Zum ersten Mal seit über 20 Jahren musste sich Dirk Nowitzki in diesem Sommer nicht auf eine weitere NBA-Saison vorbereiten. SPOX und DAZN sprachen mit dem 41-Jährigen beim "Nike Basketball Festival" in Berlin über sein neues Leben.
Außerdem blickte Nowitzki zurück auf seine Abschiedstournee in der vergangenen Saison und auf seine Anfänge als Schüler in Würzburg. Das gesamte Feature "Inspiring Generations" ist ab jetzt auf DAZN zu sehen.
Herr Nowitzki, nach allem, was man zuletzt so lesen musste, bin ich ja verwundert, dass Sie hier nicht kugelrund auftreten.
Dirk Nowitzki: Ja, bei 2,13 m lässt sich das alles ganz gut verstecken. Aber das Gewicht ging schon relativ schnell nach oben. Ich habe jetzt gut drei Monate nichts gemacht und nicht so diszipliniert gelebt, das macht ja auch Spaß, nicht über Workouts oder Basketball nachzudenken und einfach ein bisschen lockerzulassen. Es war dadurch ein schöner Sommer mit der Familie und bisher gab es jetzt noch nicht so viele Punkte, an denen ich Basketball vermisst hätte. Das kommt aber sicher auch noch.
Die Training Camps haben wieder begonnen. Sie sind nach 21 Jahren diesmal nicht dabei. Wundert sich da der Körper, dass es nicht wieder losgeht?
Nowitzki: Ich könnte da nicht mehr mithalten. Wenn du über 30 bist, musst du über den Sommer ein gewisses Level an Fitness halten, sonst ist der Rückstand einfach zu groß und dauert zu lange. Deswegen habe ich früher auch im Urlaub mein Programm abgespult. Dazu ging es im Sommer meinem Fuß auch nicht gut. Es musste einfach aufhören, ich habe immer wieder mit Schmerzen gespielt, wurde fitgespritzt, musste Pillen nehmen. Das hat nicht mehr so viel Spaß wie noch früher gemacht.
Wir alle haben Ihren Rücktritt, Ihre Emotionen verfolgt. Wie ging es für Sie in den Wochen danach weiter?
Nowitzki: Es gab noch ein paar Feiern, es gab noch tolle Reden von alten Freunden und Familie, aber als dann alle weg waren, wurde es ein wenig ruhiger. Ich habe dennoch versucht, aktiv zu bleiben. Ich habe die Kids zur Schule gefahren, war auf Events, habe Sachen für die Stiftung gemacht. Dann haben wir alle zwei Wochen Strandurlaub gemacht. Es war also nie so, dass ich eine Woche im Bett rumlag und Netflix geschaut habe. Ich wollte aktiv bleiben und nicht zu viel nachdenken.
Die letzten Wochen, eigentlich sogar Monate, waren extrem, man hatte bei Ihnen eigentlich nie den Eindruck, dass Sie so etwas wie eine Abschiedstournee gerne haben würden. Sie haben trotzdem eine bekommen. War Ihnen das unangenehm?
Nowitzki: Nein. Diese Abschiedstournee war der Hammer, obwohl ich das nicht angekündigt hatte. Ich habe es genossen, Standing Ovations in fremden Hallen zu bekommen, das war schon unglaublich. New York, Boston oder das All-Star Game in Charlotte, das sind Dinge, die ich nie vergessen werde. Es hat sich ja auch irgendwie natürlich ergeben. Was die Mavs dann am Ende mit meinen fünf Idolen in der Halle veranstaltet haben, war ebenfalls der Wahnsinn.
Sie wussten es aber schon sehr viel früher, dass es Ihr letztes Jahr werden würde?
Nowitzki: Klar, ich hatte mich nach der Saison 2017/18 noch einmal am Fuß operieren lassen - in der Hoffnung, dass es wieder besser wird. Ich wollte mich dadurch wieder besser bewegen können, wieder mehr Spaß haben, aber der Schuss ging völlig nach hinten los. Da war gleich zu Beginn die Entzündung der Sehne am Fuß und das hat mich enorm zurückgeworfen. Mit dem Rückstand war es schwer, noch einmal auf dem höchsten Niveau zu spielen. Dann hat immer wieder auch der Fuß gezwickt und in meinem Kopf hatte ich deshalb schnell den Gedanken, dass es das gewesen ist. Eigentlich wollte ich aber erst weit nach der Saison eine Entscheidung treffen, ob ich noch ein Jahr spiele. Dass die Verkündung dann vor dem letzten Heimspiel kam, habe ich erst zwei Tage vorher beschlossen. Da hatte ich das mit der Familie entschieden und ich glaube, so ist das für mich optimal gelaufen. Es hätte in der letzten Woche nicht besser laufen können.
Sie haben schon Ihre Idole angesprochen, die in Dallas dabei waren: Charles Barkley, Detlef Schrempf, Scottie Pippen, Shawn Kemp und Larry Bird. Seit vielen Jahren sind Sie selbst ein Vorbild für etliche Kinder. Wie nehmen Sie diese Vorbildrolle selbst wahr?
Nowitzki: Das ist natürlich schon eine Ehre, wenn man merkt, dass es respektiert und geachtet wird, was man geleistet hat. Es ist sowieso immer ein tolles Gefühl, wenn Kids sich freuen, dich zu sehen. Natürlich hoffe ich auch, dass es sie vielleicht inspirieren kann. Als ich früher bei Nationalmannschafts-Camps war und es kamen Henning Harnisch oder Christian Welp rein, da waren wir natürlich auch hin und weg und haben uns riesig gefreut. 20 Jahre später stehe ich in diesen Schuhen. Das ist schön und ich hoffe, dass ich so etwas weitergeben kann.
Neuerdings nennt man so etwas oft Influencer. Können Sie mit dem Begriff etwas anfangen?
Nowitzki: Als Influencer sehe ich mich nicht. Ich bin zwar mit den sozialen Medien besser geworden, aber ich bin keiner, der Tag und Nacht in diesen Netzwerken hängt. Natürlich werde ich auch da als eine Art Vorbild gesehen und damit kommt auch eine gewisse Verantwortung. Ich muss mich da schon anständig verhalten und die Leute so behandeln, wie ich selbst auch behandelt werden möchte. Ich wollte das aber immer mit Spaß angehen und damit bin ich auch immer gut gefahren. Das sollte man alles nicht zu ernst nehmen.
Sie haben sich selbst eigentlich immer eher als Zweifler bezeichnet, trotzdem haben Sie ja schon früh wirklich alles dafür investiert, um Ihren Traum zu realisieren. Wann wurde dieser denn greifbar für Sie?
Nowitzki: Ich habe natürlich schon die Hoffnung gehabt, als ich damals mit 14, 15 Jahren angefangen habe. Damals ging es auch los, dass ich mir nachts alles angesehen habe, was irgendwie übertragen wurde. Ich war so ein großer NBA-Fan, dass ich eine Zeit lang wirklich jeden Spieler von jeder Mannschaft kannte. Aber ich hatte keine Ahnung, wo der Weg hinführt. Die Trainer der Bayern-Auswahl meinten da, dass aus mir mal ein guter Bundesliga-Spieler werden kann, vielleicht sogar EuroLeague. Aber keiner wusste, wohin der Weg geht, dass ich einmal 21 Jahre in der NBA spielen würde. Es gab auch schwere Phasen, die ich wegstecken musste. Einen gewissen Glauben an sich selbst braucht man aber, ganz klar.
Das galt auch für ihre Schulzeit in Würzburg. Am Ende konnten Sie froh sein, keine Ehrenrunde gedreht zu haben, oder?
Nowitzki: Stimmt, ein paar Jahre war es knapp. Als Teenager ist eben alles cooler als Schule gewesen, vor allem der Sport. In einem Jahr habe ich Basketball, Tennis und Handball gespielt. Da bin ich direkt nach der Schule zum Tennis und hatte am Abend noch Handball-Training. Da ist die Schule ein bisschen zu kurz gekommen. Meine Eltern meinten dann, dass ich eine Sportart sein lassen soll, und das war es für mich mit Handball. In der Schule wurde es danach tatsächlich ein bisschen besser, aber es war trotzdem ein Kampf für mich. Es gab auch die Überlegung, dass ich nach der zehnten Klasse aufhöre, vielleicht ein Jahr in die USA auf die High School gehe. Dann kam aber Holger Geschwindner, der das abgelehnt hat und gesagt hat: "Auf keinen Fall, du machst hier Abitur." Und das ging dann auch, trotz allem.
Gab es dann auch Absprachen mit den Eltern, dass Sie gewisse Dinge in der Schule erreichen müssen, damit Sie zum Training durften?
Nowitzki: Nein, so lief das nicht. Es war wichtig, dass ich in der Schule nicht den Anschluss verliere. Als sie damals mein Zwischenzeugnis in der elften Klasse gesehen haben, wurde ihnen ein bisschen anders und dann waren sie noch mehr hinterher. Ich bin dann auch zur Nachhilfe gegangen. Einmal war ich auf einem Lehrgang der Jugend-Nationalmannschaft und musste sogar einen eigenen Nachhilfe-Lehrer mitnehmen. Das war ein Konditions-Trainingslager in Oberstdorf und zwischen den Einheiten saß ich dann in einem Raum, wo ich Nachhilfe bekommen habe.
Waren Sie eigentlich ein ruhiger Schüler oder eher der Klassenclown?
Nowitzki: Ich habe auch damals immer meine Späßchen mit meinen Freunden gemacht. Da gab es dann auch immer mal einen Verweis wegen Schwätzen oder Stören des Unterrichts, aber das gehört eben dazu. Ich war auch recht populär, weil ich derjenige war, der immer Kaugummis dabeihatte. Das war natürlich auch verboten und gab immer mal Ärger. Zieht man das alles ab, war ich aber ein guter Schüler. (lacht)
Ohne Geschwindner hätten Sie also abgebrochen? Wie denken Sie im Nachhinein darüber?
Nowitzki: Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich wirklich durchgekämpft hätte. Rückblickend muss ich dankbar sein, dass Holger da zu mir kam und mich zur Schule gedrängt hat. Er hat mir jedes Jahr, zu Weihnachten oder zum Geburtstag, Bücher geschenkt und versucht, dafür zu sorgen, dass ich mich auch neben dem Feld weiterentwickele. Das war schon wichtig, dass ich noch ein zweites Standbein hatte. Wenn es unglücklich läuft, hole ich mir früh eine Knieverletzung und dann wäre der ganze Traum geplatzt gewesen. Deswegen war das Abitur Pflicht.
Als Teil der Bayern-Auswahl mussten Sie fast jedes Wochenende in die Sportschule in Grünwald, südlich von München, fahren. Haben Sie zwecks der Strapazen manchmal darüber nachgedacht, ihren Traum zu beerdigen?
Nowitzki: Ich wollte gar nichts anderes. Sport war mein Leben. Meine beiden Elternteile waren Sportler, ich bin quasi in der Halle aufgewachsen und Bällen hinterhergejagt, seitdem ich laufen konnte.
Kommt daher auch Ihr Wille, immer besser werden zu wollen?
Nowitzki: Gar nicht so sehr. Ich glaube, das lag eher daran, dass wir in einem großen Haus gewohnt haben. Ich war da immer der Jüngste, meine Schwester ist vier Jahre älter, dazu lebten bei uns auch ein Cousin und eine Cousine, die genau dazwischen lagen. Ich war dann oft zu klein, um mitzuspielen. Da hieß es: "Kleiner, setz dich mal an die Seite, du bist noch nicht so weit." Da musste ich mich durchsetzen.
Die Auszeichnungen von Dirk Nowitzki
Auszeichnung | Jahr |
NBA Champion | 2011 |
NBA Finals MVP | 2011 |
NBA MVP | 2007 |
NBA All-Star | 14x (2002-2012, 2014, 2015, 2019) |
All-NBA First Team | 4x (2005-2007, 2009) |
All-NBA Second Team | 5x (2002, 2003, 2008, 2010, 2011) |
All-NBA Third Team | 3x (2001, 2004, 2012) |
NBA Three-Point Shootout Champion | 2006 |
NBA Teammate of the Year | 2017 |
FIBA World Cup MVP | 2002 |
FIBA World Cup Scoring Champion | 2002 |
FIBA EuroBasket MVP | 2005 |
FIBA EuroBasket Top Scorer | 3x (2001, 2005, 2007) |
Europas Spieler des Jahres | 6x (2002-2006, 2011) |
Silbernes Lorbeerblatt | 2011 |
Draußen vor der Halle in Würzburg ist ein Graffiti mit der Inschrift: "Alle Träume sind erstmal verrückt, bis du anfängst, sie wahrzumachen." Wie interpretieren Sie diesen Satz?
Nowitzki: Als ich angefangen habe mit Basketball, bin ich schnell wirklich ein riesiger Fan gewesen. Ich bin nachts aufgestanden, habe jedes All-Star Game und die Finals angeschaut, zu MJ-Zeiten. Da war dieser Traum, selbst irgendwann mal dazuzugehören, natürlich extrem weit weg. Es wirkte schon wie eine riesige Sache, auch nur einmal in der NBA mitzuspielen. Was daraus wurde, hätte ich natürlich nie ahnen können. Ich glaube, es ist für Kinder wichtig, zu träumen und zu versuchen, sich diese Träume auch zu verwirklichen. Natürlich wird nicht jeder in die NBA kommen, deswegen braucht man auch ein zweites Standbein. Aber so ein Traum ist etwas Positives. Wie es dann wird ... bei mir war natürlich auch viel Glück dabei. Ich habe zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Leute kennengelernt. Wenn Holger damals nicht in mein Leben gekommen wäre, wäre ich vielleicht bei Tennis oder Handball geblieben, vielleicht hätte ich Basketball gar nicht so verfolgt. Das weiß im Endeffekt niemand. Ich bin froh, wie es gelaufen ist.
Können Sie sich noch an Schlüsselmomente erinnern, als Sie Idole in der NBA trafen und stolz auf sich waren?
Nowitzki: Klar, das erste Spiel, gleich in Seattle gegen Detlef Schrempf, war schon toll, da ich auch ein Fan von ihm war, er hat mir auch gleich seine Nummer gegeben. Aber der absolute Wow-Moment war das vierte Spiel, als wir gegen Houston gespielt haben. Da waren mit Scottie Pippen und Charles Barkley gleich zwei meiner Idole in einem Team, Hakeem Olajuwon war da dann auch noch. Vor einem Jahr hatte ich noch für Würzburg in der zweiten Liga gespielt, nun ging es gegen plötzlich gegen die Besten der Welt. Da fragte ich mich, ob ich da wirklich hingehöre, ob ich das wirklich schaffen werde. Das erste Jahr war in der Hinsicht schon brutal.
Sie sprechen an, dass Schrempf Ihnen seine Nummer gab. Ähnlich machten Sie es dann später mit jungen Deutschen, unter anderem Dennis Schröder, die nach Ihnen in die NBA kamen.
Nowitzki: So nett wie der Detlef zu mir war, wollte ich das übernehmen. Im Endeffekt war mir das dann ein bisschen peinlich, ihm zu schreiben, deswegen hatten wir kaum Kontakt. Ich war aber nicht so selbstbewusst zu sagen, dass ich den Detlef nicht brauche. Ich wollte ihn nicht nerven mit meinen kleinen Problemen als Rookie. Ich hätte ihn häufiger kontaktieren sollen, das habe ich mir im Nachhinein gewünscht. Aber das hat mich dann dazu verleitet, es eben auch anzubieten. Heute haben alle jungen deutschen Spieler meine Nummer und wenn irgendwas ist, versuche ich jederzeit zu helfen.
Mit Schröder hatten Sie auch schon Kontakt, bevor er in die Liga kam, richtig?
Nowitzki: Genau, wir hatten damals ja auch einen recht hohen Pick und er war vor dem Draft mal in Dallas, als ich zufällig auch noch da war. Ich hatte ihn vorher noch nie spielen sehen, deswegen bin ich zu seinem Workout dagewesen und habe danach auch rund 20 Minuten mit ihm gequatscht. Wir haben dann Nummern ausgetauscht und seither hat er sich immer mal wieder gemeldet, zu NBA-Themen, zur Nationalmannschaft, allen möglichen Dingen. Wir hatten jetzt nicht super viel Kontakt, aber der Austausch war schon immer da.
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