NBA Finals - Erbitterte Rivalen, im Geist vereint: Wie Rajon Rondo und LeBron James zueinander fanden

Philipp Jakob
06. Oktober 202016:00
Rajon Rondo (l.) und LeBron James lieferten sich in der Vergangenheit schon einige heiße Playoff-Schlachten.getty
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Vor gut einer Dekade lieferten sich Rajon Rondo und LeBron James heiße Playoff-Schlachten als verhasste Rivalen. Heute kämpfen sie gemeinsam für die Los Angeles Lakers um die Championship (Spiel 4 der Serie: Mittwoch um 3 Uhr auf DAZN). In der Zwischenzeit hat sich vor allem in der Karriere des Point Guards eine Menge getan.

Oktober 2012, eine Bar irgendwo in New Hampshire. Es stehen Kartons voller Merchandise in jeder Ecke, in der Mitte des Raumes ist ein Tisch aufgestellt, weiße Tischdecke, mindestens ein Dutzend Eddings, ein paar weiße Zettel, um die Stifte zu testen. Und mittendrin: Rajon Rondo.

Glaubt man den Erzählungen, dürfte dem damaligen Celtics-Guard ein Lächeln übers Gesicht gehuscht sein, als ihm beim Meet-and-Greet mit anschließender Autogrammstunde das T-Shirt von Twitter-Nutzerin "MsSamanthaMay" ins Auge springt.

Wie diese sich einige Jahre später erinnerte, war sie die einzige, die damals ein Foto mit Rondo machen durfte, wohl vor allem, weil ihr Shirt zu gefallen wusste. "Halte es straff, damit man den Schriftzug besser sieht", soll Rondo zu ihr gesagt haben, bevor beide für einen Schnappschuss in die Kamera lächelten.

Der Zeigefinger von Rondos riesiger linker Pranke zeigte auf den Schriftzug, als wolle er die Bedeutung der Botschaft nochmals unterstreichen. "LeBron is a bitch", stand dort in weißen Lettern auf Celtics-grünem Hintergrund. Die Übersetzung sparen wir uns an dieser Stelle.

Celtics vs. LeBron James: Der Beginn der Rivalität

Ziemlich genau acht Jahre ist das Foto mittlerweile alt, es wirkt allerdings, als stamme es aus einer anderen Epoche. Heute kämpft ebendieser Rondo mit ebenjenem LeBron Seite an Seite um die Championship. In einem Lakers-Trikot. Vor gut einer Dekade beides undenkbar.

Inmitten LeBrons Aufstieg zum Superstar bildete sich im Sommer 2007 in Boston ein Gegner, der sich zum größten Rivalen des Kings in den folgenden fünf Jahren entwickeln sollte. Mit den Trades für Kevin Garnett und Ray Allen legten die Celtics in jener Offseason den Grundstein für ihre Big Three, die sich einige legendäre Playoff-Schlachten mit LBJ lieferte.

Alles begann in den Eastern Conference Finals 2008, als James den Makel einer 0-4-Pleite in den Vorjahres-Finals gegen die Spurs bereinigen wollte. Doch es waren die Celtics mit dem erst 21 Jahre alten Rondo in seinem zweiten Jahr in der NBA, die ihm einen Strich durch die Rechnung machten.

Über sieben Spiele rang Boston LeBron und Co. nieder, auch dessen 45 Punkte im Entscheidungsspiel reichten nicht. Paul Pierce, der schon Jahre zuvor gewisse Animositäten gegenüber LBJ entwickelt hatte, hielt mit 41 Zählern dagegen. Wenige Wochen später holten sich die Kobolde die Championship - gegen die Lakers.

Celtics vs. Heat: Dreckiges Play von Wade gegen Rondo?

Zwei Jahre später kam es zum neuerlichen Duell zwischen den Cavs und Celtics in den Playoffs, erneut endete die Angelegenheit für LeBron äußerst bitter, dieses Mal bereits in Runde zwei und nach sechs Partien. In Spiel 5 schossen die Celtics Cleveland in deren Halle mit 32 Punkten Differenz ab, LeBron legte nur 15 Punkte bei 3/14 aus dem Feld auf und kassierte ein Pfeifkonzert von den eigenen Fans. Rondo auf der anderen Seite hatte die Big Three der Celtics mit spektakulären Playoff-Auftritten mittlerweile zu einer Big Four erweitert.

Es passte irgendwie, dass es die Celtics waren, die mit dieser Playoff-Serie das unrühmliche (vorläufige) Ende von LeBrons Karriere im Cavs-Trikot besiegelten. Im Sommer 2010 gründete James seine eigene Big Three am South Beach, die Rivalität mit Boston blieb. "Du willst nicht immer vom gleichen Team geschlagen werden", sagte der emotionale James, nachdem ihm in den Playoffs 2011 endlich die Revanche gegen Boston geglückt war.

Die Celtics allerdings machten auch eine Ellbogenverletzung von Rondo für das Aus verantwortlich, die aus einem vermeintlich dreckigen Play von Dwyane Wade - mit dem Heat-Star eckte Rondo Jahre später auch in gemeinsamen Bulls-Tagen an - resultierte. Rondo war nach der Verletzung in Spiel 3 nicht mehr derselbe, Miami machte in fünf Spielen den Sack zu.

Rajon Rondo (l.) und LeBron James lieferten sich in der Vergangenheit schon einige heiße Playoff-Schlachten.getty

Rajon Rondo: Der überragende Mann der Playoffs 2012

Wiederum ein Jahr später kam es in den Conference Finals zur Neuauflage des Duells, mittlerweile hatte Rondo neben den alternden Pierce, Garnett und Allen die Führungsrolle übernommen.

Er war nicht mehr nur der Point Guard, der seine Mitspieler mit seinem hervorragenden Passing und seiner Übersicht in Szene setzte, Rondo suchte vermehrt den eigenen Abschluss und schwang sich teilweise zum überragenden Mann der Postseason auf. In Spiel 2 gegen die Heat legte der damals 25-Jährige 44 Punkte, 10 Assists und 8 Rebounds in einer Niederlage auf.

Boston gewann allerdings nach einem 0-2-Rückstand die nächsten drei Partien, gefolgt von LeBrons Meisterstück mit 45 Zählern in Spiel 6. In der finalen Partie der Serie legte Rondo zwar ein Triple-Double auf, doch LeBron war ein weiteres Mal zu stark. Kurz darauf holte er sich seinen ersten Titel.

LeBron James vs. Rondo - und verbitterte Celtics

Die Celtics blicken teilweise heute noch mit Verbitterung auf diese Serie zurück. "Die Liga wusste, dass sie eine Agenda hatte und wir waren kein Teil davon. So haben sie die Serie gewonnen. Er ist nicht nach Miami gegangen, damit es so endet wie in Cleveland, versteht ihr?", sagte Garnett im Dezember 2019 im Podcast mit Bill Simmons von The Ringer.

"Wir hatten keine Angst vor LeBron und wir haben nicht geglaubt, dass er uns schlagen kann", so KG weiter. "Er hat sich [mit den Heat] zusammengetan, weil er den Druck nicht spüren wollte." Wie schon einige Jahre zuvor hätten die Celtics es auch 2012 geschafft, in LeBrons Kopf zu kommen. "Wir haben ihn gebrochen", war sich Garnett sicher. Zumindest nach Spiel 5 und der 3-2-Führung.

Zu diesem Zeitpunkt war die Abneigung der Spieler untereinander bereits ausgeprägt. "Wenn du D-Wade, LeBron und Chris Bosh in der einen Ecke hattest, dann waren ich, Tony Allen, Paul Pierce und Rajon Rondo in der anderen. [...] Bei den All-Star Spielen waren sie in ihrer und wir in unserer Ecke", erinnerte sich KG.

Der verschworene Haufen der Celtics bekam allerdings Risse, als Allen im Sommer 2012 Boston verließ und sich ausgerechnet den Heat und LeBron anschloss. Diese Entscheidung nahmen Garnett, Pierce und auch Rondo dem Edelschützen übel. Bis heute sind die Wogen nicht komplett geglättet.

Rajon Rondo: Es drohte der Abstieg

Und das, obwohl sich Rondo mittlerweile selbst dem großen Rivalen aus Celtics-Tagen angeschlossen hat. Allerdings flachte der Einfluss der Celtics und der Einfluss von Rondo auf LeBrons Playoff-Resultate nach 2012 quasi komplett ab, die Rivalität zum Erliegen.

Boston schaffte es mit Pierce, Garnett und Rondo nur noch einmal in die Postseason, 2013 war allerdings in der ersten Runde gegen die Knicks Schluss. Anschließend folgte der Blockbuster-Trade, mit dem Boston die beiden Alt-Stars nach Brooklyn verschiffte und den Rebuild einleitete. Auch Rondos Karriere im Celtics-Grün war bald vorbei.

Aufgrund eines Kreuzbandrisses verpasste er große Teile der 2012/13er und 13/14er Saisons, im Dezember der folgenden Spielzeit tradete Boston den Point Guard zu den Mavs. In Dallas nahm Rondos Karriere die falsche Wendung.

Schon zu Celtics-Zeiten galt er nicht immer als einfacher Charakter, der mit Coaches oder Teamkollegen aneckte und bei den Fans teils als Spieler verschrien war, der nur bemüht war, seine eigenen Assist-Statistiken zu schönen. In Dallas geriet er mit Head Coach Rick Carlisle aneinander, anschließend folgte ein unglückliches Jahr in Sacramento und auf einmal hatte sein Agent Schwierigkeiten, Rondo überhaupt einen Job zu verschaffen.

Rajon Rondo bei den Dallas Mavericks - das klappte nicht wie von den Texanern erhofft.getty

Playoff-Rondo einer der Schlüsselspieler der Lakers

Der Point Guard kam bei den Bulls unter, über die Zwischenstation bei den Pels landete er schließlich in Hollywood. Sowohl in Chicago als auch in New Orleans unterfütterte er den Mythos "Playoff-Rondo", als er jeweils in der Postseason zu Höchstleistungen aufdrehte. Schon zu Boston-Zeiten war der Spitzname zu hören, da Rondo seine besten Partien ablieferte, wenn die Bühne am größten war - und sonst des Öfteren auch mal Fünfe gerade sein ließ.

Gleiches ist nun auch im Trikot der Lakers der Fall. Nach einer durchwachsenen Regular Season verpasste Rondo den Restart-Beginn mit einem gebrochenen Daumen. Als er in der Zweitrundenserie gegen die Rockets aufs Parkett zurückkehrte, wollten ihn manche Lakers-Fans direkt wieder aus der Bubble vertreiben. Dann jedoch war vor allem in Spiel 3 Playoff-Rondo in seiner ganzen Pracht zu sehen (21 Punkte, 9 Assists).

Im Anschluss hielt Rondo sein starkes Level mehr oder weniger aufrecht. So übernimmt er in der Lakers-Offense wichtige Playmaking-Aufgaben, um LeBron zu entlasten, legt im Schnitt 7 Assists in den Playoffs auf und trifft sogar seinen Distanzwurf (41,5 Prozent bei 3,2 Versuchen), der ihn nahezu seine komplette Karriere über als Schwachpunkt begleitet hatte. Auch defensiv zeigt er Einsatz, das war in der jüngeren Vergangenheit nicht immer der Fall.

"Playoff-Rondo gibt es wirklich", betonte Teamkollege Anthony Davis mit einem Lachen nach dem bereits angesprochenen Spiel 3 gegen die Rockets. "Ich hatte schon davon gehört, aber 2018 gegen Portland (damals noch mit den Pelicans, Anm. d. Red.) habe ich erstmals gesehen, dass er etwas Besonders ist."

"Er erinnert mich sogar in gewisser Weise an LeBron", führte A.D. seine Lobeshymne weiter aus. "Er ist mental komplett fokussiert. Er schaut drei bis vier Stunden den Film der bisherigen Spiele und nimmt die Schemes des Gegners und ihre Offense auseinander - was der Gegner gerne macht, welche Spielzüge sie gerne spielen und für wen."

LeBron und Rondo: Gegenseitige Wertschätzung

Tatsächlich gilt Rondo als einer der intelligentesten Spieler der Liga, der Tendenzen beim Gegner auch während einer Partie erkennt und Korrekturen im eigenen Spiel vornimmt.

"Es ist verrückt. Wenn die Playoffs starten, ist Rondo ein komplett anderer Mensch. Ich denke, das liegt daran, dass er vier-, fünf-, sechs-, siebenmal gegen das gleiche Team spielt", schwärmte sein Ex-Coach bei den Pelicans Alvin Gentry gegenüber Jackie MacMullan von ESPN. "Rondo hat immer einen Vorteil, wenn das Spiel auf einer intellektuellen Ebene stattfindet."

Diese Eigenschaft beeindruckt auch LeBron. "Er sieht, wie die Defenses spielen, erkennt den Flow des Spiels und kann spontan Adjustments vornehmen - es gibt nicht viele Jungs in dieser Liga, die das können", sagte LeBron. "Vor allem in der Postseason ist das gigantisch. Nachdem ich so viele Jahre auf der anderen Seite stand, weiß ich natürlich, zu was er in der Lage ist. Jetzt auf seiner Seite zu stehen, ist perfekt."

Rajon Rondo: Champion mit den Celtics und den Lakers?

In Spiel 4 der Finals in der Nacht auf Mittwoch (ab 3 Uhr live auf DAZN) kann Rondo in seinen ersten Finals seit einer Dekade einen großen Schritt in Richtung Titel Nr. 2 machen - nach Hall of Famer Clyde Lovellette (damals mit den Minneapolis Lakers) wäre Rondo erst der zweite Spieler überhaupt, der sowohl mit den Celtics als auch mit den Lakers einen Titel holt.

Gleichzeitig würde er LeBron zur vierten Championship verhelfen - vor einer Dekade noch unvorstellbar. "Ehrlich gesagt, ich kann ihn nicht wirklich hassen. Damals, als wir gegen ihn gespielt haben, war das die Einstellung, die wir nun mal hatten", sagte Rondo im vergangenen Dezember zu den KG-Kommentaren.

"Aber wenn du mit ihm in der Kabine bist, bekommst du eine neue Perspektive. Ich liebe LeBron. Er ist einer meiner Lieblings- Mitspieler aller Zeiten", so Rondo. Die Zeiten aus dem Oktober 2012 sind eben lange vorbei.

Los Angeles Lakers vs. Miami Heat: Die Finals im Überblick

SpielDatumUhrzeitTeam 1Team 2Ergebnis/Übertragung
11. Oktober3 UhrLos Angeles LakersMiami Heat116:98
23. Oktober3 UhrLos Angeles LakersMiami Heat124:114
35. Oktober1.30 UhrMiami HeatLos Angeles Lakers115:104
47. Oktober3 UhrMiami HeatLos Angeles LakersDAZN
510. Oktober3 UhrLos Angeles LakersMiami HeatDAZN
6*12. Oktober1.30 UhrMiami HeatLos Angeles LakersDAZN
7*14. Oktober3 UhrLos Angeles LakersMiami HeatDAZN

*falls notwendig