Bob Cousy brachte einen neuen Spielstil in die NBA und veränderte die Liga grundlegend. Dabei wollte ihn Red Auerbach zu Beginn seiner Karriere nicht im Team haben, sein Spielstil wurde als untauglich für die Liga abgetan. Dennoch landete er am Ende bei den Boston Celtics - auch wegen seiner Fahrschule. Am 9. August wird Bob Cousy 93 Jahre alt.
Dieser Artikel erschien ursprünglich im September 2014. Alle weiteren Legenden-Artikel findet ihr in unserem Archiv.
Es gab nicht viele Momente in der Karriere von Red Auerbach, in denen er wirklich sprachlos war. Doch Bob Cousy hatte es geschafft, die Coaching-Legende zum Schweigen zu bringen.
Game 2 in den Playoffs 1953 zwischen den Celtics und den Syracuse Nationals. Boston kann im heimischen Garden den ersten Playoff-Sieg in den 50ern klar machen. Die Hoffnungen ruhen auf Cousy, der seit 1950 bei der Franchise spielt. Der Point Guard verletzt sich aber am Bein, dennoch beißt er auf die Zähne, die Partie geht in die Overtime.
Dort schlägt dann die große Stunde von "Cooz". 25 Zähler sammelt er in insgesamt vier Verlängerungen, darunter sämtliche Punkte in der zweiten Overtime und ein Buzzer-Beater vom Parkplatz in der dritten. Am Ende stehen 50 Zähler in 66 Minuten zu Buche, Cousy trifft zudem 30 von 32 Freiwürfen - bis heute NBA-Rekord. Die Celtics-Fans sehen die Geburtsstunde einer Legende.
Auerbach vs. Cousy: "Ich brauche keine Deppen"
Dass Cousy 1953 so ein Feuerwerk im Boston Garden abbrennt, war eigentlich nicht geplant - schon gar nicht, wenn es nach Auerbach gegangen wäre. "Ich bin hier angestellt, um zu gewinnen, nicht um für die Fans irgendwelche lokalen Deppen zu verpflichten", wetterte der Celtics-Coach vor dem Draft 1950.
Der 22-jährige Cousy gilt im Frühjahr als einer der aufregendsten Spieler in den USA, sein Spiel ist vollkommen anders als alles, was der geneigte Basketball-Fan bisher kannte. Da sind die Behind-the-Back-Dribblings, die unfassbaren No-Look-Pässe und natürlich seine Beidhändigkeit. Eine Fähigkeit, die nicht viele Spieler zu diesem Zeitpunkt besitzen.
Die Geschichte dahinter ist kurios wie schmerzhaft. Als Jugendlicher fällt Cousy von einem Baum und bricht sich den rechten Arm, fortan muss er erst mal mit links dribbeln. "Im Nachhinein war das eine ziemlich glückliche Fügung des Schicksals", erklärte der Hall-of-Famer Jahre später.
Cousy: Prägende Kindheit
In seiner Kindheit hat Cousy aber wenig zu lachen. Er wächst in ärmlichen Verhältnissen in Yorkville, nahe der East Side von Manhattan, auf. Sein Vater, ein französischer Immigrant und Kriegsveteran, arbeitet als Taxifahrer und nebenbei noch schwarz, um die Familie über Wasser zu halten. Cousy selbst spricht die ersten fünf Jahre seines Lebens ebenfalls nur Französisch, erst in der Grundschule lernt er Englisch.
In den Hinterhöfen von Yorkville spielt er zunächst Stickball, später Basketball. Seine Mitspieler sind dabei meist ebenfalls Immigranten. Schon zu diesem Zeitpunkt bildet sich Cousys anti-rassistische Einstellung heraus, die er auch später in der Liga vertreten wird.
Cousy wird zur Local Sensation
Sein Talent im Umgang mit dem orangen Leder bleibt nicht lange unerkannt, schon bald spielt er im Junior Varsity Team der Andrew Jackson Highschool in Queens. Er beeindruckt sogar so sehr, dass ihm das Boston College ein Stipendium anbietet. Am Ende entscheidet er sich aber für die University of Holy Cross in Worcester, knapp 60 Kilometer westlich von Boston.
Angeführt von Cousy und seinem spektakulären Spielstil machen die Crusaders gleich im ersten Jahr die NCAA Championship klar, auch wenn "Cooz" im Finale nur zwei seiner 13 Würfe trifft. Coach Doggie Julian ist aber nicht zufrieden mit seinem Schützling, sodass er dessen Spielzeit in der Folge limitiert.
Der junge Point Guard ist verärgert, liebäugelt sogar mit einem Wechsel an die St. John's University. Deren Coach Joe Lapchick überzeugt Cousy jedoch, bei den Crusaders zu bleiben und auf seine Chance zu warten. Die kommt gegen die Loyola Ramblers. Die Fans fordern laut "We want Cousy", Julian gibt nach und bringt den Spielmacher fünf Minuten vor Schluss. Cousy dankt es ihm mit elf Punkten und einem Buzzer-Beater - natürlich nach einem Behind-the-Back-Move.
Cousy: Kein Bock auf Provinz
Nach 26 Siegen in Folge mit den Crusaders ist Cousy 1950 bereit für die NBA. Die Celtics-Fans wollen Cousy, Auerbach hat bekanntlich etwas dagegen. Boston draftet Center Charlie Share, die Tri-Cities Blackhawks schlagen an dritter Stelle zu und schnappen sich den Wunder-Guard.
Der hat allerdings keine Lust, bei der Provinz-Franchise zu spielen. Die Blackhawks repräsentieren die drei Städte Moline, Rock Island und Davenport - alles keine Großstädte. Cousy erscheint also nicht zum Trainingsauftakt, eröffnet stattdessen lieber eine Fahrschule in Worcester.
Er fordert ein Gehalt von 10.000 Dollar im Monat von Blackhawks-Owner Bob Kerner, um seine Fahrschule aufgeben zu können. Kerner bietet nur 6.000, Cousy sagt ab. Danach wird es kurios: Die Chicago Stags verpflichten Cousy, müssen aber kurz darauf Konkurs anmelden. Commissioner Maurice Podoloff lädt daraufhin die Besitzer der Celtics, Knicks und Philadelphia Warriors ein, um die Rechte an den Spielern Max Zaslofsky, Andy Phillip und eben Cousy auszulosen.
Boston-Owner Walter Brown macht bereits vorher deutlich: Ich komme mit jedem klar, nur nicht mit Cousy. Wie es das Schicksal will, ziehen die Celtics aber den jungen Point Guard der Crusaders. "Ich wäre fast ohnmächtig geworden", erklärt Brown im Anschluss. Den Fans ist es egal - sie haben ihren Local Hero.
Red Auerbachs Rückwärtsrolle
Nicht nur Brown verzieht das Gesicht, auch Coach Auerbach hat wenig Interesse, mit Cousy zu arbeiten. "Wenn er diese Trickserei das erste Mal in der Liga probiert, werden seine Gegenspieler ihm damit das Maul stopfen", erklärt er vor Saisonbeginn.
Cousy ist das herzlich egal. Zunächst heiratet er seine Highschool-Liebe Marie Ritterbusch, mit der er bis zu ihrem Tod 2013 63 Jahre lang verheiratet ist. Sein Plan für den Hochzeitsabend? Er steht im Boston Garden auf dem Parkett - und verblüfft alle.
15,6 Punkte, 6,9 Rebounds uns 4,9 Assists stehen am Ende im Schnitt auf dem Statistik-Bogen, die erste All-Star-Nominierung ist die Folge, von 1950 bis 1963 wird er jedes Mal zum Spiel der Besten eingeladen. Zwar erreichen die Celtics wieder die Playoffs, in den kommenden beiden Jahren ist aber jedes Mal gegen die Knicks Feierabend. Auerbach findet trotzdem Gefallen an seinem neuen Aufbauspieler.
Houdini of the Hardwood
1953 explodiert Cousy dann. 7,7 Assists verteilt der 25-Jährige im Schnitt. Sein Spiel steht im vollkommenen Kontrast zu dem bis dahin statischen Spiel der Liga, wo der Ball meist zu den großen Jungs unter dem Korb gespielt wurde.
Er führt die Liga zudem erstmals bei den Assists an - einen Titel, den er in den nächsten acht Jahren nicht mehr abgeben wird. In den Playoffs ist gegen die Knicks in der zweiten Runde aber wieder Endstation.
Cousy selbst wird aber immer besser, Auerbach nutzt die Stärken seines Point Guards konsequent aus und lässt den Fastbreak laufen. In den Playoffs ist trotzdem drei Mal in Folge gegen die Nationals Schluss. "Uns fehlt am Ende der Saison immer die Kraft, das muss dringend anders werden", erklärt Cousy.
Auch Auerbach sieht, dass noch ein paar entscheidende Puzzlestücke für ein Championship-Team fehlen. Cousy, den die Fans mittlerweile auch den "Houdini of the Hardwood" nennen, braucht Unterstützung. Die soll er bekommen - in Form von Bill Russell.
Dynasty Mode: On!
Neben dem Center kommt auch noch Tom Heinsohn nach Boston. Cousy führt das neue Star-Ensemble an, mit 20,6 Punkten, 4,8 Rebound und 7,5 Assists im Schnitt wird er erstmals zum MVP gewählt, in den Finals setzt man sich gegen die St. Louis Hawks um Bob Pettit in sieben Spielen durch. "Cooz", der im Sommer erster Präsident der Spielergewerkschaft NBPA wird, hat seinen Titel.
Auch im nächsten Jahr zieht man wieder locker ins Finale ein, eine Fußverletzung von Russell im dritten Spiel des Rematches gegen die Hawks lässt die Franchise aus St. Louis aber als Sieger dastehen. Es sollte die letzte verlorene Playoff-Serie von Cousys Karriere sein.
In den nächsten drei Jahren sweept man die Lakers und besiegt die Hawks mit 4:3 und 4:1 in den Finals. Cousy ist produktiv wie eh und je und verteilt gegen die Lakers 28 Assists, ein Rekord, der 17 Jahre Bestand hat. Seine 19 Assists in einer Halbzeit sind bis heute eine unerreichte Bestmarke.
Schlachten gegen die Lakers und Warriors
Cousy muss mit mittlerweile 33 Jahren dem Alter aber so langsam Tribut zollen. Erstmals reicht es nach zehn Jahren im All-NBA-First-Team nur noch für das "Second Team", in den Playoffs liefert man sich enge Duelle gegen die Lakers und die Warriors, Boston setzt sich aber beide Male in sieben Spielen durch, bevor man in den Finals erneut die Hawks schrubbt (4-1).
Cousy baut auch im kommenden Jahr leicht ab, in den Finals gegen die Lakers bleibt es bis zum Ende spannend, erst ein verpasster Buzzer-Beater von Lakers-Guard Frank Selvy sorgt für den vierten Titel in Folge für Boston.
Cooz' letzter Finals-Trip 1963 wird dann noch einmal dramatisch. In Spiel sechs knickt er im letzten Viertel unglücklich um, kann aber wieder ins Spiel zurückkehren. Er scort selbst nicht mehr, gibt der Mannschaft aber noch mal durch seine Rückkehr neue Energie. Die Celtics gewinnen 112:109 - Cousy schmeißt den Ball zur Schlusssirene gen Decke im Boston Garden. Titel Nummer sechs ist sicher - die Karriere zu Ende.
Boston Tear Party
Bei seiner Abschiedszeremonie ist der Garden ausverkauft. Statt den angedachten sieben Minuten verlängert sich seine Verabschiedung auf 20, die Fans hören einfach nicht auf zu applaudieren. Cousy ist überwältigt und lässt seinen Tränen freien Lauf - der Mythos von der "Boston Tear Party" ist geboren.
Der Basketball lässt Cousy aber nicht los, er nimmt den Job als Coach am Boston College an. Drei Mal führt er das Team zum National Invitation Tournament, mehr als das Finale 1969 ist jedoch nicht drin.
Comeback bei den Royals
Im Sommer nimmt er dann den Coaching-Job bei den Cincinnati Royals an und startet sogar ein kurzes Comeback, um den Ticketverkauf anzukurbeln. Obwohl er nur in sieben Spielen zum Einsatz kommt, steigt der Verkauf der Eintrittskarten um fast 80 Prozent.
Erfolg stellt sich aber nicht ein, 1973 tritt er mit einer Bilanz von 141-209 zurück. Im Anschluss verdingt er sich seine Zeit als Commissioner der American Soccer League. "Ich weiß nicht, wie groß der Fußball in Amerika werden kann, aber wenn das Fernsehen unsere Spiele übertragt, können wir eine Nische finden", erklärt er damals dem Ellensburg Daily Record.
Sein Engagement dauert nur fünf Jahre, 1979 hört er auch damit auf. Seine Nummer 14 hängt seit 1971 unter der Hallendecke bei den Celtics, er ist regelmäßig bei den Spielen der Celtics als TV-Experte zu Gast. Im selben Jahr wird er in die Hall of Fame aufgenommen.
Auch Celtics-Besitzer Brown sagte im Anschluss an Cousys Karriere: "Die Celtics wären ohne Bob nicht dort, wo sie jetzt sind. Er hat Basketball in dieser Stadt populär gemacht. Hätte er in New York gespielt, wäre er der größte Sportler seit Babe Ruth gewesen. Ach, was sage ich, er wäre der Größte gewesen."