anderen Seite positionieren, sodass nur ein Gegenspieler zwischen ihm und dem Korb stand. Spieler wie Jordan waren im Eins-gegen-Eins nicht zu stoppen, also reichte diese "Strategie" als Kern einer funktionierenden Offense.
Warum das wichtig ist? Im internationalen Basketball gab es diese Regel nicht - und in der Folge war Isolations-Basketball außerhalb der NBA weitaus weniger verbreitet. Argentinien, Jugoslawien, Spanien und Co. versuchten offensiv durch Ballbewegung, Blöcke oder Freilaufen die gegnerische Defensive durcheinander zu bringen und sich so einfache Körbe zu erspielen - für die NBA-Stars eine ungewohnte Situation.
Manu Ginobili: "Sie waren verwirrt"
"Sie sind das Verteidigen als Mannschaft nicht gewohnt", sagte Manu Ginobili, nachdem die Argentinier Team USA sensationell geschlagen hatten: "Wenn wir den Pass vom kleinen zum großen Spieler gespielt haben, wussten sie nicht, was zu tun war, ob sie die Zuordnung wechseln sollten oder nicht. Ich glaube, sie waren verwirrt von all den Blöcken und der vielen Bewegung."
Und was ihnen defensiv zum Verhängnis wurde, half auch auf der anderen Seite des Courts nicht weiter. "Wir haben zu viel Eins gegen Eins gespielt", fasste Reggie Miller die Gründe für das Ausscheiden zusammen - gepaart mit vergleichsweise wenig Potenz von außen und einer desolaten Freiwurfquote (62,8 Prozent über das gesamte Turnier) kein sehr erfolgsversprechendes Rezept.
Neues Team USA - Alte Probleme
Seitdem der Kader von 2002 im eigenen Land "Geschichte schrieb", hat sich in der NBA-Landschaft einiges getan. Ein Jahr nach der WM brachte Mike D'Antoni aus seiner Zeit in Italien die Seven-Seconds-or-Less-Offense mit nach Phoenix und revolutionierte damit die Liga.
Das Spiel ist schneller geworden, Franchises wie die San Antonio Spurs oder Golden State Warriors begeisterten mit uneigennützigen Offensiven. Durch Regeländerungen lernten die Teams sogar, in der Defensive als Kollektiv zu arbeiten.
Ginobili machte den Euro-Step salonfähig und entwickelte sich bei den Spurs zur Kultfigur. Nowitzki wurde zum ersten europäischen MVP, jüngst folgte Giannis Antetokounmpo in seinen Fußstapfen. Seit 2001 hat sich die Zahl der NBA-Legionäre verdreifacht (2001: 37 Spieler; 2018: 108) - der internationale Basketball ist mittlerweile also keine große Unbekannte mehr, er ist fest in der NBA verankert.
Team USA: Geschichte wiederholt sich
Dennoch hat sich siebzehn Jahre später die Geschichte fast identisch wiederholt. Eine Flut von Absagen, das Ende eines 58-Spiele-Laufs, das Ausscheiden im Viertelfinale, die verpasste Medaille, die Häme der Öffentlichkeit. Die diesjährige WM wirkt wie ein uninspiriertes Hollywood-Remake der 2002er-Vorlage.
Und damals wie heute bleibt die Erklärung die gleiche - zumindest für Paul Pierce. "Folgendes ist passiert", sagt er bei ESPNs The Jump. "Die Superstars sind abgesprungen. Und die Welt holt uns ein."
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