Die Brooklyn Nets haben acht Spiele in Folge verloren, dem einstigen Championship-Favoriten droht das Play-In-Turnier. Dazu gibt es Trade-Gerüchte um James Harden. Es brodelt in Brooklyn - und das an verschiedenen Stellen.
Es ist keinen Monat her, als sich Kevin Durant das Innenband überdehnte. Brooklyn war damals Zweiter im Osten mit einem recht komfortablen 4,5-Spiele-Vorsprung auf Charlotte auf Platz sieben. Mit dieser Gewissheit schrieben wir deshalb folgendes zu den anstehenden Wochen der Nets ohne KD:
"Vermutlich werden die Nets etwas abrutschen, Miami und Milwaukee lauern bereits, eine Situation wie mit den Los Angeles Lakers im Vorjahr dürfte es aber eher nicht geben."
Das war vermutlich nicht unsere beste Prognose, elf Spiele später ist der Vorsprung komplett geschmolzen, mit 29-24 stehen die Nets mittlerweile nur noch auf Platz sieben im Osten - also hinter den sicheren Playoff-Rängen. In Brooklyn will man einerseits nicht öffentlich in Panik verfallen, andererseits schätzte Blake Griffin nach der achten Pleite in Folge gegen Denver die Sorgen als "sehr hoch" ein.
Auch hinter den Kulissen brodelt es nach dem langen Roadtrip ohne einen einzigen Sieg. Der große Favorit auf den Titel vor der Saison wirkt verletzlicher denn je und es brennt an allen Ecken und Enden. Schauen wir doch mal auf die vier großen Probleme der Nets:
Die Nets-Brandherde: JAMES HARDEN
Das mag jetzt unfair klingen, aber Harden ist in dieser Saison einfach nicht mehr Harden. Er war es nicht zu Beginn der Spielzeit, es gab einigen Höhen im November, Dezember und Januar, doch inzwischen sind die Auftritte des 32-Jährigen wieder erschreckend blutleer - mit der Krönung in Sacramento, als er nur 4 Punkte erzielte. Seither war der Bärtige nicht mehr zu sehen, offiziell wegen Oberschenkelproblemen.
Fast zeitgleich begann jedoch die Gerüchteküche zu brodeln. Will Harden überhaupt noch in Brooklyn spielen? Können sich die Nets im Zweifel auch einen Trade noch vor der Deadline vorstellen? Inzwischen fliegen so viele Meldungen durch den Orbit, dass es beinahe unmöglich ist zu filtern, wo die Wahrheit zu verorten ist.
Für die Seite der Nets sprach zuletzt Head Coach Steve Nash und dieser versicherte nach der Niederlage in Utah, dass Harden innerhalb der Franchise nicht zur Debatte stehe. "Wir liegen auf einer Wellenlänge und ich glaube nicht, dass er all den Berichten Beachtung schenkt", erklärte Nash, der sich damit schützend vor seinen schwächelnden Superstar stellte.
Wenn diese Saison etwas gezeigt hat, dann dass Harden nicht mehr die Show schmeißen kann wie noch in Houston. Einerseits liegt das an den Spacing-Problemen (dazu später mehr), andererseits aber auch am Guard selbst. Die Drives sind nicht mehr so explosiv wie in den Jahren zuvor, in direkter Ringnähe schließt Harden so schlecht wie zuletzt in seiner Rookie-Saison ab (57,4 Prozent), fast zehn Prozentpunkte schlechter als im Vorjahr.
Harden hat immer noch All-Star-Niveau, aber ohne Durant kann er nicht wie früher Spiele übernehmen und Brooklyn "dreckige" Siege bescheren. Genau das war aber der Gedanke, als die Nets vor einem guten Jahr Haus und Hof an Houston verscherbelten und Harden als Versicherung für eventuelle Verletzungen von KD und/oder Kyrie Irving holten. Das bringt die Nets in eine verzwickte Situation und erklärt auch, warum es Stimmen gibt, die einen Harden-Trade nicht mehr ausschließen.
Noch in der Offseason wollten die Nets mit Harden vorzeitig verlängern, weitere drei Jahre und 161 Millionen Dollar standen im Raum. Der frühere MVP lehnte dies ab, betonte aber öffentlich, dass er vorhabe, auch über den Sommer 2022 hinaus in Brooklyn zu bleiben. Im Sommer könnten nun vier Jahre und 227 Millionen warten, doch wollen die Nets das noch zahlen? Im August wird Harden 33 Jahre alt und wie es scheint, haben die vergangenen Jahre am Spielmacher seine Spuren hinterlassen.
Geld spielt für die Nets um den steinreichen Besitzer Joe Tsai zwar nur eine untergeordnete Rolle, doch mit einer solchen Entscheidung bestünde für die Zukunft wenig Spielraum. Und genau hier kommt Ben Simmons ins Spiel, der mit 25 Jahren deutlich jünger ist und gleichzeitig ein enormes defensives Upgrade darstellen würde.
Die Situation bleibt aber sehr verzwickt, da Philadelphia eben auch ein direkter Konkurrent in der eigenen Conference ist. Glaubt man Nash wird es einen solchen Trade aber nicht geben. Der Kanadier sagte vor dem Spiel in Denver noch einmal klar und deutlich, dass der Superstar nicht mehr abgegeben wird.
Die Brandherde der Brooklyn Nets: VERLETZUNGEN
Ohne zu spielen, hat Durant seinen MVP-Case im Prinzip verbessert. Der Forward überdeckte mit seinen Vorstellungen zahlreiche Probleme in den ersten Saisonmonaten, seit er fehlt, ist bei den Nets Sand im Getriebe. Durant ist auch das große Argument dafür, dass Brooklyn womöglich bis zur Deadline nichts machen muss - zu gut präsentierte sich der 33-Jährige.
Womöglich kann KD wieder nach dem All-Star Break eingreifen, realistischer ist es, dass die Nets äußerst vorsichtig mit dem Superstar umgehen werden, insbesondere im Hinblick auf die Playoffs. Was der "Easy Money Sniper" dort veranstalten kann, sahen wir bereits im Vorjahr, als Durant fast im Alleingang den späteren Champion aus Milwaukee in den Urlaub schickte.
Durant ist so gut, dass er aus diesem ungleichen Team einen echten Contender machen kann, wenn er denn fit ist. In den Playoffs 2021 war er es, darauf werden die Nets hoffen. Doch nicht nur Durant fehlt nun schon länger, mit Joe Harris wird ein weiteres Mitglied der Starting Five vermisst. Das gerät gerne in Vergessenheit, aber Harris ist mit Patty Mills der beste Schütze unter den Komplementärspielern und war für das Spacing essentiell.
Harris absolvierte nur 14 Spiele, bevor er sich am Knöchel operieren ließ. Besserung trat aber nicht ein, laut Agent Mark Bartelstein wird der Forward in den kommenden Tagen entscheiden, ob er sich ein weiteres Mal operieren lassen muss. Dies wäre ein weiterer harter Schlag für Brooklyn, da sie seine Fähigkeiten nicht eins-zu-eins ersetzen können.
Wie schon erwähnt, ist Mills ein ähnlich guter Shooter, allerdings defensiv noch limitierter aufgrund der fehlenden Größe. Ein Backcourt-Trio aus ihm, Harden und Irving plus Durant und Big X könnte zwar offensiv schwer zu stoppen sein, ist hinten aber wohl zu abhängig von KD.
Die Nets-Brandherde: KYRIE IRVING
Er ist wieder da, irgendwie aber auch nicht. Mit knapp 23 Punkten und 5 Assists bei Quoten von 46 Prozent aus dem Feld und 37 Prozent von der Dreierlinie sehen die Zahlen für Irving nach seiner überraschenden Rückkehr ordentlich aus, mit ihm erzielen die Nets zudem 3 Punkte pro 100 Possesions mehr als der Gegner und doch "fühlt" man Irving nicht wirklich, wenn er auf dem Feld steht.
Ähnlich wie bei Harden kommt auch Irving kaum zum Korb, ein echter Spielmacher war er ohnehin noch nie. Verwunderlich ist das nicht, verletzte sich Uncle Drew doch am Knöchel und setzte ob seines Impfstatus fast eine halbe Saison aus. "Ich bin noch lange nicht da, wo ich sein möchte", gab Irving nach der Pleite in Utah zu. "Wenn ich nicht gut werfe oder gut spiele, dann haben wir mit unserer personellen Situation große Probleme."
So sieht es auch auf dem Feld aus. Irving wirkt nicht integriert, eher kocht der 29-Jährige meist sein eigenes Süppchen - wie von ihm erwähnt ist das aber auch ein Umstand der schwierigen Personallage. Dass Kyrie gleichzeitig aber auch beklagte, dass das Team noch immer nicht eingespielt sei, kommt dann schon eher wie blanker Hohn daher.
Er selbst ist mit seiner Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen, mitverantwortlich. Hätten die Nets nicht über die Saison so viele Verletzungen und Probleme auf dem Feld gehabt, würde Irving vermutlich noch immer nicht Teil des Teams sein. Dass der Champion mit Cleveland 2016 nun nur Auswärtsspiele bestreitet, hat es so noch nicht gegeben, bleibt ein Störfaktor und macht es umso schwerer, die von Irving angesprochenen Automatismen zu entwickeln.
Insbesondere im Hinblick auf die Playoffs dürfte es sehr interessant werden, wie die Franchise damit umgehen wird. Spötter werden natürlich sagen, dass es für Brooklyn gar nicht so schlecht sei, dass man in der Tabelle nach unten gerutscht ist und womöglich in den Playoffs in keiner Serie Heimvorteil genießen kann. Doch so weit ist es noch lange nicht, wirklich absetzen konnte sich aus dem Spitzenquintett aus Chicago, Miami, Milwaukee, Cleveland und Philadelphia noch niemand.
Und wir sollten ein Stück in die Zukunft blicken. Wie Harden kann auch Irving in dieser Offseason aus seinem Vertrag aussteigen, noch gab es in dieser Hinsicht keine Tendenzen. Kyrie ist seit jeher schwer zu lesen, es ist also alles möglich.
Brooklyn Nets in der Krise: Rollenspieler funktionieren nicht
Noch im Sommer galten die Nets als einer der Gewinner der Free Agency, rückblickend war dies etwas voreilig. Mills war natürlich ein Steal und der Australier erfüllt die Erwartungen voll und ganz, ansonsten war noch Rookie Cam Thomas eine angenehme Überraschung und nutzte die vielen Verletzungen, um sich zumindest als Alternative für die Regular Season zu empfehlen.
Kessler Edwards und Day'Ron Sharpe zeigten ebenfalls Ansätze, einem Contender können sie aber nicht helfen. Sie sind auch nicht das Problem. Akteure wie DeAndre' Bembry oder James Johnson haben vor allem defensiv Qualitäten, sind aber aufgrund des fehlenden Wurfs im Angriff schwer spielbar.
So sucht Nash weiter nach Lineups, vor allem auf den großen Positionen. Blake Griffin, LaMarcus Aldridge, Johnson oder Nic Claxton gaben sich alle die Klinke, sie alle haben Vorzüge aber auch Schwächen. Manchmal sind Nashs Entscheidungen auch schwer zu verstehen, das zeigt sich am besten an Bruce Brown. Im Vorjahr war der "Mini-Center" noch eine der Entdeckungen der Saison, in diesem Jahr spielt er manchmal gar nicht.
Brooklyn hat schlichtweg zu viele Bigs und zu wenige verlässliche Flügelspieler, was nun wieder offensichtlich ist, da mit KD und Harris eben die besten Forwards fehlen. Kontinuität ist so nicht gegeben, aber das war im Jahr zuvor auch nicht der Fall.
Nash macht dabei nicht die beste Figur und wirkt bisweilen etwas ratlos. Mit Mike D'Antoni und Ime Udoka hat der Kanadier zwei seiner drei besten Assistants verloren, auch das sollte nicht unter den Tisch gekehrt werden.
NBA: Das Playoff-Rennen in der Eastern Conference
Platz | Team | Bilanz | Games behind |
1 | Miami Heat | 34-20 | - |
2 | Chicago Bulls | 33-20 | 0,5 |
3 | Milwaukee Bucks | 34-21 | 0,5 |
4 | Cleveland Cavaliers | 33-21 | 1 |
5 | Philadelphia 76ers | 32-21 | 1,5 |
6 | Toronto Raptors | 28-23 | 4,5 |
7 | Brooklyn Nets | 29-24 | 4,5 |
8 | Boston Celtics | 30-25 | 4,5 |
9 | Charlotte Hornets | 28-26 | 6 |
10 | Atlanta Hawks | 25-28 | 8,5 |
*kursiv = Play-In-Turnier
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